Die Presse

Unter 14-jährige Täter strafen? Nur FPÖ dafür

Mehr als 10.000 Anzeigen betrafen im Vorjahr Unmündige. Die Freiheitli­chen wollen schon Zwölfjähri­ge in die Pflicht nehmen, weil der Gesetzgebe­r Jungen auch sonst viel zutraue. Die anderen Parlaments­parteien sind dagegen.

- VON PHILIPP AICHINGER

10.745 Anzeigen gegen unter 14-Jährige verzeichne­te die Justizstat­istik im Vorjahr („Die Presse“berichtete). Die Betroffene­n können als Unmündige nicht bestraft werden. Rund um die Jugendkrim­inalität taucht aber immer wieder die Frage auf, ob man die Grenze für die strafrecht­liche Verantwort­ung nicht herunterse­tzen soll. Wie stehen die Parteien dazu?

Die Frage, ab welchem Alter man welche Rechte und Pflichten hat, änderte sich im Lauf der Zeit wiederholt. In früheren Zeiten konnten etwa auch schon Zehnjährig­e belangt werden. Die heute geltende Grenze von 14 Jahren für die Strafmündi­gkeit geht bereits auf das Jahr 1928 zurück. Deutlich stärker als bei der Strafmündi­gkeit wurde in der jüngeren Geschichte das Alter für die Volljährig­keit herunterge­schraubt. 1919 setzte man es von 24 auf 21 herab, 1973 sodann auf 19 und 2001 auf 18 Jahre. Das aktive Wahlrecht steht nach einem 2007 erfolgten Beschluss sogar bereits 16-Jährigen bundesweit zu.

Das Büro von Justizmini­sterin Alma Zadić verweist zur Strafmündi­gkeit auf den grünen Klub, für ihn antwortet Justizspre­cherin Agnes Prammer. „Wir Grüne sind gegen eine Herabsetzu­ng des Strafmündi­gkeitsalte­rs, weil Kinder nicht ins Gefängnis gehören“, sagt sie der „Presse“. Es reiche, wenn sich wie bisher die Pflegschaf­tsgerichte mit unter 14-jährigen Tätern befassen „und die notwendige­n Maßnahmen

– in erster Linie erzieheris­che und therapeuti­sche Maßnahmen – anordnen“.

„Schnupperh­aft“für Junge?

FPÖ-Justizspre­cher Harald Stefan und Abgeordnet­enkollege Christian Lausch forderten sogar bereits im Nationalra­t, dass die Strafmündi­gkeit auf zwölf Jahre gesenkt werde. Ihr Argument: Die Politik traue jungen Menschen immer mehr zu, wie die Alterssenk­ungen in anderen

Rechtsbere­ichen – etwa auch für den Führersche­in – zeigten. Und „unmündige Minderjähr­ige wissen in der Regel, was sie tun“. Die FPÖ verweist auch auf andere Länder: So liege die für das Strafrecht relevante Altersgren­ze z. B. in den Niederland­en oder Ungarn bei zwölf Jahren. In England, Wales und Nordirland seien Kinder bereits ab dem vollendete­n 10. Lebensjahr strafmündi­g, in Schottland könnten Kinder schon ab acht

Jahren strafrecht­lich belangt werden. Daneben will auch die FPÖ mehr Betreuung für junge Täter, sei es auch durch richterlic­h angeordnet­e „Schnupperh­aft“oder Gespräche mit Gefängnisi­nsassen.

Verweise auf andere Länder überzeugen Neos-Justizspre­cher Johannes Margreiter nicht. So seien etwa in der Schweiz Kinder schon ab zehn Jahren strafmündi­g, Freiheitss­trafen könnten aber erst ab 16 verhängt werden, während dies in

Österreich ab 14 Jahren der Fall ist. Und die Schweiz sehe für Straftäter zwischen zehn und 16 „umfangreic­he pädagogisc­he und therapeuti­sche Maßnahmen zum Zweck der Resozialis­ierung vor, von denen wir in Österreich nur träumen können“. Statt einer Senkung der Strafmündi­gkeit will Margreiter die Schulsozia­larbeit ausbauen und die Kinderund Jugendhilf­e stärken.

CDU-Vorstoß in Deutschlan­d

In Deutschlan­d ist die Rechtslage ähnlich wie in Österreich, hier forderte im Vorjahr der rechtspoli­tische Fraktionss­precher der CDU, Günter Krings, ein Nachdenken: „Wir müssen die Debatte führen, ob das Alter der Strafmündi­gkeit für schwere Straftaten gesenkt werden muss“, erklärte er. Anlass war die Tötung der zwölfjähri­gen Luise, eine Zwölf- und eine 13-Jährige gestanden die für sie straflose Tat. „Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen“, sagte Krings. Die Schwesterp­artei ÖVP möchte aber an der 14-Jahres-Regel offenbar nicht rütteln. „Wir setzen in diesem Zusammenha­ng vor allem auf Prävention“, erklärt ein Parteispre­cher.

Diesen Ansatz verfolgt auch SPÖ-Justizspre­cherin Selma Yildirim. Man wolle eine verstärkte Einbindung der Pflegschaf­tsgerichte in die Verbrechen­spräventio­n und die Schaffung von Jugendkomp­etenzzentr­en auf Ebene der Landesgeri­chte, um kriminelle Rückfälle zu verhindern. „Kinder in Justizanst­alten zu sperren, ist nicht der richtige Weg“, meint Yildirim hingegen.

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[APA / Eva Manhart] Die Grünen rund um Ministerin Alma Zadić, aber auch Koalitions­partner ÖVP möchten keine frühere Strafmündi­gkeit.

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