Kinderschutz: Genug getan? Nein!
Seit prominenten Fällen ist viel in Bewegung. Pflichtleitlinien fehlen aber, und Föderalismus ist ein großes Problem.
Erst vor wenigen Tagen wurde ein neuer Fall publik. Missbrauchsvorwürfe gegen einen Schauspieler, der sich jungen Dartstellern genähert haben soll. Und damit ein Fall, der an jenen um Florian Teichtmeister erinnert — nach diesem wurden umfassende Maßnahmen zum Kinderschutz im Kulturbereich, in Vereinen, an Bildungseinrichtungen usw. versprochen. Neben etwa Strafverschärfungen sollten verpflichtende Kinderschutzkonzepte etabliert werden. Was wurde daraus?
In der Bundestheater-Holding — sie ist mit Burgtheater und Volksoper für zwei Häuser zuständig, an denen die eingangs erwähnten Schauspieler tätig waren — wurden mittlerweile umfassende Richtlinien erstellt. Aktuell gibt es für jedes Haus ein Kinderschutzkonzept und Kinderschutzbeauftragte.
„Vieles auf den Weg gebracht“
Auch Hedwig Wölfl, die Leiterin des Kinderschutzzentrums „Die Möwe“, stellt fest, dass im letzten Jahr „viel auf den Weg gekommen“sei. „Es gibt mehr Bewusstsein. In Schulen, Kindergärten, im Kulturbereich. Ich weiß, dass die großen
Institutionen sehr dahinter sind, dass Standards geschaffen werden. Aber das dauert natürlich. Man muss Risiken erheben, Beauftragte ausbilden, etc.“
So ein Kinderschutzkonzept im Kulturbereich kann etwa festlegen, welcher Verhaltenskodex im Umgang gilt, nicht nur für Chorleiter oder Regie sondern etwa auch für Maske und Bühnenarbeiter. Es werden Maßnahmen für Beschwerden und Risikosituationen entwickelt bis hin zu Fragen, wie muss jeder in dieser Institution damit umgehen, wenn etwas Auffälliges bemerkt wird? An wen kann oder muss man sich wenden?
Solche Handlungsleitfäden sollten – das fordern Kinderschutzeinrichtungen – in jedem Bereich, in dem sich Kinder aufhalten, von der Kinderkrippe bis zum Sportverein, verpflichtend sein. Auch von Familienministerin Susanne Raab und Jugendstaatssekretärin
Claudia Plakolm (beide ÖVP) hieß es am Mittwoch bei einem Gipfel, solche Konzepte müssten überall vorhanden sein, wo mit Kindern gearbeitet wird. Eine Verpflichtung für Vereine usw. werde es nicht geben. Aber eine „Qualitätssicherungsstelle Kinderschutz“soll für Beratung und Zertifizierung von Kinderschutzkonzepten zuständig sein.
Dass das auf freiwilliger Basis bleibt, „ist schade. Aber noch sinnvoller wäre ohnehin eine Verknüpfung mit öffentlichen Förderungen. So, wie es etwa auch beim Antidoping gelungen ist, Förderungen an Auflagen zu knüpfen“, sagt Hedwig Wölfl. Zumindest aber an Schulen sollen Kinderschutzkonzepte laut Plan der Regierung ab dem Schuljahr 2024/2025 verpflichtend sein. Bisher sind die Auflagen für Schulen, Kindergärten, Krippen dazu höchst unterschiedlich. Während in Wien etwa Kindergärten, Kindergruppen
oder Tageseltern ein Konzept bzw. einen Krisenleitfaden vorlegen müssen, wie sie sexuelle, psychische und physische Gewalt an Kindern verhindern und im Verdachtsfall reagieren wollen, ist das in anderen Bundesländern noch nicht der Fall.
„Der Föderalismus ist im Kinderschutz nachträglich bis katastrophal. Dass das 2018 zur Ländersache gemacht wurde, war eine falsche Entscheidung. Man braucht einheitliche Gesetze und Strukturen, bessere Vernetzung und Austausch. Dann gelingt es in vielen Fällen, schneller zu handeln, Betroffene von Gewalt schneller zu schützen“, sagt Wölfl.
Auch der Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen fordert, die Kinderund Jugendhilfe wieder in Bundeskompetenz zurückzuführen. Schließlich habe, so heißt es etwa von den Kinderfreunden, seit der Überführung in Landeskompetenz eine „Nivellierung nach unten“stattgefunden, statt Standards in der Kinder- und Jugendhilfe zu verbessern.
Kaum Thema in Ausbildung
„Wir müssen im Bund eine zentrale Anlaufstelle schaffen, in der die Fäden zusammenlaufen. Wir fordern seit Jahren ein Kinderministerium, eine unabhängige Kinderschutzstelle oder eine dauerhaft eingerichtete Kindeswohlkommission. Wichtig wäre auch ein echtes Monitoring. Und, eine Verankerung des Kinderschutzes in Berufsausbildungen wie Medizin, (Elementar-) Pädagogik oder Psychologie. Bisher ist das nur in der Sozialarbeit und bei der Polizei in der Ausbildung verpflichtend“, sagt Hedwig Wölfl.