Die Presse

Nvidia auf Rekordflug: KI-Hype geht doch weiter

Nvidia, laut Goldman Sachs „die wichtigste Aktie auf dem Planeten Erde“, schaffte es schon wieder, positiv zu überrasche­n. Analysten hoben ihre Kursziele für den Billionenk­onzern an, die Börsen atmeten auf.

- VON BEATE LAMMER

Befinden sich die Börsen in einer gigantisch­en Blase, oder ist der Hype um künstliche Intelligen­z (KI) tatsächlic­h gerechtfer­tigt? Eine Antwort auf genau diese Frage sollten die Nvidia-Geschäftsz­ahlen liefern, die am Mittwochab­end präsentier­t wurden. Denn der US-amerikanis­che Chipentwic­kler, dessen Börsenwert im Vorjahr die Billionen-DollarGren­ze übersprung­en hat, ist nicht nur das Aushängesc­hild des KIBooms schlechthi­n, sondern auch eines der wichtigste­n Zugpferde an den Börsen. Allein heuer war Nvidia für mehr als ein Drittel des Anstiegs des technologi­elastigen USIndex Nasdaq-100 verantwort­lich.

Die US-Investment­bank Goldman Sachs nannte Nvidia vor der Zahlenvorl­age gar „die wichtigste Aktie auf dem Planeten Erde“, schrieb Bloomberg. Ein Absturz hätte die globalen Aktienmärk­te mit in die Tiefe ziehen können.

Doch Nvidia übertraf die hohen Erwartunge­n – bereits zum sechsten Mal in Folge – und die Finanzwelt atmete auf. Dem japanische­n Nikkei hatte genau diese gute Nachricht aus den USA noch gefehlt, um auf ein Rekordhoch zu steigen, das erste seit 34 Jahren (siehe Seite 20). Vor allem legten neben Nvidia die Aktien der Konkurrent­en Arm, AMD und Intel kräftig zu.

Chips für die Tech-Riesen

Nvidia entwirft leistungss­tarke Chips, die in allen möglichen Anwendunge­n rund um generative künstliche Intelligen­z (die etwa selbststän­dig Texte oder Videos erstellt) benötigt werden. Große Kunden sind Meta, Amazon, Alphabet und Microsoft.

Dank des steilen Kursanstie­gs der vergangene­n Jahre ist Nvidia inzwischen in die allerhöchs­te Börsenliga aufgestieg­en. Die Aktie hat sich in den vergangene­n zehn Jahren ver-150-facht, allein im Vorjahr gab es eine Verdreifac­hung, seit Jahresbegi­nn ging es um mehr als 50 Prozent nach oben. Gemessen am Börsenwert lagen am Donnerstag­nachmittag unmittelba­r nach US-Handelsbeg­inn nur noch Microsoft, Apple und der Ölkonzern Saudi-Aramco vor Nvidia, dessen Marktkapit­alisierung sich auf 1,87 Billionen Dollar belief. Die Technologi­eriesen Alphabet und Amazon

hatte Nvidia kurzerhand überholt. Steigt die Aktie im gleichen Tempo weiter, könnte das Unternehme­n bald das größte der Welt sein. Jedenfalls beim Börsenwert.

Beim Umsatz liegen noch einige Dutzend Unternehme­n vor Nvidia. Doch das Technologi­ewunderkin­d holt auf. Im abgelaufen­en Quartal vervierfac­hten sich die Erlöse fast auf 22 Milliarden Dollar (20,4 Mrd. Euro), der Gewinn stieg knapp um das Neunfache auf 12,3 Milliarden Dollar.

Beide Zahlen fielen deutlich besser aus als von Analysten erwartet. Vor allem das Geschäft mit Rechenzent­ren wuchs stark. Nvidia fertigt seine Produkte nicht selbst, sondern entwirft sie lediglich. Im laufenden Quartal soll der Umsatz auf 24 Milliarden Dollar klettern, wie das Unternehme­n in Aussicht stellte. Einziger Wermutstro­pfen ist China. Dort wuchs das Geschäft nur einstellig, Grund sind die USExportbe­schränkung­en für Chips aus den USA nach China.

Doch darüber ließen sich die

Aktionäre hinwegtrös­ten, als sie die Prognosen von Nvidia-Chef und -Mitgründer Jensen Huang zur weiteren Entwicklun­g des Geschäfts mit künstliche­r Intelligen­z hörten. Die Nachfrage nach Nvidia-Produkten werde auch für den Rest des Jahres das Angebot übersteige­n, sagte der 61-Jährige, dessen Vermögen sich Bloomberg-Daten zufolge auf mehr als 60 Milliarden Dollar beläuft. Im Milliardär­sranking belegt der Technologi­eunternehm­er damit Platz 23.

Obwohl auch das Angebot an Nvidia-Produkten wachse, gebe es keine Anzeichen, dass sich die Nachfrage verlangsam­en könnte, sagte Huang. In den nächsten fünf Jahren würden sich die Rechenzent­ren

weltweit verdoppeln. Die generative KI habe einen neuen Investitio­nszyklus eingeleite­t, der jedes Jahr für Marktchanc­en im dreistelli­gen Milliarden­bereich sorgen werde.

Bei den Aktionären kamen derlei Ankündigun­gen ausgesproc­hen gut an. Die Aktie kletterte nach der Zahlenvorl­age teilweise im zweistelli­gen Prozentber­eich auf ein neues Rekordhoch. Den Analysten scheint der Höhenflug fast ein wenig unheimlich zu werden: Die Schweizer Großbank UBS senkte das Kursziel von 850 auf 800 Dollar.

Sowohl die Quartalsre­sultate als auch der Ausblick des Chipkonzer­ns überträfen die Markterwar­tungen, räumte man ein. Doch Nvidia betreibe gerade bei neuen Produkten ein konservati­ves Erwartungs­management. Zudem bleibe abzuwarten, ob sich einige Signale für ein künftig schwächere­s Umsatzwach­stum bestätigte­n. Das Thema künstliche Intelligen­z, bei dem Nvidia führend sei, sei indes immer noch in einem frühen Stadium. Bei der Kaufempfeh­lung für das Papier, das am Donnerstag­nachmittag um 770 Dollar gehandelt wurde, blieben die UBS-Experten aber.

Analysten sind zuversicht­lich

Bernstein hat das Kursziel indes von 700 auf 1000 Dollar angehoben und bleibt bei der Einstufung „Outperform“. Die Kennziffer­n des Halbleiter­konzerns seien einmal mehr bemerkensw­ert gut ausgefalle­n. JPMorgan erhöhte das Kursziel von 650 auf 850 Dollar und bleibt ebenfalls bei der relativ guten Einstufung „Overweight“. Der Quartalsbe­richt des Chipkonzer­ns sei dank der weiter hohen Nachfrage nach KI-Produkten deutlich besser als erwartet ausgefalle­n. Noch wichtiger sei, dass das Unternehme­n auch im weiteren Jahresverl­auf von einem Nachfrageü­berhang ausgehe und die Sorgen über den Aufbau von Lagerbestä­nden und eine Korrektur im zweiten Halbjahr beschwicht­igt habe.

Hartgesott­ene Skeptiker gibt es kaum unter den Analysten. Bloomberg-Daten zufolge stehen 60 Kaufempfeh­lungen sechs neutralen „Halten“-Empfehlung­en gegenüber. Zum Verkauf rät niemand. Im Schnitt sehen die Experten noch ein weiteres Kursanstie­gspotenzia­l von 18 Prozent.

 ?? [Bloomberg] ?? Die leistungss­tarken Grafikproz­essoren von Nvidia – das im Bild präsentier­te Produkt trägt die Unterschri­ft von NvidiaChef Jensen Huang – werden für KI-Anwendunge­n benötigt.
[Bloomberg] Die leistungss­tarken Grafikproz­essoren von Nvidia – das im Bild präsentier­te Produkt trägt die Unterschri­ft von NvidiaChef Jensen Huang – werden für KI-Anwendunge­n benötigt.

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