Mehr als nur das süße Geschäft mit Zucker
Die AGRANA Beteiligungs-AG ist vor allem durch ihre Marke „Wiener Zucker“bekannt, doch der Konzern stellt auch zahlreiche Stärkeprodukte, Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentrate her.
Es gibt nur ganz wenige Produkte, die für Menschen lebensnotwendig sind – dazu gehört unbestritten Zucker. Aber auch ohne Fruchtsäfte wäre das Leben um eine Facette ärmer. Wie es unter anderem um das große Geschäft mit dem Zucker steht, welche Herausforderungen etwa der Krieg in der Ukraine an AGRANA stellt und weshalb die Standorte in Österreich gesichert sind, erörterte Michael Köttritsch, „Die Presse“, mit Stephan Büttner, CEO der AGRANA Beteiligungs-AG.
„Wir werden noch immer sehr stark als Zuckerunternehmen wahrgenommen, das liegt sicher auch daran, dass eine unserer Marken ,Wiener Zucker‘ ist“, weiß Büttner um die Außenwirkung des Konzerns, „AGRANA ist aber viel mehr als Zucker, denn der stellt das kleinste unserer Segmente dar. Damit generieren wir in diesem Jahr einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Stärkeprodukte bringen ebenfalls etwa eine Milliarde an Umsatz, das ist aber ein sehr diversifiziertes Portfolio mit mehr als 700 verschiedenen Produkten.“Neben zwei Standorten zur Zuckerproduktion betreibt AGRANA in Österreich drei Stärkefabriken und Produktionsstätten für Fruchtzubereitung und Fruchtsaftkonzentrate. Weltweit produzieren wir an 55 Standorten.
Schädlicher Rüsselkäfer
Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Jahren der Rüsselkäfer, der Teile der heimischen Zuckerrübenernte vernichtete. Zudem brachte das Ende des Quotensystems in den Jahren 2017 und 2018 gravierende Veränderungen mit sich. „Dadurch kam es in diesem Geschäftsbereich zu strukturellen
Veränderungen, die Preise sind sehr stark zurückgegangen. Deshalb haben auch die Preise für den Rohstoff Zuckerrübe massiv gelitten, was zu einem geringeren Angebot für die Verarbeitung geführt hat“, erinnert sich Büttner. Bei dem massiven Auftreten des Rüsselkäfers spiele der Klimawandel, neben Verordnungen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln regulieren, eine Rolle. Mittlerweile gebe es aufgrund gestiegener Preise wieder ein wesentlich größeres Angebot an Rüben. „Deshalb sind die beiden Zucker-Standorte in Österreich gesichert“, unterstreicht Büttner.
Die Volatilität der Rohstoffpreise betrifft alle Geschäftsbereiche, hinzu kommen Schwankungen auf den Energiemärkten und bei Währungen, wie etwa durch die Hyperinflation in Argentinien, Ägypten
oder der Türkei. „Hier geht es besonders um Risikomanagement, aber auch darum, gewisse kalkulierbare Risiken bewusst einzugehen. Das ist unser täglich Brot“, erläutert Büttner, „Wenn Rohstoffe schlagartig billiger werden, verringert sich natürlich auch der Preis der daraus hergestellten Produkte. Unverkaufte Lagerbestände in großem Ausmaß müssen dann abgewertet werden. Wir vermarkten etwa eine Million Tonnen Zucker pro Jahr. Man kann sich vorstellen, dass sich hier einiges bewegen kann.“
Klimawandel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit wird bei AGRANA ernst genommen. „Wir beschäftigen uns seit Langem mit der Kreislaufwirtschaft und versuchen, beinahe 100 Prozent der Rohstoffe, die wir verarbeiten, auch zu nutzen“, so Büttner. Die Ziele sind die Klimaneutralität im Jahr 2040 in Bezug auf Scope 1 und 2 (umfasst die direkte Freisetzung klimaschädlicher Gase im eigenen Unternehmen bzw. die indirekte Freisetzung klimaschädlicher Gase durch Energielieferanten, Anm.). „Bis 2050 wollen wir zudem klimaneutral im Sinne von Scope 3 (die indirekte Freisetzung klimaschädlicher Gase in der vor- und nachgelagerten Lieferkette, Anm.) sein“, so der AGRANA-CEO.
Zucker aus der Ukraine
Für Aufregung in der Branche sorgen aktuell riesige Mengen an Zucker, die aus der Ukraine in die EU importiert wurden. Büttner: „Man kann temporär über diese Handelsliberalisierung sprechen, aber es muss ein Regulativ geben. Derzeit sehen wir einen rasanten Anstieg an Zuckerimporten, bis 2022 waren das 20.000 Tonnen Zucker, die aus der Ukraine jährlich zollfrei importiert werden konnten. Das ist mittlerweile bis auf 700.000 Tonnen angestiegen und wir sehen ein Potenzial von bis zu einer Million Tonnen.“Durch unterschiedliche Produktionsvoraussetzungen und Qualitätsstandards kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen. Um die Eigenversorgung in Zukunft nicht zu gefährden, setzt Büttner eine zollfreie Importmenge von 200.000 Tonnen Zucker aus der Ukraine als vernünftig an.
Mit der aktuellen Geschäftsentwicklung ist Stephan Büttner sehr zufrieden und erwartet, dass sich das Betriebsergebnis gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert. Herausforderungen sieht er im kommenden Geschäftsjahr, das bei AGRANA am 1. März beginnt. Deshalb wird der Konzern unter anderem an der Organisationsstruktur arbeiten, um effizienter zu werden. „Wir wollen uns weiter global diversifizieren und auch in Märkte investieren, in denen wir bereits erfolgreich tätig sind. Zudem wollen wir die Basisprofitabilität auf ein höheres Niveau bringen, damit uns die Volatilität in manchen Geschäftsbereichen nicht hart trifft und wir noch stabiler werden“, blickt Büttner optimistisch in die Zukunft, „Unser Umsatzziel für die kommenden Jahre sind vier Milliarden Euro.“
‘‘ Wir wollen weiter global diversifizieren. Stephan Büttner CEO der AGRANA Beteiligungs-AG