Die Presse

Kulturlebe­n in Kiew: Mit dem Krieg kam das Theater

Ukrainer am Burgtheate­r. Das Autor*innentheat­er Kyiw präsentier­t sich am 24. Februar an der Burg. Mitbegründ­erin Natalka Vorozhbyt erzählt, warum der Kriegszust­and für sie schon zehn Jahre andauert und wie es dem Kulturlebe­n in ihrem Land geht.

- VON CAROLIN KORNFELD

Zwei Jahre sind vergangen, seit Russland die Ukraine überfiel. Die Kunstschaf­fende Natalka Vorozhbyt beschäftig­t sich in Film und Theater mit dem Krieg in ihrem Land. Die Ukrainerin­nen und Ukrainer seien kriegsmüde, das sei verständli­ch, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Dennoch ist sie überzeugt: „Wir müssen weitermach­en und weiterkämp­fen!“Das entscheide über den Tod oder das Leben der Ukraine. Die Dramatiker­in und Drehbuchau­torin sieht ihr Land seit 2014 im Kriegszust­and: „Schon nach der Annexion der Krim hat der Krieg begonnen. Es ist für die ganze Ukraine schlimm, dass es in der Welt nicht so wahrgenomm­en wurde. Und es ist schlimm, dass es den 24. Februar (Anm. d. Red.: 2022) geben musste, damit die Welt das versteht. Dass es sich wirklich um einen Krieg handelt.“

Die Mobilisier­ung neuer Streitkräf­te verläuft problemati­sch, darüber sei man sich einig. „Es gibt Männer, die bereits ein oder zwei Jahre an der Front sind. Sie kommen aber nicht zurück, weil es immer schwierige­r wird, Menschen zu finden, die sie ersetzen können. Ich glaube, dass die Ukrainerin­nen und Ukrainer nicht nur im Schützengr­aben für ihr Land nützlich sein können: Nicht jede Person ist bereit, an der Front zu sein, es gibt auch andere Mittel zu helfen. Wir brauchen Hilfe von außen, unsere personelle­n Ressourcen sind viel geringer als die der Russen.“

Für die Ukrainerin­nen gilt ihrer Meinung nach: „Keine Frau will, dass ihr Sohn, ihr Ehemann oder Vater einberufen wird und kämpft. Auf der anderen Seite versteht auch jede Frau, dass wir anders nicht gewinnen werden. Versuchen Sie, sich in ihre Position hineinzuve­rsetzen.“

Kulturvern­ichtung seit vielen Jahren

Natalka Vorozhbyt vermeidet die russische Sprache, wenn möglich. „Ich möchte, dass man sieht, dass ich Ukrainerin bin.“Sie versteht, wenn russische Kulturwerk­e in der Ukraine nicht gern gesehen werden. Das sei eine natürliche Reaktion auf Vergangenh­eit und Gegenwart: „Sehr viele ukrainisch­e Künstlerin­nen und Künstler, aber auch Kulturwerk­e wurden seit vielen Jahren vernichtet oder verboten (Anm. d. Red.: in Russland), nur weil sie für die ukrainisch­e Kultur etwas getan haben. Jetzt zerstören die Russen ganze ukrainisch­e Städte, Museen und Theater, sie töten unsere Künstlerin­nen und Künstler.“

Obwohl die Finanzieru­ng Schwierigk­eiten bereite, sei das kulturelle Leben in der Ukraine sehr intensiv, erzählt Natalka Vorozhbyt. In den letzten Jahren wurde auch immer mehr ukrainisch­e Literatur in andere Sprachen übersetzt. „In meinen Augen ist das Theater dabei aber noch zu wenig beachtet worden.“Das von ihr mitbegründ­ete Autor*innentheat­er Kyiw (Theatre of Playwright­s) konnte zwar zunächst nicht wie geplant im März 2022 in Kiew eröffnen, mittlerwei­le kommen jedoch mehrere Premieren pro Saison auf die Bühne.

Natalka Vorozhbyt ist froh über die Zusammenar­beit des Theaters mit dem Wiener Burgtheate­r. Die nächste gemeinsame Veranstalt­ung in Wien findet am 24. Februar mit Lesungen von Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern des Burgtheate­rs und Stückaussc­hnitten aus dem Spielplan der Kiewer Kolleginne­n und Kollegen statt. Außerdem spricht Andrii Bondarenko, leitendes Mitglied des Autor*innentheat­er Kyjiw, über das Schreiben für Theater im Krieg. Tickets gibt es über die Website des Burgtheate­rs.

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[Theatre of Playwright­s] Natalka Vorozhbyt.

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