„Volksnähe“fürs Volkstheater
Neu ab 2025. Jan Philipp Gloger vom Stadttheater Nürnberg folgt auf Kay Voges. Kulturstaatssekretärin Mayer traut ihm zu, „das Haus bis auf den letzten Platz zu füllen“.
Der Düsseldorfer Kay Voges, der 2020 vom Theater im Dortmund gekommen war, verlässt das Volkstheater Wien im Sommer 2025 und geht als Intendant nach Köln. Ihm folgt Jan Philipp Gloger, geboren 1981 in Hagen (Ruhrgebiet), derzeit Schauspieldirektor in Nürnberg.
Schon wieder ein Mann aus einer deutschen Mittelstadt also, für den sich die Findungskommission in aller Abgeschiedenheit entschieden hat. Obwohl unter den 47 Bewerbern ungefähr die Hälfte weiblich waren und immerhin elf aus Österreich. Man merkte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und Roland Geyer, dem Vorstandsvorsitzenden der Volkstheater-Privatstiftung, bei der Präsentation Glogers an, dass sie danach trachteten, dieses Faktum zu rechtfertigen.
Es gelang ihnen nicht schlecht. Das lag nicht zuletzt am quirligen, fast speedigen, jedenfalls sympathischen Auftreten des Präsentierten, der seine eigene Rede mit einem Bekenntnis zum „Grenzgängertum zwischen Sprache und Klang, Sinn und Irrsinn“schmückte. Aber auch daran, dass sich alle vier klar dazu bekannten, etwas gegen den Publikumsmangel des Hauses zu tun, der sich unter Voges durchaus nicht gebessert hat. Der „Publikumsaufbau“, den Kaup-Hasler diesem attestiert, scheint an den Zahlen nicht wirklich nachvollziehbar. Was an Voges’ Spielplan liegt, der auf ein kleineres Etablissement passen würde. Aber auch daran, dass das Volkstheater mit 830 Sitzplätzen ein ziemlich großes Haus ist, größer als alle deutschen Stadt- und Landestheater, und in Wien auch einige Konkurrenz hat.
Bekenntnis zum lauten Lachen
Dennoch erklärte Mayer: „Ich traue ihm zu, das Haus bis auf den letzten Platz zu füllen.“Denn Gloger vertrete eine „Mischung aus Volksnähe und Kunstanspruch“. Dieser führe das Staatstheater Nürnberg – das freilich mit 538 Plätzen deutlich kleiner ist als das Volkstheater – „künstlerisch und ökonomisch äußerst erfolgreich“, sagte Geyer, der selbst jahrelang das Theater an der Wien geleitet hatte. Das Theater in Nürnberg sei voll und „breitenwirksam aufgestellt“, ergänzte Kaup-Hasler. Kleiner Faktencheck: In Nürnberg spielt man heute, Freitag, u. a. „Don Giovanni“, laut Homepage gibt es noch Karten.
Gloger selbst betonte die „Breitenwirksamkeit“– und die Wichtigkeit des Lachens: Er freue sich, wenn bei seinen Inszenierungen „die Leute schallend und laut und heftig lachen“. Passt gut zu einer Vorgabe Geyers: „Das Volkstheater soll nahbarer und fröhlicher werden.“Gut beim Wiener Theaterpublikum dürfte auch ein anderes Bekenntnis Glogers ankommen: Er glaube an ein „starkes Schauspielerensemble“. Denn: „Menschen werden von Menschen gelockt.“
Erfahrung mit Horváth, Handke, Jelinek
Zwei weitere Eigenschaften Glogers wurden allerseits hervorgehoben. Erstens – vielleicht kein Wunder in Zeiten, in denen so vielen Kulturrepräsentanten unfaires, grobes oder sogar missbräuchliches Verhalten angelastet wird – sein „tadelloses Auftreten“, so Mayer, seine „wertschätzende, respektvolle Haltung“, so Kaup-Hasler. Zweitens – wohl um Kritik, dass schon wieder ein Deutscher ans Volkstheater berufen wird, vorzubeugen – seine Nähe zu Wien. Gloger habe bewiesen, dass er „die österreichische Seele und Mentalität gut verstehen kann“, erklärte Geyer, und Gloger selbst betonte: „Ich fühle mich am richtigen Haus und in der richtigen Stadt.“Er habe eine große Affinität zu Wien. (Das ja, das sagte er nicht, von Nürnberg nicht viel weiter entfernt ist als seine Heimatstadt Hagen.)
Tatsächlich hat Gloger schon Stücke von Schnitzler („Traumnovelle“), Horváth („Kasimir und Karoline“), Handke („Kaspar“), Jelinek („Das Licht im Kasten“) und Thomas Köck („Vendetta Vendetta“) inszeniert. In Wien hat er am Burgtheater („Die Nebenwirkungen“, Oktober 2023) und an der Volksoper („Die Dubarry“, September 2022) Regie geführt, beide Arbeiten wurden, auch in der „Presse“, freundlich besprochen. Heuer wird er bei den Bregenzer Festspielen Rossinis „Tancredi“inszenieren. „Die österreichische Hauptstadt ist ihm näher als die deutsche“, stellte schon der Kritiker der „Nürnberger Nachrichten“fest, der am Tag nach der Burgtheater-Premiere Glogers mit diesem ins Café Tirolerhof ging. „Und wenn man in Wien das notorisch nörgelnde und schwer verwöhnte Publikum auf seine Seite bekommt, dann hat man es irgendwie geschafft.“
Konkrete Pläne konnte Gloger naturgemäß noch nicht ankündigen. Doch er nannte zwei Menschen aus seinem zukünftigen Team. Die Berlinerin Rieke Süßkow, die in Wien studiert hat, im Theater in der Drachengasse angefangen hat und noch immer in Wien lebt, soll viel inszenieren: „Sie liebt Texte“, versprach Gloger. Wie schon Kay Voges wird er auch eine Art Hausmusiker haben: den gebürtigen Russen Kostia Rapoport, der etwa Musik zu Elfriede Jelineks „Winterreise“, aber auch Schlager komponiert hat. Die Verbindung von Schauspiel und Musik sei einer seiner Schwerpunkte, sagte Gloger: Er selbst komme von der Musik, habe sich schon beim Studium sein Geld als KeyboardAlleinunterhalter verdient. Wer ihn, agil und gut gelaunt, bei der Vorstellung in der Roten Bar des Volkstheaters gesehen hat, kann sich das gut vorstellen.