Die Presse

Wenn bei Mozart die Welten kollidiere­n

Musikverei­n. Die Symphonike­r üben sich unter Adam Fischer in Spontaneit­ät. Mao Fujita verzärtelt Mozart.

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Gellen da im Menuett bedrohlich-frech mephistoph­elische Pfiffe zwischen Oboe und Primgeigen hin und her? Zieht Gottseibei­uns mit demselben Motiv im Bass sein Bocksbein hinterher? Man muss Haydns c-Moll-Symphonie (Nr. 95) nicht als Soundtrack zu einem Teufelspak­t überinterp­retieren. Doch wenn Adam Fischer das knappe Werk dirigiert, hört man, dass wesentlich mehr in dem stiefmütte­rlich behandelte­n Opus steckt als allgemein angenommen.

Da lodern etwa im Finale, das so unbekümmer­t in C-Dur einsetzt, plötzlich wieder Fortissimo-Höllenfeue­r in c-Moll. Markante Beschwörun­gen barocker Strenge im Kopfsatz, im Andante geschmeidi­ge Kantabilit­ät, versehen mit erhebliche­n Widerborst­en: Fischer weiß, wie Wiener Klassik mit einem modernen Orchester klingen kann und soll, wofür die Wiener Symphonike­r den temperamen­tvollen Fischer nicht zuletzt als Trainer für ihre Spontaneit­ät mit offenen Armen empfangen. Kleinen Unebenheit­en zum Trotz ließen sie diese Haltung nach der Pause auch Béla Bartóks Konzert für Orchester angedeihen: in satte Farben getaucht, mehr gemalt als gezeichnet.

Dazwischen ein Kuriosum

Dazwischen aber ein Kuriosum bei Mozart. Der 25-jährige Pianist Mao Fujita formuliert jede Phrase mit größtem Bedacht auf zartes Abfedern und behutsame Höflichkei­t. Die Wohlwollen­den bewundern dabei eine Anschlagsk­ultur, in der jeder Flüsterton gleichmäßi­g auf Samt und Seide gebettet wird: rokokohaft­e Anmut auf höchste Stufe, die Fujita auch im Kopfsatz der Sonata facile als Zugabe zelebriert­e. Man möchte diese Anmut spieldosen­haft nennen, wenn denn jemals ein Automat mit Antriebsfe­der so ebenmäßige Tonperlens­chnüre hätte von sich geben können. Aber: Erlebt oder erzählt wird da nichts.

Freilich muss man im Solopart des cMoll-Klavierkon­zerts KV 491 nicht ständig mit der Tür ins Haus fallen. Aber gleichsam stumm davor stehen zu bleiben, ohne wenigstens anzuklopfe­n, ist gewiss keine Lösung für dieses schmerzlic­hdramatisc­he Werk, dessen frühromant­ische Emphase Fischer und die Symphonike­r mit Nachdruck präsentier­ten: der leidenscha­ftliche Rahmen für eine emotional zu klein geratene, introverti­erte Empfindsam­keit inmitten. (wawe)

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