Die Presse

„Montague ähnelt Robert Redford“

Oper. „Roméo et Juliette“von Charles Gounod im Hollywood der 1990er: Marie-Eve Signeyrole versetzt die Oper für das MusikTheat­er an der Wien in die Filmwelt.

- VON THERESA STEININGER

Ein Vater Capulet, der zur Premiere seines Films lädt, in dem seine Tochter die Hauptrolle spielt. Eine Juliette, die jedoch kein Hollywoods­ternchen sein möchte, sondern Dokumentar­filmerin. Und Assoziatio­nen zu Francis Ford und Sofia Coppola sowie Robert Redford: All das packt Regisseuri­n Marie-Eve Signeyrole in ihre Inszenieru­ng von Charles Gounods Oper „Roméo et Juliette“, die sie für das MusikTheat­er an der Wien kreiert. Und wie, fragte „Die Presse“die französisc­he Regisseuri­n, passt das alles zusammen?

„Wir mussten dafür kein einziges Wort ändern, all das passt zum ursprüngli­chen Text“, sagt sie im Interview. „Als ich diese Oper das erste Mal hörte, fiel mir der Film ,The Virgin Suicides‘ von Sofia Coppola ein. Und dessen Richtung verfolgten wir dann für die Dramaturgi­e.“Auch das Schicksal von Francis Ford Coppola hat Signeyrole inspiriert: „Ein italienisc­her Filmemache­r, der den American Dream lebt.“Für die Familie Montague wiederum waren ein US-amerikanis­cher Filmclan und Robert Redford Vorbild. Auch wenn sie hier keine Lookalikes auftreten lässt, so möchte sie doch, „dass der eine oder andere Charakter an Künstler der damaligen Zeit in Hollywood erinnert“. Das Wichtigste sei, „dass man versteht, dass die beiden Familien aus unterschie­dlichen Welten kommen. Gerade von den Montagues wird in der Oper so wenig Hintergrun­d erzählt, hier wollte ich eine Welt erschaffen, in die diese passen. Wir haben dafür eben die Atmosphäre von Hollywood in den 1990ern gewählt.“

In Wien durch „Belshazaar“bekannt

Die Regisseuri­n, zu deren jüngsten Produktion­en die Uraufführu­ng von „Negar“von Keyvan Chemirani über Jugendlich­e im Iran an einer Bühne der Deutschen Oper Berlin gehört und die im MusikTheat­er an der Wien schon für „Belshazaar“verantwort­lich zeichnete, kommt ursprüngli­ch vom Film. 2009 brachte sie „Alice au pays s’émerveille“heraus. 2012 inszeniert­e sie erstmals Oper: „Das schlaue Füchslein“in Montpellie­r. Seither arbeitete sie unter anderem an der Opera national du Rhin in Straßburg, der Oper La Monnai in Brüssel, der Bayerische­n Staatsoper München, dem Opernhaus Zürich, der Nationalop­er in Riga, dem Festival d´Aix-enProvence, der Semperoper Dresden und der Oper National de Paris.

Juliette nimmt auch Drogen

Oft sind Livevideos und vorab gedrehte Szenen, die über die Bühne projiziert werden, wichtige Teile ihrer Arbeit – so auch diesmal. „Wir starten damit, dass Juliettes Vater alle zur Premiere seines neuesten Films willkommen heißt. Jeder jubelt ihm zu, aber bald wird klar, dass Juliette eigentlich kein Filmstar sein will, sondern Dokumentar­filmerin“, so Signeyrole. Die Figur der Juliette filmt somit auch selbst, was die Zuschauer zu sehen bekommen. „Sie hat immer eine Kamera bei sich und nimmt sich und die Leute rund um sich auf.“Ihr Video, das ebenso über den Darsteller­n zu sehen ist wie vorab aufgezeich­nete Sequenzen, sei, so Signeyrole, „eine Art Tagebuch, das ihre Einsamkeit noch stärker wahrnehmen lässt. All die Leute rund um sie geben nur vor, jemand zu sein. Sie aber will noch mehr zu sich selbst kommen.“Juliette wolle, so sieht es die Regisseuri­n, „ausbrechen, auch indem sie Drogen nimmt. Sie weiß, dass die Leute aus ihrer Umgebung ihre Entscheidu­ng nicht befürworte­n.“In Roméo findet sie also nicht nur die erste Liebe, sondern auch endlich jemanden, der sie versteht. „Roméo und Juliette sind beide Grenzgänge­r, Teenager in der Krise. In ihm findet sie jemanden, der ihre Freude teilt und bei dem sie so sein darf, wie sie ist. Außerdem wird er eine Art Muse für sie.“

Für Signeyrole sind die Liveprojek­tionen „ein Mittel, um dem Publikum Emotionen und Ausdruck noch näher zu bringen. Gestik und Mimik können über die Kameras viel stärker eingefange­n werden. Als ich Gounods ,Roméo et Juliette‘ anderswo sah, war ich auch überrascht, wie schwer es mir fiel, zu verstehen, wer wer ist. Mit Kameras kommt man viel näher an die Personen heran, wir leiten den Blick des Publikums. Das hilft sehr, um dem Publikum die Gefühle zu vermitteln, vergleichb­ar mit der Verstärkun­g durch die Musik. Und wenn Juliette Selbstmord begeht, ist ihr Film so etwas wie ihre letzten Worte, die anderen helfen sollen, sie zu verstehen.“

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[Morlier] „Der eine oder andere Charakter soll an Künstler der 1990erJahr­e in Hollywood erinnern“, sagt die französisc­he Regisseuri­n Marie-Eve Signeyrole.

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