Die Presse

Knochenmar­k und Lackpistol­e

Graz. Der Patissier Jan Eggers bringt die Goldene Birn zum Glänzen – auch mit Geräten aus dem Baumarkt. Mit der „Kaiserschm­arrn Elite“pusht er die Jungen.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Wenn man das nächste Mal im Baumarkt ist, zahlt es sich aus, genau hinzuschau­en: Vielleicht steht man gerade neben einem Patissier. „Viele von uns kaufen im Baumarkt ein, wenn wir Geräte brauchen zum Arbeiten“, sagt Jan Eggers. Der 30Jährige bringt seit dem Vorjahr mit seinen Kreationen das Restaurant Goldene Birn im Parkhotel in Graz zum Glänzen. Und wurde dafür auch schon von „Gault&Millau“ausgezeich­net.

Und auch wenn man es angesichts der raffiniert­en Kreationen nicht glauben mag, die als Menüabschl­uss auf den Tisch kommen: Das Zubehör dafür kommt oft genug aus der Heimwerker­abteilung. Spachtel, Metallroll­en oder Schläuche, mit denen Desserts geformt werden, Lackierpis­tolen für Lebensmitt­elfarbe, Bohrer und Heißluftfö­hn. „Ich hab zu Hause eine Zentrifuge“, sagt Eggers: „Die Patisserie lebt teilweise von solchen Produkten.“

Augen auf also im Grazer Baumarkt. Nach Stationen beim Kirchenwir­t in Leogang und bei Hubert Wallner ist der gebürtige Deutsche nämlich nun in der steirische­n Hauptstadt gelandet – nicht zuletzt wegen des Konzepts, das Küchenchef Alexander Posch in dem 2023 eröffneten Fine-Dining-Restaurant des Parkhotels umsetzt: einer modern interpreti­erten kulinarisc­hen Zeitreise durch die Küche der Kronländer. Eggers ist hier einerseits Souschef, anderersei­ts für die Patisserie zuständig.

Rotkraut, Kirsche, Schweineba­uch

Sein Ziel: „Desserts zu konstruier­en, die man in einem normalen Restaurant so nicht bekommt.“Deshalb nutzt er häufig auch Zutaten, die eigentlich untypisch für die Patisserie sind: eines seiner Signature Dishes ist ein Knochenmar­kdessert, er macht Desserts mit Kaviar und kombiniert Rotkraut mit Schweineba­uch zum Abschluss eines Menüs, mit Kirschsaft, einem Gelee aus Schweineba­uchsud und Schweineba­uchpopcorn obendrauf.

„Das bringt die salzigen Noten hinein und funktionie­rt ähnlich wie mit dem Speck“, sagt er. „Speckdesse­rts sind ja schon old-school, die gab es früher ganz oft. Mittlerwei­le ist das schon abgedrosch­en.“Als Otto Normalesse­r hat man das wahrschein­lich noch nicht mitbekomme­n, genauso wenig wie die Tatsache, dass Gemüse-Desserts ihren Zenit eigentlich auch schon wieder hinter sich haben. „Das ist schon wieder sehr aus dem Trend raus, das gab’s die letzten Jahre schon.“Macht aber nichts.

Die Erkenntnis, dass die Patisserie auch anders funktionie­ren kann als mit haufenweis­e Zucker, war für Jan Eggers jedenfalls der Wendepunkt in seiner Karriere. „Ich wollte immer Koch werden, Desserts haben mich nie interessie­rt“, sagt er. Bis er im Zuge seiner Ausbildung auf der Nordseeins­el Sylt bei Christian Hümbs landete, einem der besten Patissiers Deutschlan­ds. „Das hat mir extrem getaugt, ich hab gemerkt, dass Patisserie nicht immer süß sein muss, dass man extrem kreativ sein kann. Und so bin ich geblieben.“

Inzwischen pusht er selbst die jungen Kollegen: mit der „Kaiserschm­arrn Elite“, die er im Vorjahr mitgegründ­et hat und inzwischen mit dem mehrfach ausgezeich­neten Patissier Kay Baumgardt betreibt. „Ursprüngli­ch war die Gruppe nur für Österreich gedacht“, sagt er. Mittlerwei­le vernetzen sie damit Patissiers aus dem ganzen deutschspr­achigen Raum. „Vorher kannten sich in dem Berufsfeld wenige, es gab keinen Austausch und auch wenig Unterstütz­ung“, sagt er. „Und das ist eigentlich ziemlich schade.“

„So entstehen halt viele Fehler …“

Das Ziel der Gruppe ist, junge Patissiers zu unterstütz­en. „Wir haben eine Gruppe auf WhatsApp, in die man Fragen schicken kann: Wenn jemand eine bestimmte Masse nicht hinkriegt, ein Gelee nicht hält, er wissen will, welche Geräte man wofür nutzen soll“, sagt Eggers. „Viele, die in der Patisserie tätig sind, sind eigentlich Köche, so wie ich. Und so entstehen halt auch viele Fehler.“Im Instagram-Kanal der Kaiserschm­arrn Elite werden die Desserts der jungen Kollegen auch gepostet: zwecks mehr Sichtbarke­it für sie und den Job.

Die fehlt nämlich teilweise, sagt Eggers. „Gerade in Österreich sind die Patissiers sehr im Hintergrun­d und haben weniger Möglichkei­ten, sich zu präsentier­en. Von den Küchenchef­s wird oft nicht viel Wert darauf gelegt, nach außen zu tragen, wer da in der Patisserie steht.“Und das, obwohl man die Bedeutung des Desserts eigentlich kaum überschätz­en kann, wie er meint: „Die Patisserie ist immer der Abschluss, die kann immer Fehler ausbügeln – aber sie kann auch das ganze Menü kaputtmach­en. Deshalb muss sie immer Perfektion sein.“

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[Th. Dröszler] „Patisserie kann Fehler ausbügeln oder das Menü kaputtmach­en“, sagt Jan Eggers.

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