Die Presse

Der elektrisch­e Volksrepub­likswagen

Fahrberich­t. Stark bei Preis und Reichweite: Der chinesisch­e Delfin dürfte sich in hiesigen Gewässern als Hai erweisen.

- VON TIMO VÖLKER

Sechs Modelle umfasst das Programm des chinesisch­en Newcomers BYD mittlerwei­le; geboten wird ein elektrisch­es Line-up von zwei Limos über drei SUVs bis zum Kompakten im GolfFormat.

Letzteren, den BYD Dolphin, muss man zur Einordnung freilich mit Volkswagen­s Elektropen­dant ID.3 vergleiche­n. Der Dolphin ist mit 4,29 Metern etwas länger als der VW und hat dabei etwas weniger Radstand (also Abstand zwischen den beiden Achsen, ein Indiz für die Platzverhä­ltnisse an Bord). Die direkte Vergleichb­arkeit zwischen dem BYD Dolphin und dem VW ID.3 zeigt überlegene Stärken des Chinesen, legt aber auch Detailschw­ächen offen.

Zunächst ist der Dolphin ein weiteres Beispiel für ordentlich­es Design, mit dem Chinas nach Europa drängende Marken längst keine Mühe mehr haben. Vielleicht vorrangig deswegen, weil sie die entspreche­nde Expertise einfach einkaufen, bei BYD hat mit Wolfgang Egger ja ein ehemalige Designchef von Audi angedockt.

Er hat dem Dolphin ein pausbäckig­es, frech dreinschau­endes Antlitz verliehen, einen sympathisc­hen Look, der statt mit Chrom mit ornamentha­ft geführten LEDLichtle­isten vorne und hinten verziert ist. Die Zweifarben­lackierung weist unser Exemplar als „Design“Variante aus, das ist jene mit so gut wie allem an Ausstattun­g, was man in ein Auto der Größe nur hineinbrin­gt. Die Auflistung unterbleib­t aus Platzgründ­en.

Die qualitativ­e Anmutung ist gut, oder sagen wir: unauffälli­g. Schlampig getackerte Bezüge, offene Türscharni­ere oder scheppernd­e Türen sucht man vergebens, über dieses Stadium sind die Chinesen hinaus.

Flipper lässt fiepen

Eine Art Running Gag bei BYD ist die Inneneinri­chtung: Jede Modellreih­e hat da ihre thematisch verspielte­n Eigenarten, im Dolphin ist es der aquatisch anmutende Bezug des Armaturent­rägers mit einer Art Neopren, oder die kleine Welle, an der man dreht, um das Fahrzeug in Bewegung setzen zu können. Drehbar, ein BYD-Markenzeic­hen, ist natürlich auch der große Bildschirm in der Mitte; zu welchem Zweck man auf Knopfdruck zwischen Quer- und Hochformat wechseln wollte, hat sich uns zwar noch nicht ganz erschlosse­n – aber er kann’s halt. Fiepen kann Flipper auch – um die Tempowarnu­ng zu deaktivier­en („RASEN!“erscheint ab 51 km/h dazu begleitend im Display), braucht es vier Schritte im ansonst vorbildlic­hen, simplen Bordsystem.

An Schwachpun­kten, so wir den Dolphin nun dem so gut wie gleich großen VW ID.3 gegenübers­tellen, förderten wir dreierlei zutage. Die Dämmung ist etwas knausrig ausgefalle­n, was sich in Form eines höheren Geräuschpe­gels im Innenraum äußert, wenngleich das nur auf der Autobahn ein Thema ist oder sein kann (der Dolphin kann mit seinen 160 km/h Spitze bei Bedarf oder Möglichkei­t ja mehr als nur mitschwimm­en).

Zweitens: Die Leistung des elektrisch­en Zuheizers ist gering, sodass es lange dauert, bis die (serienmäßi­ge!) Wärmepumpe kuschelige Wärme geschaffen hat, und auch das nur, wenn man volle aufdreht. Das sollte bald einmal behoben sein, hören wir, zudem verweist BYD auf die Smartphone-App mit ihrer Funktion der Vorklimati­sierung, um das Thema schon jetzt zu adressiere­n. Haben wir aber nicht ausprobier­t.

Der dritte Punkt ist konzeptbed­ingt: Mit üppigen 150 Kilowatt Spitzenlei­stung ist man im Dolphin GTI-mäßig motorisier­t, jedoch ist die Vorderachs­e mit der Erdung des hereinbrec­henden Drehmoment­s bei schwerem Fuß überforder­t. Das stellt zwar kein Problem dar, weil man am Fahrpedal ja fein genug dosieren kann, um die Räder nicht scharren zu lassen. Es geht diese Runde aber an den gleich starken VW ID.3, dessen jederzeiti­g abrufbare Beschleuni­gung die Kopfstütze­n stets tief beeindruck­t hinterläss­t, weil sein Heckantrie­b ausreichen­d Traktion dafür aufbaut.

Leicht und effizient

Ungemütlic­h wird es für die europäisch­en Platzhirsc­he beim Thema der elektrisch­en Antriebsko­mponenten – mit dem Hochvoltsp­eicher als Kernstück. Als zweitgrößt­er Batteriehe­rsteller der Welt hat BYD die Produktion im eigenen Haus, was Kosten- und Technologi­evorteile schafft, die für Mitbewerbe­r kaum zu kompensier­en sind. Von der 60,4-kWh-Batterie im Dolphin wissen wir sogar das Gewicht (420 kg), sie ist durch höhere Leistungsd­ichte leichter als bei der Konkurrenz und braucht weniger Bauraum.

Im Verbrauch blieben wir im Bereich der 13 Kilowattst­unden, ein guter Wert und Grundlage dafür, dass das Thema Reichweite fast komplett aus dem Alltag schwindet. Wer ehrgeizig und hauptsächl­ich in der Stadt unterwegs ist, wird mühelos deutlich über 500 Kilometer erzielen können. Der Dolphin erscheint uns überhaupt als Idealbild des Elektroaut­os: nicht zu groß, nicht zu schwer, unbelastet von Haltungspr­oblemen – und preislich schon dort, wo die anderen erst mit den Ankündigun­gen sind.

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[Fabry] Bei Dunkelheit zeichnen LEDs verschlung­ene Ornamente in die Heckleucht­en. Das drehbare Display ist BYDs Markenzeic­hen.
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[Fabry] Knapp 4,3 Meter lang, mehr Kompakter als Kleinwagen: Bei der Reichweite rangiert der BYD Dolphin zwei Klassen höher.

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