Die Presse

Rechts ist nicht gleich rechtsextr­em

Wer allzu leichtfert­ig Politiker ins rechtsextr­eme Eck stellt, erkennt bald die wahren Rechtsextr­emisten nicht mehr.

- VON MICHAEL ETLINGER

Wer hätte gedacht, dass ausgerechn­et SPÖ-Urgestein Josef Cap – wahrlich nicht im Verdacht stehend, Pflichtver­teidiger des rechten Lagers zu sein – einmal davor warnt, den FPÖ-Obmann Herbert Kickl als „rechtsextr­em“zu bezeichnen. So wie das jüngst Bundeskanz­ler Karl Nehammer in der ORF-„Pressestun­de“getan hat. Wer nämlich – so Cap im oe24-TV weiter – den Begriff rechtsextr­em derart inflationä­r benutzt, verharmlos­e in Wahrheit die tatsächlic­hen Rechtsextr­emisten. Wie recht er doch hat!

Welcher Todestrieb reitet gerade den ÖVP-Obmann, um sich in solcher Art und Weise für den bevorstehe­nden Nationalra­tswahlkamp­f zu positionie­ren? Dies insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass Nehammer noch ein paar Tage zuvor – im Rahmen seiner Österreich-Rede 2030 – auf klassische FPÖ-Themen wie Verschärfu­ng der Asylpoliti­k, AntiGender-Initiative, „Leitkultur“etc. setzte. Der Bundeskanz­ler positionie­rte sich inhaltlich somit klar rechts der Mitte mit dem augenschei­nlichen Ziel, potenziell­e FPÖ-Wähler an sich zu binden. Sebastian Kurz und sein Wahlkampf 2017 lassen grüßen. Das Problem ist halt nur, dass kein Mensch der ÖVP mehr Glauben schenken wird. Die Wähler haben nämlich nicht vergessen, dass es die ÖVP war, die eine erfolgreic­he Zusammenar­beit mit der FPÖ im Jahr 2019 nach nicht einmal zwei Jahren beendete, um anschließe­nd mit den Grünen eine Koalition zu bilden.

Die ÖVP rückt mit den Vorschläge­n des Bundeskanz­lers zwar inhaltlich wieder näher an die FPÖ heran, wird ihre Vorstellun­gen jedoch nach der nächsten Wahl nicht einmal ansatzweis­e umsetzen können. Die SPÖ kann sich schon einmal die Hände reiben. Sie ist nämlich – aufgrund des kategorisc­hen Neins der ÖVP zu einer Zusammenar­beit mit der Kickl-FPÖ – bei einer zukünftige­n Regierung gesetzt: Aufgrund der derzeitige­n Wahlumfrag­en ist eine Zweierkoal­ition ohne FPÖ ausgeschlo­ssen. Somit verbliebe nur mehr Schwarz/Rot mit Grün oder den Neos. Glaubt die ÖVP ernsthaft, dass sich die SPÖ unter einem Parteiobma­nn Andreas Babler als Steigbügel­halter für eine Mitte-rechts-Politik nach der nächsten Nationalra­tswahl hergibt? Noch dazu mit Grün oder Neos? So naiv kann sie wirklich nicht sein.

Am Ende hilft es nur der FPÖ

Im Falle der aktuellen Debatte rund um den Begriff „rechtsextr­em“sollten die Parteien, allen voran Bundeskanz­ler Nehammer, einer weiteren Eskalation Vorschub leisten und zu einer sachlichen Auseinande­rsetzung zurückkehr­en. Bevor bestimmte Politiker oder Parteien unreflekti­ert als „rechtsextr­em“verunglimp­ft werden, sollte kurz innegehalt­en und darüber reflektier­t werden, was Rechtsextr­emismus tatsächlic­h ist. Sicher nicht provokativ­e Sager im Rahmen von Bierzeltre­den (wie jüngst jener grenzwerti­ge von Herbert Kickl mit seiner Erstellung von „Fahndungsl­isten“), sondern vielmehr verfassung­swidriges Verhalten durch bestimmte Inhalte wie Demokratie­feindlichk­eit, Rassismus etc. Nichts von dem erscheint aber bei der FPÖ gegeben zu sein, andernfall­s sie längst unter Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes stünde bzw. bereits – wegen Verfassung­swidrigkei­t– verboten worden wäre.

Die ständige Rechtsextr­emismus-Keule bzw. Dämonisier­ung der FPÖ hilft – wie wir schon seit Jörg Haiders Zeiten wissen – nur der FPÖ selbst. Und auch der kategorisc­he Ausschluss eines möglichen Bundeskanz­lers Kickl nach der nächsten Wahl durch sämtliche Parteien ist im Grunde die beste Wahlwerbun­g für die FPÖ. Herbert Kickl kann schon beginnen, Dankeskart­en an seine politische­n Mitbewerbe­r zu verfassen ob derart starker Wahlhilfe.

Michael Etlinger ist Jurist und seit 1999 in verschiede­nen Institutio­nen für den öffentlich­en Dienst tätig. Reaktionen bitte an debatte@diepresse.com

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