Die schwierige Entkopplung von Russland
Die ersten zwei Jahre des Krieges in der Ukraine brachten auch eine wirtschaftliche Abwendung Österreichs von Russland. Diese erfolgte aber in einem überschaubaren Ausmaß. Ein Grund dafür sind justament die Sanktionen.
Am eindrucksvollsten ist die Veränderung wahrscheinlich in noblen Wintersportorten wie Kitzbühel oder Lech zu spüren. Waren dort in den Jahren vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine russische Touristen ein wichtiger und gern gesehener, weil zahlungskräftiger Teil der Kundschaft, so sind diese inzwischen weitgehend verschwunden. Eine Entwicklung, die sich auch in den Zahlen der Statistik widerspiegelt.
So bescherten russische Touristen 2019, im letzten Jahr vor der Coronapandemie, dem heimischen Fremdenverkehr 1,2 Mio. Nächtigungen und gaben dabei 300 Mio. Euro aus. Das entsprach einem Prozent aller Nächtigungen und 2,2 Prozent aller touristischen Ausgaben. Im Vorjahr lag der Gesamtmarkt nach dem Tiefpunkt während Corona erstmals wieder auf Vorkrisenniveau. Die Russen blieben aber aus. Die Zahl der Nächtigungen schrumpfte auf etwas mehr als 158.000 (0,1 Prozent), die Ausgaben auf knapp 60 Mio. (0,4 Prozent). Ein Rückgang um 85 respektive 80 Prozent.
Österreich „mild“bei Visa
Zwar sei Österreich wesentlich „milder“in der Vergabe von Visa an Russen, sagt Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Dänemark oder Tschechien würden gar keine Touristenvisa mehr ausstellen. Aber das Kappen der direkten Flugverbindungen sowie die etwa verfünffachten Reisekosten würden wohl dafür sorgen, dass nur mehr jene Reisenden kommen, die das unbedingt müssen.
Abseits des Tourismus erfolgte die politisch vielfach geforderte Entkopplung der Wirtschaft jedoch in wesentlich geringerem Ausmaß. So lag der Wert der 2023 importierGüter aufgrund der hohen Energiepreise mit hochgerechnet 4,1 Mrd. Euro (vorhanden sind nur die Werte bis November) zwar unter jenem von 2022, aber deutlich über dem Jahr 2019 mit 2,7 Mrd. Euro. Die österreichischen Exporte gingen gleichzeitig zwar von 2,4 Mrd. Euro im Jahr 2019 auf nunmehr 1,4 Mrd. Euro spürbar zurück. Aber auch hier war das Minus geringer als in anderen europäischen Ländern, so Astrov. Denn Österreich liefere traditionell vor allem pharmazeutische Produkte, die von den Sanktionen nicht betroffen sind.
Die Sanktionen spielen wiederum auch eine große Rolle bei den ausländischen Direktinvestitionen – sowohl von österreichischen Investoren in Russland (aktiv) als auch russischen Investoren in Österreich (passiv). Allerdings mit einem überraschenden Effekt. So verzeichnet man bei der Oesterreichischen Nationalbank zwar einen eindeutigen Rückgang der passiven Investitionen (endgültige Zahlen liegen noch nicht fest), heißt es auf Anfrage der „Presse“. Dieser erfolge aber nur in einem überschaubaren Ausmaß. Grund dafür sei ein „Festzurren am Status quo“durch die Sanktionen, die es schwierig machen, Kapital außer Landes zu schaffen.
Das sieht auch Thomas Url vom Wifo so. „Wenn man sich die Bestände der passiven Investitionen ansieht, dann liegen diese um etwa eine Milliarde unter dem Dreijahresschnitt von 2017 bis 2019“, so Url. In Summe war dieser Wert zuletzt mit 22,2 Mrd. Euro aber immer noch hoch und ist im ersten Kriegsjahr 2022 sogar weiter angestiegen. „Das waren wahrscheinlich Gewinne, die von den russischen Eigentümern nicht aus Österreich herausgeschafft werden konnten“, so Url.
Ähnlich das Bild auch auf der Gegenseite, bei den aktiven Investitionen Österreichs in Russland. Diese lagen zuletzt mit rund sieben Mrd. Euro auch auf dem langjähriten gen Niveau. Auch hier sorgten Gewinne, die nicht außer Landes geschafft werden können – etwa der Raiffeisen Bank International – 2022 sogar für einen Anstieg. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass heimische Firmen oft nur geringe Ambitionen haben, Russland zu verlassen, wie eine Auswertung der Kiew School of Economics zeigt. 26 Prozent haben Russland verlassen oder planen dies, der globale Schnitt liegt hier bei 42 Prozent.
Nicht Teil der Direktinvestitionen sind übrigens privat gehaltene Immobilien, in die von Russen in Österreich einst ebenfalls stark investiert wurde. Neue Investments habe es seit März 2022 keine mehr gegeben, sagt Karina Schunker von EHL. Aber einen größeren Verkauf von russischen Immobilien spüre man am Markt auch nicht.