Dieser Maler inspirierte „Star Wars“
Der Surrealist Roberto Matta ist eine Entdeckung für Wien. In seinen großformatigen Bildern entwarf er galaktische Utopien, die auch Hollywood beeinflussten.
Selten passiert es: dass Künstlersöhne bekannter sind als ihre Künstlerväter. In Österreich aber kennt man Gordon Matta-Clark trotz eines konzeptuell spröden Werks allerdings besser als seinen Vater, Roberto Matta. Beziehungsweise kannte man ihn bisher besser. Was mit großen Ausstellungen zuletzt im Museum der Moderne Salzburg oder früher in der Generali Foundation in Wien zu tun hat. Matta-Clark ist berühmt dafür, mit Motorsäge und anderem heftigen Gerät ganze Häuser gespalten oder durchlöchert zu haben. Er verwendete Architektur als skulpturales Rohmaterial für urbane Interventionen, in denen auch gern gekocht wurde. Womit er die Tradition der Volksküche in der Gegenwartskunst begründete, die bis heute immer wieder aufgewärmt wird.
Das war in den Siebzigerjahren. 1978 starb Matta-Clark dann mit nur 35 Jahren an Krebs. Sein Vater überlebte ihn um ein Vierteljahrhundert, mit gut 90 erst starb Roberto Matta in Rom. In diesem Vierteljahrhundert geriet der „letzte überlebende Surrealist“der ersten Generation aber auch zusehends außer Mode. Dabei war er nach Dalí sicher der schillerndste dieser an schillernden Figuren nicht armen Künstler-Elitegruppe: In Chile in eine wohlhabende Familie geboren, hing er erst der Architektur an, arbeitete im Atelier von Le Corbusier. Polyglott und exzentrisch tingelte er aber bald durch die Zentren der Avantgarde, immer mitten drinnen, ob in Paris bei den Surrealisten oder in New York bei den Abstrakten Expressionisten.
Nach seiner frühen Bekanntschaft mit Picasso, den er bei der Arbeit an „Guernica“beobachten durfte, hatte er beschlossen, es mit der Architektur sein zu lassen. Beschlossen, ohne irgendeine Ausbildung, künftig Maler sein zu wollen. Und zwar im ganz großen Format. Mit politischer Ambition (gegen Pinochet). Und alle Dimensionen sprengend, vor allem die uns Menschen bekannten. „Kubanisch-algerischer Franzose mit Wohnsitz auf der Erde“, lautete seine Selbstbezeichnung nicht umsonst.
Mehr als die übrigen Surrealisten Sigmund Freud beschäftigte, beschäftigte Roberto Matta, bald schlicht Matta genannt, Albert Einstein und seine Raum-Zeit-Theorien. Genauso wie die Surrealisten Freud weniger verstanden als für ihre Zwecke nutzten, tat das allerdings auch Matta mit der Relativitätstheorie: Er illustrierte sie weniger, als er sie als Inspiration für seine fiktiven Welten aus biomorphen und technoiden Formen nutzte, die wohl mehr Einfluss auf unsere heutigen, ziemlich festgefahrenen Vorstellungen von Science-Fiction hatten, als wir bisher ahnten.
Damien Hirst ist Matta-Fan
Bis zu dieser Ausstellung im BA Kunstforum, die wohl am Beginn einer größeren Wiederentdeckung von Matta steht, wie Ingried Brugger, Direktorin und diesmal auch Kuratorin, andeutet. In wesentlichen Museen in Paris und New York sind Ausstellungen in Vorbereitung. Bei der vorigen Kunstmesse Art Basel in Miami hatte Matta einen großen Auftritt; Künstler wie Daniel Richter und Damien Hirst seien „totale Fans“, weiß sie. Auch George Lucas, Schöpfer von „Star Wars“, dürfte das gewesen sein: Matta selbst erzählt die Geschichte gern, dass Lucas direkt von seinen Bildern beeinflusst gewesen sein soll.
Wir glauben es gern, wenn wir von Raum zu Raum wandern, Matta dabei beobachten, wie er versuchte, die Schwerkraft zu überwinden, eine Mehrdimensionalität zu erreichen innerhalb der sogenannten Flachware. Mit fluoreszierenden Farben etwa. Oder indem er die Leinwände selbst fliegen ließ, sie von der Decke abhängte, wie er es 1973 im Maison de la Culture in Amiens arrangiert hatte. Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unbedingt so revolutionär, wie er es gern gehabt hätte. Denkt man an das, was sein Sohn mit der Motorsäge etwa zeitgleich bereits mit ganzen Gebäuden tat.
Trotzdem hat Matta, hat der gesamte Surrealismus heute wieder einen Moment. Mehrere Venedig-Biennalen hintereinander feierten diese Bewegung schon als Wurzel für die Kunst von heute. Man muss nur an André Bretons drittes surrealistisches Manifest denken, um zu verstehen, wo die Brücken geschlagen werden: etwa mit der Forderung, dass die Rolle des Menschen im Universum neu gedacht werden müsse, dass er nicht zentral, sondern nur Teil eines von ihm nicht kontrollierbaren Systems sei. Dass diese Systeme in Mattas Bildern ambivalent sind, apokalyptisch und utopistisch zugleich, macht sie nur noch interessanter. Nach Kiki Kogelnik mit ihrer ähnlichen TechScience-Fiction also die nächste Wiederentdeckung hier im BA Kunstforum. Chapeau. Bis 2. Juni. Täglich 10–19 Uhr.