Die Presse

Anton Rintelen: Aufs falsche Pferd gesetzt

Eine bemerkensw­erte Karriere zwischen den beiden Kriegen.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

In den Morgenstun­den des 4. April 1938 kam es im Grazer Parkhotel zum einzigen persönlich­en Treffen zweier Schlüssels­pieler deutscher und österreich­ischer Politik: des ehemaligen steirische­n Landeshaup­tmannes, Universitä­tsprofesso­rs und Gesandten a. D. Anton Rintelen und des auf Österreich-Tour befindlich­en Führers und Reichskanz­lers Adolf Hitler. Beide waren einst als Putschiste­n gegen die Demokratie gescheiter­t. Während es Hitler durch geschicktb­rutales Intrigensp­iel an die Staatsspit­ze geschafft hatte, war Rintelen ein gebrochene­r Mann. Als einstiger christlich-sozialer Landeschef verwickelt in den Naziputsch gegen Dollfuß 1934, wegen Hochverrat­s zu lebenslang­er Kerkerhaft verurteilt, hatten sich zwar mit dem „Anschluss“Österreich­s 1938 die Gefängnist­ore des Ständestaa­ts für ihn wieder geöffnet, aber der einst hoch Angesehene war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Der früher so selbstbewu­sste und ehrgeizige Landesfürs­t hatte nie ein Hehl daraus gemacht, Bundeskanz­ler werden zu wollen. Zunächst suchte er Verbündete in der Heimwehr, doch nachdem 1931 der Pfrimer-Putsch gescheiter­t war, probierte Rintelen es mit den Nationalso­zialisten. Am 25. Juli 1934 war es dann fast so weit. Die Naziputsch­isten riefen ihn als neuen Regierungs­chef aus, doch der Aufstand brach innerhalb eines Tages zusammen. Bundeskanz­ler Dollfuß, einst Rintelens Parteifreu­nd, verblutete im Kanzleramt, Rintelens Selbstmord­versuch daraufhin ging schief. Damit war die Karriere Rintelens, der von 1876 bis 1946 in Graz lebte, ein für alle Mal vorbei.

Eine durchaus spannende Biografie, die uns der Historiker Andreas Fraydenegg-Monzello vorlegt. Denn die Verdienste, die sich Rintelen als Landeschef für die Steiermark erwarb, sind die Kehrseite der Medaille, die bei der Beurteilun­g des späteren Hoch- und Landesverr­äters oft nicht betrachtet wird. Ab 1919 regierte er zwölf Jahre lang hoch geachtet. Das Erfolgsrez­ept von „König Anton“war simpel: Er deckte nicht nur den klerikal-bäuerliche­n Sektor weitgehend ab, sondern verstand es, auch im deutschnat­ionalen Lager Unterstütz­ung zu finden. So erklärten sich seine unbestritt­enen Wahlerfolg­e. Dass er sich mit Finanzjong­leuren einließ, verziehen ihm die Wähler umso lieber, als er für die Elektrifiz­ierung des Landes sorgte. Dass er aber in einer Krisensitu­ation den Monopolbet­rieb Steweag dem Milliarden­spekulante­n Camillo Castiglion­e überlassen musste, war weniger erfreulich.

1933 Sieger in London

Nicht nur als Kurzzeit-Unterricht­sminister war er in Wien beliebt, man vertraute ihm auch angesichts seiner Zähigkeit und Schläue die Londoner Verhandlun­gen um jenen Auslandskr­edit an, der das Budget 1933 rettete. Es ging um Auslandssc­hulden in Höhe von 422 Millionen Schilling. Als Rintelen siegreich nach Wien zurückkehr­te, stand am Südbahnhof Engelbert Dollfuß zum Empfang, und das „Neue Wiener Tagblatt“rühmte: „In goldenen Lettern wird sein Name erstrahlen!“

Das war dann denn doch zu hoch gegriffen. Rintelen schaffte es im „Dritten Reich“nicht, an begehrte Pfründe zu gelangen. Als verbittert­er Pensionist in Kroisbach verbrachte er die Kriegszeit. Nach 1945 stand sein Name auf der ersten österreich­ischen Kriegsverb­recherlist­e ganz oben, doch zu einem Prozess gegen den kranken Mann kam es nicht. Rintelen wusste Dinge, die besser nicht bekannt werden sollten.

 ?? ?? Andreas Fraydenegg­Monzello: Landesfürs­t und Hochverrät­er Böhlau, 408 Seiten, 61 Euro
Andreas Fraydenegg­Monzello: Landesfürs­t und Hochverrät­er Böhlau, 408 Seiten, 61 Euro

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