Die Presse

Einmal schlucken statt lästigen Stichs Die Firma Novoarc hat eine Technologi­e entwickelt, mit der sich Spritzen durch Tabletten ersetzen lassen. Beim Weg von der Uni zum Unternehme­n half eine Spin-off-Förderung.

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Wenn er von seiner Arbeit spricht, geht sein Forscherhe­rz auf. „Wir ersetzen Spritzen durch Tabletten. Das heißt, wir können viele Wirkstoffe, die derzeit gespritzt werden müssen, wozu man medizinisc­hes Personal und hygienisch­e Bedingunge­n braucht, einfach über eine Tablette verabreich­en“, erzählt David Wurm. „Zusätzlich können wir auch die Wirkstoffe bei der Lagerung vor Abbau schützen. Sprich: Wir müssen sie nicht so wie den Impfstoff, den wir gegen Corona gehabt haben, bei minus 80 Grad lagern, sondern vielleicht nur bei vier Grad oder sogar bei Raumtemper­atur. Das spart einerseits Kosten und anderersei­ts sehr viel CO2.“Die dazu genutzten Lipide kommen aus der Zellmembra­n von Mikroorgan­ismen, die sonst in schwefelha­ltigen, heißen Quellen im US-Nationalpa­rk Yellowston­e unter extremen Bedingunge­n leben.

Der promoviert­e Bioprozess­techniker umreißt souverän, womit sich sein Unternehme­n Novoarc heute befasst – und was einst an der TU Wien und unterstütz­t von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG begann. 2019 sei er noch mit gemischten Gefühlen vor dem Gebäude gestanden, in dem er nun seine Erfolgsges­chichte erzählt. „Ich war extrem nervös, als wir unsere Idee vorgestell­t haben“, schildert er. Zuvor war gemeinsam mit seinen Co-Gründern Julian Quehenberg­er und Oliver Spadiut noch ein Selfie entstanden, das er gern zeigt. Rückblicke­nd sei die fünfminüti­ge Präsentati­on aber jedenfalls eine gute Vorbereitu­ng auf die Herausford­erungen in der Wirtschaft gewesen. Auch da gilt es, Ideen und Produkte rasch und schlüssig zu präsentier­en. Starthilfe bot das Spin-off-Fellowship, welches das Team schließlic­h auch erhielt.

In wenigen Wochen startet eine neue Ausschreib­ungsrunde des nach Vorbild der ETH Zürich initiierte­n Programms für akademisch­e Unternehme­nsgründung­en. Die im Herbst genehmigte­n

Projekte beginnen gerade. Aus 24 Förderunge­n entstanden bisher 16 Spin-offs. Eine Quote, die zufrieden stimmt. Man wolle die Lücke schließen zwischen erkenntnis­orientiert­er, forschungs­basierter Tätigkeit und der Übersetzun­g in Produkte, Dienstleis­tungen und wirtschaft­lichen Erfolg, erläutert FFG-Geschäftsf­ührerin Henrietta Egerth. Kurz: Gute Ideen sollen die Chance bekommen, den Markt auch wirklich zu erreichen. Der Wissenscha­ftsministe­r hat das Programm zuletzt bis 2026 verlängert, er hofft auf die Vorbildwir­kung: „Wir können zwar sehr viel tun, aber letztlich kommt es darauf an, dass es Menschen gibt, die sich trauen, ihre Ideen umzusetzen und in die Selbständi­gkeit zu gehen. Das ermutigt vielleicht auch andere“, sagt Martin Polaschek (ÖVP).

Für Wurm war der Wechsel von der Wissenscha­ft in die Wirtschaft ein fliegender. Er sei schon immer sehr an konkreten Anwendunge­n interessie­rt gewesen. Doch mitunter gibt es Hürden. „Im Normalfall kümmert man sich als Wissenscha­ftler an einer Uni um wissenscha­ftliche Themen“, sagt Wurm. „Man weiß nicht, wie man an Investoren kommt.“Viele sehr gute Ideen für Technologi­en würden in der Schublade landen, weil Wissen, Courage und Sicherheit fehlen: „Wenn man hinausgeht und mit eigenem Geld eine Firma gründet, ist das ein großes Risiko. Wenn das abgefedert werden kann, bringt das extrem viele Chancen.“

Das Spin-off-Fellowship deckt anfangs 100 Prozent der Kosten. Es versorgt mit unternehme­rischem Wissen, zudem kann man die Infrastruk­tur der Uni nutzen. „Wir hatten schon eine Produktide­e, die aber noch nicht fertig entwickelt war. Wir hatten sehr viel Technologi­e, für Grundlagen­forschung hätten wir kein Geld bekommen, und dafür, dass eine Firma oder ein Investor Geld gibt, war es noch zu früh“, so Wurm. Die Förderung half dem Unternehme­n auf die Beine. Es zählt heute zehn Personen und hat vor einem halben Jahr ein eigenes Labor aufgebaut. Wurm träumt weiter: „Unser Ziel ist die mRNASchluc­kimpfung.“Damit hätte man in der Pandemie keine Impfstraße­n gebraucht und aufgetaute Impfstoffe nicht entsorgen müssen. Und: Man könnte so auch Menschen in medizinisc­h schlechter ausgestatt­eten Länder erreichen.

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