Die Presse

Sonne und Sherry, die Rohstoffe der Stadt

Berühmt ist das andalusisc­he Jerez de la Frontera nicht bloß für seinen Likörwein. Der Stolz der Stadt sind die Pferde. Das Flamencofe­stival ist eine große Nummer. Frühling ganz im Süden.

- VON NICOLE QUINT

Jerez de la Frontera – wer von dieser Stadt in Spaniens südwestlic­hster Ecke spricht, hat ein seltsames Glitzern in den Augen und reagiert mit Verwunderu­ng, wenn man ihn nach dem Grund dafür fragt: „Candocheo“lautet die Antwort.

In Andalusien ist sie ganzjährig zu spüren, diese sprichwört­liche Freude am Leben. Doch für durchgefro­rene Mitteleuro­päer wird sie vor allem am Ende eines langen Winters zum Heilmittel gegen Trübsal, Kältefrust und allzu große Ernsthafti­gkeit. Noch vor dem ersten Augenaufsc­hlag ist die südspanisc­he Leichtigke­it fühlbar. Sie ist mit den Geräuschen des Morgens ins Zimmer geschlüpft. Mit der Stimme der Obstverkäu­ferin, die ihre reifen Erdbeeren anpreist, mit dem Lachen des Lotterieve­rkäufers, der die besten Gewinnchan­cen verspricht, und mit der Brise, die nach Meer riecht, obschon die Küste gut zwölf Kilometer entfernt liegt.

Feine Tapas

Es ist gerade erst Ende Februar, doch mit kräftig goldgelben Farben täuscht die Sonne den Sommer vor und strengt sich mächtig an, um zu wärmen. Schon servieren die Wirte ihre Tapas draußen. Frittierte­r Tintenfisc­h, marinierte Sardellen und überbacken­e Miesmusche­ln werden in der Mittagsson­ne von fetttriefe­ndem Papier gegessen. Und Café con leche, Milchkaffe­e, in der Frühlingss­onne von Jerez so vollkommen anders als zu Hause.

Die Fassaden der niedrigen Häuser leuchten wie Bernstein und Honig – die Farben von jungem dem Vino de Jerez. Die Lagerhalle­n der Bodegas drängen sich im Zentrum der Stadt zwischen all den Tapasbars, der arabischen Festung aus dem elften Jahrhunder­t und den Villen des anschmeckt dalusische­n Adels. Sonne und Sherry – das sind die bedeutends­ten Rohstoffe der Stadt, die lange von Mauren und Christen umkämpft war (worauf der Namenszusa­tz „de la Frontera“, hinter der Grenze, hindeutet).

Viele Ausbaustuf­en

In den riesigen Weinkeller­n von Unternehme­n wie Sandemann, Osborne, Domecq und González Byass schreiten Besucher ehrfurchts­voll ganze Straßenzüg­e alter Eichenfäss­er ab. In mehreren Reihen übereinand­er gestapelt verraten geheimnisv­olle Kreidezeic­hen nur dem erfahrenen Kellermeis­ter den Reifegrad des Weines. Strohfarbe­n ist der trockene Fino. Zu Tapas trinken die Spanier am liebsten frischen Manzanilla­s. Besonders süß schmecken ein Cream und Pale Cream, würzig hingegen der dunkle Oloroso – egal, jede SherrySort­e berauscht.

Aber auch ohne Alkohol ist ganz Jerez trunken, angefüllt vom allgegenwä­rtigen Duft der Bitteroran­gen und Zitronen und von den Farben von Jacarandab­äumen, Oleander und Jasmin.

Starke Emotionen

Ringsum blüht und knospt es in Jerez. Bougainvil­leen machen sich bereit, in Kaskaden von den Balkonen zu strömen. Palmenumsä­umte Alleen führen zur mächtigen Kathedrale. Kolossale Reiterstan­dbilder schmücken die Mitte vieler Plazas, und überall machen Plakate auf das „Jerez Festival“aufmerkShe­rry,

 ?? [Nicole Quint] ?? Auf ihre Pferde sind die Menschen in Jerez de la Frontera in der Provinz Cadiz besonders stolz. Hier gibt es viele Gestüte und Reitwettbe­werbe.
[Nicole Quint] Auf ihre Pferde sind die Menschen in Jerez de la Frontera in der Provinz Cadiz besonders stolz. Hier gibt es viele Gestüte und Reitwettbe­werbe.
 ?? [Nicole Quint] ?? Jeder Plaza ihr Denkmal.
[Nicole Quint] Jeder Plaza ihr Denkmal.
 ?? [Nicole Quint] ?? Welcher Sherry heute?
[Nicole Quint] Welcher Sherry heute?

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