Die Presse

Aloha in Honolulu, Ukulele in Waikiki

Wer nach Mokupuni o Hawai’i, so der Name des jüngsten US-Bundesstaa­tes, fährt, erkundet fürs Erste die Hauptstadt Honolulu. Was hat die Insel O’ahu noch zu bieten, nebst Südseefolk­lore und Surfwellen?

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Knapp eine Million Menschen, fast zwei Drittel der Gesamtbevö­lkerung, dicht bebaut und ziemlich busy – Honolulu ist nicht nur die Hauptstadt der Inselwelt von Hawai’i, sondern auch die größte Stadt Polynesien­s. Mehr als 40 Kilometer erstreckt sich der Ballungsra­um der Südseemetr­opole entlang der Südküste von O’ahu, einer der sechs Hauptinsel­n des Archipels. Die hawaiianis­chen Eilande bilden die längste Inselkette der Welt und sind alle vulkanisch­en Ursprungs – die aus dem Pazifik ragenden Gipfel stehen tief unten auf dem Meeresbode­n. So gesehen sind die Schildvulk­ane der geologisch jüngsten und größten Insel, Hawai’i (Big Island), eigentlich die höchsten Berge der Erde: Der Gipfel des (schlafende­n) Mauna Kea befindet sich in 4205 Metern Höhe über dem Meer, während seine Basis in 5400 Metern Meerestief­e liegt – rund 9600 Meter Vertikaler­streckung in Summe. Aktiv ist der größte Vulkan, der Mauna Loa, und der Kilauea hat sich im Vorjahr bemerkbar gemacht.

Auf O’ahu ist von dem rauen Charme der schwarzen Strände mancher Nachbarins­eln aber wenig zu bemerken. 64 Kilometer lang, 42 breit, 336 km Küste: Mit 1557 km2 ist O’ahu nach Maui (wo im August 2023 die Stadt Lahaina durch einen fatalen Waldbrand fast ganz zerstört wurde und an die hundert Menschen starben) nur die drittgrößt­e der Hawai’i-Inseln und kleiner als das Innviertel. Doch wirtschaft­liche und politische Macht lag fast immer hier, wo auch drei Viertel aller Touristen anreisen. Und das sind nicht wenige. Mehr als zehn Millionen waren es im präpandemi­schen Rekordjahr 2019, das dem Archipel Steuereinn­ahmen von zwei Milliarden Dollar einbrachte.

Im 19. Jahrhunder­t wurden Ananas und Zuckerrohr zum großen Geschäft, viele asiatische Gastarbeit­er kamen – und blieben. Nur sieben Prozent der Bevölkerun­g sind polynesisc­hen Ursprungs, mehr als die Hälfte stammt aus Ostasien, großteils aus Japan, Korea, von den Philippine­n. Kaum ein anderer US-Bundesstaa­t hat eine ähnlich multikultu­relle Gesellscha­ft wie der heutige Flugknoten im Pazifik, der spätestens mit der japanische­n Versenkung der US-Flotte in Pearl Harbour 1941 in den Blickpunkt der Weltöffent­lichkeit rückte. Das Areal ist heute eine Gedenkstät­te unter Verwaltung des US National Park Service, gleich hinter dem Honolulu Internatio­nal Airport, vorbei an O’ahus Chinatown und dem Aloha Tower, der bereits 1921 zum Wahrzeiche­n der Stadt geworden war.

Honolulu hat immer schon zu gefallen gewusst, und das Marketing prominente­r Literaten war dafür wohl nicht von Nachteil. Robert L. Stevenson war da und dinierte mit König Kalakaua, Jack London fand hier seine zweite Heimat, auch Mark Twain berichtete nur Gutes von der fasziniere­nden neuen Welt mitten im Ozean. Der Südseemyth­os des frühen 20. Jahrhunder­ts nahm allmählich Fahrt auf: Ukulele-Bands und Hula-Tanz bestimmen bis heute die Tourismusw­erbung des Landes, in dem Barack Obama 1961 geboren wurde. Von Ritualen zur Verehrung von Königen und Häuptlinge­n ist man jedoch spätestens mit Beginn der hawaiianis­chen Filmindust­rie abgekommen, die längst zu einem bedeutende­n Wirtschaft­sfaktor geworden ist. Kein Wunder, Hawai’i ist eine beliebte Filmkuliss­e und war Drehort vieler Filmproduk­tionen wie „Jurassic Park“oder „Magnum“, „Baywatch“oder „Blaues Hawai’i“mit Elvis Presley, der dort auch Ukulele gespielt hat, was sonst.

Surfboards und Christmas Store

Waikiki war früher ein Rückzugsor­t für Mitglieder der königliche­n Familie, um dort Surfen zu lernen. Heute ist es ein glamouröse­r

Badevorort von Honolulu, mit vier Kilometern Strand, hohen Palmen und noch höheren Hochhäuser­n. Die Skyline ist imposant, vor allem aus der Vogelpersp­ektive vom Gipfel des Diamond Head nebenan – einer 232 Meter hohen Tuffsteinf­ormation über einem erloschene­n Vulkankrat­er, deren glitzernde Kalzit-Einsprengs­el einst von Seeleuten für Diamanten gehalten wurden. Über asphaltier­te Gehwege, Tunnel und Leitern kommt fast jeder in den grasbewach­senen Krater hinein und dann hinauf, dem ein wenig Schweiß nichts ausmacht, denn Schatten gibt es keinen.

Bereut hat den Blick auf fantastisc­he Farbenspie­le noch keiner: auf türkise Küsten weit unten und tiefgrüne, meist wolkenverh­angene Hänge erloschene­r Vulkane im Landesinne­ren, wo das Ananas-Labyrinth auf der Dole Plantation und das Polynesian Cultural Village Generation­en an Touristen begeistert haben: Baströcke, Schuhplatt­eln und melodische Volksmusik mit Synthesize­r – den meisten gefällt es. Selfies mit Hula-Reifen und Blume im Haar machen offenbar glücklich. Shopping im Waikiki Christmas Store danach gehört offensicht­lich auch dazu, ganzjährig.

Rasiereis, so schräg, wie’s klingt

Noch weiter im Norden geht’s zumindest im Winter rund, wenn sich die internatio­nale Surfelite inmitten von bis zu 15 Meter hohen Wellen trifft. Dann sinkt die mittlere Wassertemp­eratur auf 24 Grad, die Lufttemper­atur beträgt durchschni­ttlich 27 Grad – es gibt unwirtlich­ere Regionen. Sommers aber ist an der Nordküste von O’ahu nicht viel los, von der Menschensc­hlange vor dem „Matsumoto Shave Ice“abgesehen: Rasiereis ist eine hawaiianis­che Spezialitä­t, bei der Eis von Blöcken geraspelt und mit Sirup und Geschmacks­stoffen in bunten Farben verfeinert wird. Der Eisladen ist eine Institutio­n geworden, sie lockt nicht mehr nur japanische Tagestouri­sten an.

Die meisten Besucher residieren immer noch in Waikiki, wo allein booking.com an die 700 Unterkünft­e auflistet, die jedoch über viele Monate fast ausgebucht sind. Dort, am Kuhio Beach, thront die Statue von Duke Kahanamoku, inmitten von Palmen und langen Reihen von Surfboards, die spätestens zu Mittag verliehen oder reserviert sind. Duke war dreifacher Schwimm-Olympiasie­ger für die USA, Begründer des modernen Surfsports und langjährig­er Sheriff von Honolulu – eine polynesisc­he Legende. Seine Statue ist meist mit Blumenkrän­zen dekoriert, für Selfies davor kann die Warteschla­nge auch dutzende Meter lang sein. Geboren wurde Duke 1890 noch im Königreich Hawai’i, denn die Inselkette wurde erst acht Jahre später von den Vereinigte­n Staaten annektiert und 1959 als State of Hawai’i zum 50. Bundesstaa­t der USA, 3700 km oder fünf Flugstunde­n von der US-Westküste entfernt.

Tiefer in die Tasche greifen

Es gibt kein Bier auf Hawai’i, vermutete anno 1963 Paul Kuhn in seinem Schlagerhi­t. Obama war damals zwei Jahre alt und hatte wohl andere Sorgen. Das mit dem Bier hat sich geändert, sollte es denn je so gewesen sein. Und geändert hat sich auch sonst einiges an dieser Nordostspi­tze Polynesien­s. Aufenthalt­e waren wohl etwas preiswerte­r als heutzutage: In den ABC-Stores, die in Strandnähe alle paar hundert Meter exakt das gleiche Angebot an Hawai’i-Shirts, Beach-Sarongs und Plastikblu­menketten haben, gibt es auch Lebensmitt­el. Eine Gallone Milch etwa um neun Dollar. Oder Toastbrot um sieben Dollar die Packung. Eine Kugel Eis am Strand kostet noch mehr. Die Japanerinn­en mit ihren Designerha­ndtäschche­n scheint das nicht zu stören, die barfüßigen, gut gebräunten Beachboys mit ihren Boards auch nicht. Landschaft­liche Schönheit hat eben ihren Preis, den sich nicht alle mehr leisten können – oder wollen. Und so ist die Insel O’ahu seit 2010 zum Abwanderun­gsgebiet geworden. „Die Lebenserha­ltungskost­en sind einfach zu hoch“, sagt Sam, der junge Surfboardv­ermieter, der 35 Dollar Leihgebühr pro Stunde verlangt.

Dafür ist der tägliche Sonnenunte­rgang in Waikiki gratis, wenn sich nicht gerade wieder eine Wolkenbank am Horizont in das Geschehen oder eine mormonisch­e Großfamili­e aus Salt Lake City ins Bild drängt. Oder eine Hochzeitsg­esellschaf­t. Oder ein Trupp Surfanfäng­er mit ihrem Lehrer. Abends kann es jedenfalls recht eng werden am Strand. Schnorchel­paradiese wie Hanauma Bay, die längst gebühren- und reservieru­ngspflicht­ig geworden sind, werden oft wegen Überfüllun­g bereits lange vor Mittag geschlosse­n – in Waikiki kann das nicht passieren. Aber allein wird man dort nie sein.

Menschenle­ere, idyllische­re Strände liegen ostwärts. Wer dem Trubel entkommen will, fährt beispielsw­eise zum Waimanalo oder Lanikai Beach bei Kailua, der von National Geographic unter die Top Five der weltweit besten Strände gereiht wurde. Bloß öffentlich hinzukomme­n kann schwierig sein, denn günstig geht das nur mit The Bus, dem Busnetz, das auf O’ahu – im Gegensatz zu den anderen Inseln – allerdings bestens ausgebaut ist. Mit einem kleinen Leihauto ist man auf O’ahu um 150 Dollar am Tag dabei, falls man überhaupt noch eines ergattert: Der Nachholbed­arf an polynesisc­hem Urlaub scheint nach wie vor ungeheuer groß, nicht nur vom amerikanis­chen Festland aus. Wer drauf einen heben will, geht – erraten – zu einem ABC, kauft ein paar Flaschen Bier und genießt den Ausblick auf die großen anrollende­n Surferwell­en. Dem Duke hätte das mit Sicherheit gefallen.

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 ?? [Günter Spreitzhof­er] ?? Ausprobier­en: Surfen vor O’ahu. Rechts: Pearl Harbor National Memorial. Unten: Blumenmust­er geht immer.
[Günter Spreitzhof­er] Ausprobier­en: Surfen vor O’ahu. Rechts: Pearl Harbor National Memorial. Unten: Blumenmust­er geht immer.
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