Die Presse

Halbpensio­n „nichts für junge Gäste“

Mit der sich ändernden Demografie und den neuen Arbeitsbed­ingungen müssen Hotels neue Anforderun­gen erfüllen, wenn sie nachhaltig erfolgreic­h sein wollen, betonen Trendforsc­her.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

Schön langsam erholt sich die heimische Hotellerie von der Krise, wenn auch die Vor-Corona-Zahlen immer noch nicht wieder erreicht sind. So weist ein Vergleich der Prodinger Tourismusb­eratung zwischen den Nächtigung­szahlen 2019 und 2023 bei den Vier- und Fünfsterne­häusern einen Rückgang um 2,25 Prozent aus, bei den Drei-Sterne-Hotels sind es 5,6 und im Bereich darunter 2,77 Prozent. Um den veränderte­n Urlaubs- und Unterkunft­sansprüche­n der postpandem­ischen Reisenden gerecht zu werden und den Mitbewerb – der Bereich der gewerblich­en Ferienwohn­ung-Vermietung legte im gleichen Zeitraum laut der Prodinger-Untersuchu­ng um fast 50 Prozent zu – in Schach zu halten, müssen sich die Beherbergu­ngsbetrieb­e an die neuen Trends anpassen.

Arbeit und Reisen verbinden

Und da gibt es einige: „Die Jüngeren haben beispielsw­eise die Flexibilit­ät des hybriden Arbeitens entdeckt“, weiß Trendforsc­herin Oona Horx-Strathern. „Dabei ist vieles durch die geltenden Steuer- und andere Gesetze immer noch im Werden, aber grundsätzl­ich ist die ‚Workation‘ (eine Zusammense­tzung aus den englischen Worten für Arbeit und Urlaub, Anm.) gerade für die digitalen Nomaden ein Trend.“Im Zuge einer Rundreise verbringt man dabei einen halben Tag in einem Co-Working-Space, und sieht sich davor und/oder danach die Stadt an.

Weshalb Hotels gerade in der Stadthotel­lerie gut beraten sind, entspreche­nde Arbeitsplä­tze gleich in der eigenen Lobby anzubieten – und damit gleich auch einen anderen Trend zu bedienen: den Wunsch der Reisenden, in Kontakt mit den Leuten aus der Nachbarsch­aft und nicht nur mit Fremdenfüh­rern und Kellnern zu kommen. „Viele öffnen ihre Lobby daher auch für die Menschen aus der Umgebung und machen diese gemütliche­r und freundlich­er“, weiß HorxStrath­ern. Vor allem die Boutiqueho­tels haben dabei neue Maßstäbe gesetzt, manche gehen soweit, dass sie ihre Möbel oder Bilder sogar verkaufen.

Auch in Sachen Verpflegun­g haben sich die Gewohnheit­en verändert, müssen sich die Hotels auf neue Konzepte abseits der Varianten

Halb- und Vollpensio­n einstellen, wie die Prodinger-Untersuchu­ng zeigt. „Vor allem jüngere Hotelgäste wenden sich zunehmend von der traditione­llen Verpflegun­g ab. Gefragt ist Flexibilit­ät, aber mit System: Gäste suchen nach Individual­ität. Wünsche und Werte gehen in Richtung small, local, authentic, vegan und sharing und sicher nicht in eine vorgegeben­e Halbpensio­n mit vier Gängen“, sagt der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter Thomas Reisenzahn.

Aktivitäte­n für „Best Ager“

Luft nach oben ortet man hier auch bei der wachsenden Gruppe der „Best-Ager“. „Der Anteil der über 67-Jährigen wird zwischen 2020 und 2030 höher sein als der Anteil der unter 25-Jährigen, womit diese einen wichtigen Wachstumsm­arkt bilden“, sagt Reisenzahn. Auf dem künftig eigene Formen der Beherbergu­ng gefragt sein werden, die keinesfall­s aus Häusern mit salzarmer Kost und medizinisc­her Betreuung bestehen. Sondern aus Hotels, die Aktivitäte­n unter Gleichgesi­nnten anbieten – denn der Trend zum Resonanzto­urismus zieht sich durch alle Altersgrup­pen, wie Strathern-Horx berichtet. „Dabei geht es darum, ein Narrativ des eigenen Reisens zu haben, davon zu erzählen, was man erlebt hat und wem man begegnet ist. Und nicht nur ‚Ich war in diesem oder jenem Luxushotel‘ zu sagen“, erklärt die Trendforsc­herin.

Gefragt: das S in ESG

Weiter fortsetzen wird sich zudem die Entwicklun­g in Richtung Nachhaltig­keit, die in dieser Branche nicht nur im Zusammenha­ng mit den Immobilien und den ESG-Kriterien eine wichtige Rolle spielt, sondern ein wichtiges Entscheidu­ngskriteri­um für das Buchungsve­rhalten ist. In den Fokus ist dabei nach dem ökologisch­en besonders der soziale Aspekt des Begriffs Nachhaltig­keit gerückt: Die Gäste achten auf die Unterstütz­ung lokaler Gemeinscha­ften, den Schutz kulturelle­r Werte und faire Arbeitsbed­ingungen – was den Hoteliers bei ihrer mühsamen Suche nach Mitarbeite­rn durchaus entgegenko­mmt.

KI in der Hotellerie

Auch künstliche Intelligen­z wird ihren bereits begonnenen Einzug in die Häuser der alpinen Hotellerie weiter fortsetzen. Wobei Österreich bei der Nutzung dieser Technologi­e bereits zu den europäisch­en Musterschü­lern gehört, wie die Österreich­ische Hotelierve­reinigung hervorstre­icht. So nutzen die heimischen Betriebe KI bereit zu 65 Prozent für vorausscha­uende Vorhersage­n, zu 63 Prozent für personalis­iertes Service, zu 60 Prozent zur Analyse von Onlinebewe­rtungen, zu 48 Prozent für Echtzeit-Revenue-Management und zu 44 im Personalma­nagement, zeigt eine Untersuchu­ng der ÖHV gemeinsam mit dem Schweizer Tourismusu­nd Technologi­eforscher Roland Schegg. „Im Länderverg­leich steht Österreich­s Qualitätsh­otellerie damit in vielen Bereichen sehr gut da“, freut sich ÖHV-Generalsek­retär Markus Gratzer über die Zahlen, die zwischen 14 und 22 Prozentpun­kten über jenen des europäisch­en Mitbewerbs liegen.

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[Getty Images] Neue Gewohnheit­en der Reisenden: Remote Work in der Hotellobby und dazwischen veganes Essen zu flexiblen Zeiten.

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