Wie ein Pensionstief zu behandeln ist
Für die meisten Arbeitnehmer ist er ein wesentlicher Einschnitt: der Pensionsantritt. Die Struktur fällt weg, der Alltag verändert sich. Doch es gibt Gründe, zuversichtlich zu bleiben.
Meist hat er sich schon angebahnt, der Firmenausund Pensionsantritt. Zuletzt wurden Übergaben gemacht, Wissen festgehalten, gespeichert, weitergegeben. Einerseits dreht sich nun viel darum, Kompetenz zu behalten. Und andererseits darum, Aussteigende von ihren Aufgaben zu befreien.
Jene, die sich in den Ruhestand verabschieden, verabschieden sich auch von Gewohnheiten, lieb gewordenen Kollegen, einem Platz der Anerkennung. „Das gesamte Bild ändert sich. Die Rolle in der Gesellschaft wird neu definiert. Betroffene fragen sich plötzlich: Wer bin ich? Welchen Platz habe ich in der Gesellschaft? Wo bin ich wichtig, notwendig, erwünscht?“, sagt Christa Paluselli-Mortier. Sie ist als Psychotherapeutin und Psychologin in Salzburg tätig.
Ein wichtiger Schritt, um dem emotionalen Tief entgegenzuwirken, sei die Neugestaltung der (Frei-)Zeit. „Die meisten müssen einen sinnvollen Umgang mit Freiheit erst lernen.“Dafür lohne es sich – mit Einverständnis des Arbeitgebers –, in Altersteilzeit zu gehen. „Schrittweise Veränderungen der Lebenssituation erleichtern den Übergang. Denn es steht fest, dass wir für diesen neuen – letzten – Lebensabschnitt eine Übergangsphase einplanen müssen.“Durchschnittlich rund zwei Jahre seien eine angemessene Dauer, um sich im „neuen Leben“zu orientieren.
Diese neue Lebensphase wird, demografisch gesehen, länger. Womit das zusammenhängt, weiß Slaven Stekovic. Er beschäftigt sich mit den biologischen Faktoren, die zur Alterung beitragen. „Wir haben es geschafft, im 20. Jahrhundert unsere Lebensspanne zu verdoppeln“, sagt der Molekularbiologe. Ziel der
Langlebigkeitsforschung sei es indes, die gesunde Lebensspanne zu verlängern. Dadurch „gewinnen wir an Lebensqualität und können die anderer positiv beeinflussen.“Wesentlich dazu beitragen können gute soziale Netze.
In seinem neuen Buch „Jung bleiben, alt werden“erforscht er ethische, gesellschaftliche und soziale Aspekte der Langlebigkeit. Er kommt, belegt durch Experimente mit Rhesusaffen, zur Erkenntnis: „Nach dem Hurrikan haben die Affen in Costa Rica keine oder weniger Schäden in Blut, Immunzellen und Gehirn aufgewiesen. Wohingegen die, die vor der Naturkatastrophe Hurrikan vom Rest der Gruppe isoliert oder nicht akzeptiert waren, danach deutlich mehr Zeichen von Alterung zeigten.“
Legt man diese Ergebnisse auf den Menschen um, liege ein Teil der Lösung darin, sich gut in Gemeinschaften zu integrieren. Gelinge könne dies, indem sich Ältere in Kursen, Interessensverbänden oder Aktivitäten engagieren.
„Um gut alt zu werden, sind Neugierde und Begeisterungsfähigkeit gute Partner“, bestätigt Paluselli-Mortier. „Sich selbst in einem guten Maß herauszufordern, körperlich und kognitiv aktiv zu bleiben. Noch etwas Neues lernen, Studium 55+ beispielsweise – und dabei Gleichgesinnte finden“, so die Expertin.
Lebensbilanz ziehen
Doch zuerst müsse der Abschied aus der Arbeitswelt gut gelingen, damit man sich in Zufriedenheit an das Erreichte zurückerinnert. Diese Phase sei prädestiniert, um eine Art Lebensbilanz zu ziehen: „Wie haben wir unser Leben gestaltet? Wie viel konnten wir selbst gestalten? Welchen Spielraum haben wir nun für die Erfüllung der Sehnsüchte?“, das seien gängige Fragen.
Nach Jahren der Anpassung werde es notwendig, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten auszuloten. Und den Suchprozess zu akzeptieren, der am Anfang dieser Entdeckungsreise steht.