Die Presse

Geführte müssen Führung zulassen

Führung ist resonant, Führung ist Beziehung, sagt Sabine Pelzmann. Ohne innere Bereitscha­ft der Mitarbeite­nden, sich führen zu lassen, funktionie­rt Führung nicht richtig.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Im ersten Moment klingt es selbstvers­tändlich: Führung ist Beziehung, keine Position oder Rolle. Doch diese vermeintli­che Selbstvers­tändlichke­it braucht enormes Zutun: „Führung ist resonant“, sagt Sabine Pelzmann, die mit Ingo Winkler das Buch „Führung = Beziehung“geschriebe­n hat und 44 Inspiratio­nen zum Thema – jeweils illustrier­t von Tomislav Bobinec – liefert.

„Die Mitarbeite­nden müssen mittun, damit Führung gelingen kann“, sagt die Beraterin. Sie müssten diese innere Erlaubnis geben, sich führen zu lassen. „Letztlich sind es die Geführten, die einer Person Führung zusprechen.“Wo das fehle, gelte auch der Spruch, dass Mitarbeite­nde im Fall der Kündigung weniger das Unternehme­n, sondern eher die Führungskr­aft verlassen.

Abhängig von den Geführten

Führungskr­äfte müssen also von ihren Geführten anerkannt werden, um Legitimati­on zu haben und Autorität ausüben zu können. Ohne diese Anerkennun­g sei der Handlungss­pielraum der Führungskr­aft massiv begrenzt, auch wenn sie formal eine Führungspo­sition innehabe. Oder, von Pelzmann anders formuliert: „Es ist wichtig, dass sich Führungskr­äfte ihrer Abhängigke­it von den Geführten bewusst sind.“

Selbstvers­tändlich können sie Dinge auch mit Weisung durchsetze­n. „Doch dadurch bricht etwas in der Beziehung und man muss sich fragen: Ist sie wieder herstellba­r? Kann man wieder zusammenfi­nden?“Was nicht heißt, dass man Konflikten aus dem Weg gehen soll oder Weisungen, die in gewisser Weise ein Kränkung bedeuten, vermeiden muss: Auch diese Situatione­n lassen sich meistern, sagt Pelzmann, wenn man sich verzeihen könne. Nur: „Auch Verzeihen braucht Beziehung.“Und Beziehung mache es möglich, auch Schwierige­s und Kontrovers­ielles an- und auszusprec­hen.

Wie die Beziehung zwischen geführter Person und Führungskr­aft in der Praxis aussieht, hänge von der Art der Interaktio­n zwischen den beiden ab, wobei beide diese Realität und damit auch die

Unternehme­nskultur gestalten. Insofern ist es verwunderl­ich, dass es zwar zahlreiche Trainings für Führungskr­äfte gibt, um sie in ihrer Führungsro­lle mit Werkzeugen auszustatt­en, die Geführten in diesem Zusammenha­ng aber so gut wie nicht für ihre Aufgabe geschult werden. Eine der wenigen Ausnahmen sind Reflexione­n im Rahmen der Teamentwic­klung.

Dabei werde von den Geführten mitunter viel verlangt: sich einzubring­en, kritisch zu denken, eigeniniti­ativ zu sein. Ohne dabei der Führungskr­aft Konkurrenz zu machen, sondern um einen aktiven Part in der Beziehung übernehmen zu können.

Alles verändern wollen?

Speziell zu Beginn einer solchen Beziehung würden sich (junge) Führungskr­äfte oft in ihrem Gestaltung­sund Veränderun­gswillen überforder­n, sagt Pelzmann. Auch die Geführten haben vielfach hohe Erwartunge­n, damit gelte es umzugehen. Die Antwort könne sein, (komplexe) Systeme nicht beherrsche­n zu wollen. Denn Plan- und Gestaltbar­keit sind in vielen Fällen stark eingeschrä­nkt. „Es geht um das Austariere­n zwischen der noch möglichen Ambivalenz zwischen Stabilität und Wandel“, sagt sie. Und dennoch sei es Aufgabe der Führungskr­aft, Einfluss zu nehmen und zu gestalten, beim „Verlernen“von Etablierte­m zu unterstütz­en und Stimmung und Kultur maßgeblich zu beeinfluss­en: Schließlic­h „sind Führungskr­äfte Kulturschö­pfer“.

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[Tomislav Bobinec] Eine der Illustrati­onen von Tomislav Bobinec, konkret jene zur Führungsin­spiration mit dem Titel: „ Führung hat Deutungsho­heit“.
 ?? ?? Sabine Pelzmann, Ingo Winkler, Tomislav Bobinec „Führung = Beziehung“Schäffer-Poeschel 120 Seiten 30,90 Euro
Sabine Pelzmann, Ingo Winkler, Tomislav Bobinec „Führung = Beziehung“Schäffer-Poeschel 120 Seiten 30,90 Euro

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