Geführte müssen Führung zulassen
Führung ist resonant, Führung ist Beziehung, sagt Sabine Pelzmann. Ohne innere Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich führen zu lassen, funktioniert Führung nicht richtig.
Im ersten Moment klingt es selbstverständlich: Führung ist Beziehung, keine Position oder Rolle. Doch diese vermeintliche Selbstverständlichkeit braucht enormes Zutun: „Führung ist resonant“, sagt Sabine Pelzmann, die mit Ingo Winkler das Buch „Führung = Beziehung“geschrieben hat und 44 Inspirationen zum Thema – jeweils illustriert von Tomislav Bobinec – liefert.
„Die Mitarbeitenden müssen mittun, damit Führung gelingen kann“, sagt die Beraterin. Sie müssten diese innere Erlaubnis geben, sich führen zu lassen. „Letztlich sind es die Geführten, die einer Person Führung zusprechen.“Wo das fehle, gelte auch der Spruch, dass Mitarbeitende im Fall der Kündigung weniger das Unternehmen, sondern eher die Führungskraft verlassen.
Abhängig von den Geführten
Führungskräfte müssen also von ihren Geführten anerkannt werden, um Legitimation zu haben und Autorität ausüben zu können. Ohne diese Anerkennung sei der Handlungsspielraum der Führungskraft massiv begrenzt, auch wenn sie formal eine Führungsposition innehabe. Oder, von Pelzmann anders formuliert: „Es ist wichtig, dass sich Führungskräfte ihrer Abhängigkeit von den Geführten bewusst sind.“
Selbstverständlich können sie Dinge auch mit Weisung durchsetzen. „Doch dadurch bricht etwas in der Beziehung und man muss sich fragen: Ist sie wieder herstellbar? Kann man wieder zusammenfinden?“Was nicht heißt, dass man Konflikten aus dem Weg gehen soll oder Weisungen, die in gewisser Weise ein Kränkung bedeuten, vermeiden muss: Auch diese Situationen lassen sich meistern, sagt Pelzmann, wenn man sich verzeihen könne. Nur: „Auch Verzeihen braucht Beziehung.“Und Beziehung mache es möglich, auch Schwieriges und Kontroversielles an- und auszusprechen.
Wie die Beziehung zwischen geführter Person und Führungskraft in der Praxis aussieht, hänge von der Art der Interaktion zwischen den beiden ab, wobei beide diese Realität und damit auch die
Unternehmenskultur gestalten. Insofern ist es verwunderlich, dass es zwar zahlreiche Trainings für Führungskräfte gibt, um sie in ihrer Führungsrolle mit Werkzeugen auszustatten, die Geführten in diesem Zusammenhang aber so gut wie nicht für ihre Aufgabe geschult werden. Eine der wenigen Ausnahmen sind Reflexionen im Rahmen der Teamentwicklung.
Dabei werde von den Geführten mitunter viel verlangt: sich einzubringen, kritisch zu denken, eigeninitiativ zu sein. Ohne dabei der Führungskraft Konkurrenz zu machen, sondern um einen aktiven Part in der Beziehung übernehmen zu können.
Alles verändern wollen?
Speziell zu Beginn einer solchen Beziehung würden sich (junge) Führungskräfte oft in ihrem Gestaltungsund Veränderungswillen überfordern, sagt Pelzmann. Auch die Geführten haben vielfach hohe Erwartungen, damit gelte es umzugehen. Die Antwort könne sein, (komplexe) Systeme nicht beherrschen zu wollen. Denn Plan- und Gestaltbarkeit sind in vielen Fällen stark eingeschränkt. „Es geht um das Austarieren zwischen der noch möglichen Ambivalenz zwischen Stabilität und Wandel“, sagt sie. Und dennoch sei es Aufgabe der Führungskraft, Einfluss zu nehmen und zu gestalten, beim „Verlernen“von Etabliertem zu unterstützen und Stimmung und Kultur maßgeblich zu beeinflussen: Schließlich „sind Führungskräfte Kulturschöpfer“.