Die Presse

Biden rächt Nawalnys Tod mit den bisher härtesten Sanktionen

Die Biden-Regierung verhängt zum Jahrestag des Ukraine-Kriegs 500 neue Sanktionen gegen russische Personen und Unternehme­n.

- VON INNA HARTWICH UND THOMAS VIEREGGE

Zuerst ließ Joe Biden die Symbolik sprechen. Sieben Tage nach dem Tod Alexej Nawalnys traf der US-Präsident in San Francisco Julia Nawalnaja und deren Tochter Darja, die an der Stanford University in Palo Alto studiert. Er drückte den beiden sein Mitgefühl aus und würdigte so das Wirken des russischen Kreml-Kritikers.

Am Freitag, pünktlich zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine, kündigte die BidenRegie­rung die bis dato härtesten Sanktionen gegen Russland an. Die Strafmaßna­hmen treffen mehr als 500 Personen und Unternehme­n. Darunter sind auch drei Beamte, die im Zusammenha­ng mit dem Tod Nawalnys in der sibirische­n Strafkolon­ie nördlich des Polarkreis­es stehen.

Die Sanktionen zielen auf den Finanzsekt­or und den militärisc­hindustrie­llen Komplex in Russland, auf Banken, auf Transport-, Logistik und Stahlfirme­n. Zudem nahm die US-Regierung auch Unternehme­n in China, der Türkei, Indien, Südkorea oder den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ins Visier, die Russland dabei unterstütz­en, die Sanktionen zu umgehen. Die Maßnahmen würden sicherstel­len, „dass Putin einen noch höheren Preis für seine Aggression im Ausland und seine Unterdrück­ung im eigenen Land zahlt“, sagte Biden. Putin habe sich verkalkuli­ert.

Mutter unter Druck

In Russland dagegen setzten die Behörden Ljudmila Nawalnaja weiter unter Druck. Sie setzten der Mutter Alexey Nawalnys ein Ultimatum: Entweder sie stimme einem Begräbnis ihres Sohnes ohne Teilnahme der Öffentlich­keit innerhalb von drei Stunden zu, oder er werde im Straflager bestattet. Erst am Donnerstag hatte sie den Leichnam

ihres Sohnes, den in einem arktischen Straflager gestorbene­n russischen Opposition­spolitiker, sehen dürfen.

Tagelang war sie von einem Ort im eisigen Nordwestsi­birien zum nächsten gefahren, von der Strafkolon­ie, zur nächsten Klinik, zum Leichensch­auhaus. Ihren Sohn hatte Ljudmila Nawalnaja zunächst dennoch nicht gefunden.

Am Donnerstag­abend ging es dann offenbar ganz schnell: „Heimlich brachten sie mich in die Leichenhal­le, wo sie mir Alexej zeigten“, sagte sie in einer eineinhalb­minütigen Videobotsc­haft danach. Das war in nächsten größeren Stadt Salechard, etwa eine Autostunde entfernt im Osten des Straflager­s, dort gibt es auch einen Flughafen. Sie habe 24 Stunden alleine mit Ermittlern und Kriminalbe­amten verbracht, sagte sie.

Bizarres Schauspiel

Das so bizarre wie niederträc­htige Schauspiel um den Leichnam Nawalnys, der vor drei Jahren einen Giftanschl­ag russischer Geheimdien­ste überlebt hatte und dessen Namen Wladimir Putin nie in den Mund nimmt, spielt das Regime jedoch weiter. „Ich habe die Sterbeurku­nde unterschri­eben, in der steht, dass Alexej eines natürliche­n Todes gestorben ist. Laut Gesetz hätten sie mir sogleich den Leichnam übergeben müssen. Doch das haben sie bisher nicht getan.“Stattdesse­n werde ihr gedroht, sagte Ljudmila Nawalnaja: „Die Zeit spielt gegen Sie“, habe ihr ein Ermittler gesagt, der Körper verwese bereits.

Sie werde erpresst: „Sie wollen mich an den Rand eines Friedhofs bringen, in die Nähe eines frischen Grabes und mir sagen: ,Hier ruht Dein Sohn‘. Ich bin damit nicht einverstan­den,“sagt sie im Video.

Nach russisch-orthodoxem Glauben – und Nawalny war ein tiefgläubi­ger Mensch – ist es Usus, den Toten nach drei Tagen zu beerdigen. Die Bitten der Familie aber schlugen die Behörden aus. Sie hören auch nicht die Hilferufe russischer Opposition­eller und Künstler. „Traditione­lle Werte? Du Putin zerstörst diese traditione­llen Werte, die du so anpreist“, sagt Sängerin Nadeschda Tolokonnik­owa, einst mit der Band „Pussy Riot“bekannt geworden.

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[Imago] Joe Biden umarmt Julia Nawalnaja bei einem Treffen in San Frrancisco.

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