Ex-Mossad-Vizechef schlägt freies Geleit für Hamas-Führer vor
„Das Wichtigste ist Freilassung der Geiseln“, sagt israelischer Oppositionspolitiker Ram Ben-Barak. Keine Priorität für Palästinenserstaat.
Womöglich hat das Ultimatum von Benny Gantz für eine israelische Ramadan-Offensive in Rafah die neue Dynamik ausgelöst. In Paris unternehmen die Verhandlungspartner aus den USA, Israel, Katar und Ägypten unter hoffnungsvolleren Vorzeichen einen neuen Anlauf für einen Geiseldeal. Die letzte Gesprächsrunde in Kairo war kürzlich gescheitert. Damals rief Benjamin Netanjahu seinen Delegationsführer, den MossadChef David Barnea, zurück. Nun hat Israels Premier den Chef des Auslandsgeheimdiensts mit neuen Vollmachten nach Paris beordert.
Ram Ben-Barak, der frühere Vizechef des Mossad, kennt Barnea aus Geheimdiensttagen unter seinem Spitznamen „Teddy“. Der drahtige 65-Jährige hat inzwischen die Seite gewechselt und sitzt für
Jesh Atid, die Zukunftspartei des Ex-Premiers Jair Lapid, auf den Oppositionsbänken der Knesset. „Das Wichtigste ist, dass die Geiseln freikommen“, sagt Ben-Barak im „Presse“-Interview. Allein schon, um das Leid der Familien zu lindern, fügt er an. Vergewaltigt, gefoltert – er mag sich ihr Schicksal nicht ausmalen. Der Oppositionspolitiker kam zur OSZE-Wintertagung nach Wien.
Terroristen-Exil im Iran
Ben-Barak könnte sich sogar ein freies Geleit für die Hamas-Führer Yahya Sinwar und Mohammed Deif, die mutmaßlichen Masterminds des Terrorüberfalls vom 7. Oktober, im Austausch gegen die Geiseln vorstellen. „Wer immer die Terroristen aufnehmen will: Iran, Katar.“Im Gespräch ist zunächst die Freilassung von rund 35 Geiseln, vornehmlich Frauen, Kinder, Ältere und Kranke, bei einer gleichzeitigen vorläufigen Waffenruhe. Sollte sich das allerdings zerschlagen, so werde der Krieg nach Einschätzung Ben-Baraks noch bis zu drei Monate in voller Intensität weitergehen. „Wir müssen unsere Aufgabe zu Ende bringen“, sprich: die Ausschaltung der Hamas.
In vielen Punkten ist Ram BenBarak diametral anderer Ansicht als „Bibi“Netanjahu. Er wirft ihm und den Chefs im Militär und den
Sicherheitsdiensten angesichts des Terrordesasters Versagen vor, unter anderem weil der Fokus der ultrarechten Regierung auf der umstrittenen Justizreform gelegen sei. Und er sähe am liebsten einen sofortigen Rücktritt des Premiers und möglichst rasche Neuwahlen.
Rausschmiss der Ultrarechten
Erst einmal fordert der frühere Mossad-Vizechef in internen Vorwahlen um die Führung in der liberalen Zukunftspartei Jair Lapid heraus. Die Weigerung des Oppositionsführers, in eine Regierung der nationalen Einheit einzutreten, hält er nach wie vor für richtig. Netanjahu müsse erst seine rechtsextremen Minister hinauswerfen, fordert er.
In der Frage der Zukunft des Gazastreifens und einer Zweistaatenlösung liegen Netanjahu und die Opposition indessen nicht weit auseinander. Lokale Führer ohne
Hamas-Verbindung, so der Plan, müssten mit arabischen Staaten wie Ägypten oder Saudiarabien die Kontrolle übernehmen und zunächst die Schulbücher von „antiisraelischen Inhalten“säubern.
Ein Palästinenserstaat habe für eine große Mehrheit der Israelis keine Priorität, betont Ram BenBarak. Eine revitalisierte Palästinensische Autonomiebehörde könne erst allmählich in die Verantwortung hineinwachsen. „Wenn wir morgen einen palästinensischen Staat zulassen, übernimmt die Hamas die Macht. Das weiß auch PLO-Chef Mahmud Abbas.“
Der Terror im Westjordanland treibt den früheren „Mossadnik“ebenso um wie die Hisbollah, die „mehr Waffen zur Verfügung hat als die französische Armee“. Sollte die Milz nicht zehn Kilometer zurückweichen, drohe eine Eskalation. Israel sei dafür gerüstet.