Warum in Graz kein Raumschiff landet
Europacup und heikle Stadionfrage: Sturm muss im Achtelfinale zur Conference League gegen OSC Lille punkten, um Österreichs Absturz in der Uefa-Fünfjahreswertung zu verhindern. Und wann reagiert die Stadtregierung?
Sturm Graz steht erstmals seit 23 Jahren wieder in den Top 16 eines europäischen Bewerbs, und trotzdem will vor dem Kräftemessen mit OSC Lille, dem Vierten der Ligue 1, rundum bloß verhaltene Freude aufkommen. Einerseits mussten die „Schwoazen“beim 1:0 in Bratislava und dem Einzug ins Achtelfinale zur Conference League ja schwarzsehen, weil Slovans Stadion im Vergleich zum eigenen zweifelsohne wie ein Raumschiff anmutet.
Modern, 22.500 Sitzplätze, mit Infrastruktur und allen Nebengeräuschen 2019 eröffnet, ermöglicht durch einen Geldgeber – bar aller politischen Versprecher und ewiger Hinhaltetaktiken. Die Stadt Graz sollte sich richtungsweisend festlegen, was sie mit Profifußball und zwei Klubs (GAK) erreichen will und ob es tatsächlich zwei Stadien sein müssen. Nein, eine neue Arena käme einer Mondlandung gleich. Ob die KPÖ mitspielt?
Und auch ein zweiter Aspekt lief ins Blickfeld: So erfreulich der Aufstieg der Steirer ist, wirkt diese Europacupsaison für Österreichs Fußball als kapitaler Rückschlag.
Galaxie zwischen Graz und Bratislava
Das Nationalstadion in Bratislava, erbaut für einen zweistelligen Millionenbetrag, strahlt. Als Österreicher kann man da schon neidvoll über die Grenze blicken. Im Vergleich dazu stehen in Wien zwei tolle Klubstadien, und die quartalsmäßig aufkochende Prozedur rund um ein (sinnvolles?) Teamstadion quält weiterhin – eine Szenerie, die auch in Graz allgegenwärtig ist. Wobei Sturms Geschäftsführer, Andreas Schicker, hierbei keinen Zweifel hat: „Slovans Stadion wäre ideal für Graz, in allen Facetten – bis auf die bunten Sitze. Die müssten wir schwarz einfärben.
Aber bei uns wird es vom Gefühl her noch sehr lang dauern.“
Die alternde Liebenau-Arena hätte sich längst mehr als nur einen Neuanstrich verdient. Modernisierung ist ein Schlagwort, dessen Dimension in der Politik anders interpretiert wird als im Profisport. Sinn, Not, Wille und Steuerzahler da, Begehr respektive Verlangen dort. Abwiegen und Doppelpass der Verantwortlichen sind ein Geschick, da spielt es aber keinerlei Rolle, ob das Pendant nun das Trikot der SPÖ oder der KPÖ trägt. Und, es dauert.
Was Aspern und Puntigam eint
Die gleiche Thematik schwingt rund um die Debatte um das angestrebte Trainingszentrum für Sturms Frauen- und Nachwuchsabteilung in Puntigam mit. Klub und Land würden zwei Drittel der Baukosten tragen, die Zusage der Stadt steht aus. Was dem ÖFB in Aspern gelungen ist, darauf muss Sturm warten. „Ich traue mich zu behaupten, dass ich das in Graz nicht mehr erleben werde. Was nicht heißt, dass ich den Verein zeitnah verlassen werde.“Darum wird Schicker im Klub und in der Liga so geschätzt. Er ist Realist.
Demgemäß müsse man sich nun auch erneut den Kopf darüber zerbrechen, ob die Fußballunion Uefa wegen nicht erfüllter Kriterien (in puncto Sicherheit, Medienbereich etc.) ihre Zustimmung für das anstehende eine Heimspiel oder womöglich – da keimt Optimismus durch – für noch weitere Heimspiele erteilen wird. Es wäre eine „Strafe für den Erfolg“, müsste Sturm Graz sein Achtelfinale am 7. März in Klagenfurts EM-Stadion bestreiten. Der Heimvorteil wäre dahin, das Eigenheim in diesem Fall der Nachteil.
Will man Fußball, der über das Spielfeld reicht und damit auch der Integration sowie zweifelsohne der Identität einer Stadt dient? Am Mittwoch tagt eine Generalversammlung, kann Graz je wie Bratislava werden? Dass es dort noch einen Eispalast, Schwimmhalle und beachtliche Leichtathletik-Kultur gibt, darf nicht übersehen werden.
Absturz im Europa-Ranking
Das ist die eine Baustelle, die andere hat rein sportliche Folgen. Sturm sammelt wichtige Punkte für die Fünfjahreswertung der Uefa, die für Startplätze im Europacup herangezogen wird. Doch der Beitrag der „Blackys“ist zu wenig. Österreich liegt nur noch auf Rang 13. 32.400 Punkte stehen zu Buche, Schottland hat als Zehnter 35.850. Damit ist klar: In der nächsten Europacupsaison kommt Österreich zum vorerst letzten Mal in den Genuss des Champions-League-Fixplatzes. Ab Herbst 2025 wartet wieder der beschwerliche Weg durch die heimtückische Qualifikation.
Die Gründe liegen auf der Hand. Rapid und Austria – sie bestreiten am Sonntag das 342. Derby – scheiterten in der Qualifikation. Salzburg zog in der Champions League in der Gruppenphase den Kürzeren. Lask beendete die Europa League als Gruppenletzter. Warum die Aufregung derart nachhallt? UefaPlatz 12 brächte noch zwei Klubs in der Europa League unter, die Ränge 13, 14 oder 15 hingegen kosten einen. Ein Absturz auf Platz 16 wäre mit dem Verlust eines weiteren ECStartplatzes verbunden und drückt den Meister in die zweite Qualifikationsrunde zur Champions League. Dann gäbe es sechs Spiele gegen drei Gegner. Damit wäre die Königsklasse für Österreich fast illusorisch weit entfernt. Wie der Mond? Wie eine Raumschifflandung auf einem Grazer Sportplatz?
‘‘ Slovans Stadion wäre ideal für Graz, in allen Facetten – bis auf die bunten Sitze. Die müssten wir halt schwarz machen. Aber es wird vom Gefühl her bei uns noch sehr lang dauern. Andreas Schicker Sturm-Geschäftsführer
Conference League, Achtelfinale, 7./14. März: Sturm – OSC Lille, Servette – Pilsen, Ajax –Aston Villa, Molde – Brugge, Union SG –Fenerbahçe, Dinamo Zagreb – Paok Saloniki, Haifa – Fiorentina, Olympiacos – Tel Aviv.