„Die gemeinsame Vision hilft uns, mutig zu sein“
Marcus Lueger, CFO von Sanofi Österreich, Deutschland und der Schweiz, schildert im Gespräch die Herausforderungen einer effizienten Nachhaltigkeitsstrategie.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Sanofi?
Marcus Lueger: Wir haben eine gemeinsame Vision: das Leben auf unserem Planeten besser zu machen und eine nachhaltige Zukunft mitzugestalten. Ich weiß, dass das vage klingt, aber es ist wichtig, dass es dieses explizite Commitment gibt und dass es von allen Führungskräften und Mitarbeiter:innen getragen wird. Dafür haben wir eine globale Strategie mit konkreten Zielen ins Leben gerufen: Planet Care. Dieses Programm basiert auf den drei Säulen Corporate Social Responsibility, Global Health Unit und unserer Foundation S. Das ist unser gemeinsamer Treiber, der uns hilft, mutige Wege zu gehen und auch Rückschläge einzustecken.
Fast jedes Unternehmen brüstet sich heutzutage mit seinem Engagement für Umwelt und Soziales. Oft sind das aber nur leere Worthülsen . . .
Lueger: Greenwashing ist eine traurige Entwicklung, die ein kurzfristiges Aufpolieren des Images zum Ziel hat und dabei künftige Generationen komplett außen vor lässt. Ich halte es für essenziell, dass man Dinge, die man sagt, auch tut. Wer sich heute nicht ernsthaft mit Themen wie Umwelt-, Klimaschutz und Chancengerechtigkeit auseinandersetzt, handelt kurzsichtig und verantwortungslos. Schließlich soll das Leben auf unserem Planeten auch noch in 20, 100 oder 1000 Jahren lebenswert sein. Ich glaube, dass solche Unternehmen nicht langfristig bestehen werden. Deshalb habe ich zu Beginn gesagt, dass eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Commitment so wichtig sind, weil sie über den nächsten Jahresabschluss oder die nächste Hauptversammlung hinausgehen.
Werden wir konkret: Global existieren extreme Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung. Je nachdem, wo ich wohne, habe ich gute oder schlechte Voraussetzungen, die teilweise auch über Leben und Tod entscheiden. Was können Pharmaunternehmen wie Sanofi dagegen tun?
Lueger: Der ungleiche Zugang zur Gesundheitsversorgung beschäftigt uns sehr. Laut der Weltgesundheitsorganisation hat etwa die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsleistungen. Hier könnten ganz viele Todesfälle vermieden werden. Sanofi arbeitet an mehreren Fronten, um diesen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Wir sind zum Beispiel dabei, einen globalen Zugangsplan für alle neuen Produkte zu entwickeln, um unsere Innovationen innerhalb von zwei Jahren nach deren Einführung weltweit verfügbar zu machen. Darüber hinaus ZUR PERSON haben wir mit unserer Global Health Unit und unserer Foundation S zwei starke Initiativen, die sich für einen gerechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung einsetzen.
Welche Schritte setzen diese Initiativen?
Lueger: Mit der Global Health Unit verfolgen wir das Ziel, bis 2030 für rund zwei Millionen Menschen in unterversorgten Regionen leistbare und lebenswichtige Medikamente zur Verfügung zu stellen. Dazu beliefern wir die 40 ärmsten Länder der Welt mit 30 lebenswichtigen Medikamenten zum Selbstkostenpreis, von denen einige von der Weltgesundheitsorganisation als unentbehrlich eingestuft werden. Die Palette umfasst Arzneimittel zur Behandlung von Malaria, Diabetes oder Herz-KreislaufErkrankungen. Im Herbst 2023 ist die erste Lieferung von Medikamenten gegen venöse Thromboembolien in Dschibuti angekommen.
Welche Herausforderungen stellen sich dabei?
Lueger: Die Herausforderung ist, nicht bloß Medikamente zu liefern, sondern ganzheitliche Gesundheitsprogramme zu etablieren, die in den örtlichen Gemeinschaften verankert sind. Dazu gehört auch, sichere Lieferketten aufzubauen, damit die Medikamente in abgelegenen Regionen ankommen. Hier brauchen wir Hilfe, weil wir nicht von außen kommen und den Menschen unser System aufs Auge drücken können. Deshalb arbeiten wir mit regionalen und lokalen Partner:innen zusammen, was mitunter nicht immer einfach ist. Gemeinsam mit der International Diabetes Federation schulen wir zum Beispiel 4000 Healthcare Professionals in armen Ländern, um die Versorgung von Diabetespatient:innen zu verbessern.
Eine provokante Frage an Sie als CFO: All diese Maßnahmen kosten Geld. Wie lassen sie sich betriebswirtschaftlich rechtfertigen?
Lueger: Bei Sanofi sehen wir unser soziales und gesellschaftliches Engagement als Teil unserer Identität und unserer Unternehmenskultur und keinesfalls als Widerspruch zu unserer Performance. Wir haben unterschiedliche Zugangsmodelle, um den spezifischen Anforderungen der Gesundheitssysteme und den jeweiligen Bedürfnissen der Bevölkerung zu genügen, wie zum Beispiel unsere Global Health Unit. Sie ist eine Non-Profit-Organisation innerhalb des Sanofi-Konzerns, für die wir eine eigene, leistbare Marke entwickelt haben.
Sie haben vorher die Foundation S erwähnt, mit der Sie sich ebenfalls für Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung einsetzen. Können Sie Beispiele bringen?
Lueger: Die Foundation S ist ein Stiftungsfonds, mit dem wir uns für philantropische Zwecke stark machen. Ziel ist, das Leben von vulnerablen Bevölkerungsgruppen in Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeinschaft zu verbessern, indem wir Ressourcen zur Verfügung stellen. Thematisch konzentrieren wir uns auf drei Bereiche – einer davon ist die Bekämpfung von Krebs bei Kindern. In Entwicklungsländern ist Krebs eine der häufigsten Todesursachen für Kinder. Deshalb hat die Foundation S das Programm „My Child Matters“ins Leben gerufen, das darauf abzielt, die Überlebensrate von krebskranken Kindern bis 2030 weltweit auf 60 Prozent zu erhöhen.
Wie können Sie das erreichen?
Lueger: Auch hier arbeiten wir eng mit lokalen Organisationen zusammen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von Know-how. Wir haben bislang im Rahmen des Programms rund 30.000 medizinische Fachkräfte geschult. Gleichzeitig forcieren wir die Sensibilisierung der Zivilgesellschaft und der Politik.
Was sind die zwei anderen Schwerpunkte der Foundation S?
Lueger: Die anderen zwei Bereiche sind die Unterstützung von Menschen, die von Klimawandel und Umweltverschmutzung betroffen sind. Hier haben wir in den letzten Jahren bei Naturereignissen unseren Beitrag geleistet, wie jüngst bei mehreren Erdbeben. Der zweite Part betrifft die Unterstützung von Menschen, die unter vernachlässigten Tropenkrankheiten wie der afrikanischen Schlafkrankheit leiden. Und darüber hinaus stand die Foundation S auch in der Ukraine mit humanitärer Hilfe zur Seite und hat Insulin geliefert, als die Menschen dort von der medizinischen Versorgung abgeschnitten waren.
Wie hängen Klimawandel und Gesundheit zusammen?
Lueger: Ganz stark. Das sehen wir zum Beispiel an der Ausbreitung der Aedes-Mücke in Europa, die das Dengue-Fieber überträgt. Früher war diese Mückenart nur in tropischen und subtropischen Gebieten beheimatet. Durch den Klimawandel ist sie nun auch in 24 Ländern in Europa zu finden und stellt für die Menschen, die dort leben, ein Gesundheitsrisiko dar. Ein weiterer Zusammenhang zeigt sich bei den gesundheitlichen Auswirkungen von extremen Hitzephasen auf das Herz-KreislaufSystem.
Apropos Umwelt: Welche Maßnahmen setzt Sanofi, um seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren?
Lueger: Corporate Social Responsibility erstreckt sich über unsere gesamte Wertschöpfungskette, von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis zur Auslieferung der Produkte. Sie sieht vor, dass wir unsere Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus hinsichtlich ihrer Umwelteinflüsse bewerten und die Umwelteinflüsse in weiterer Folge begrenzen.
Was sind die konkreten Ziele in Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz und wie sollen sie erreicht werden?
Lueger: Unser Ziel ist, bis 2030 CO2-neutral zu sein. Bis 2045 wollen wir Net-Zero-Treibhausgasemissionen erreichen. Dieses Ziel ist bereits an 70 von 110 Standorten erfüllt. Die konkreten Maßnahmen dafür sind vielschichtig und umfassen eine drastische Treibhausgasreduktion, den Umstieg auf erneuerbare Energie bis hin zur Umstellung unseres Fuhrparks auf CO2-neutrale Fahrzeuge.
Was tut Sanofi zum Thema Abfallwirtschaft?
Lueger: Wir wollen unseren Deponieabfall bis 2025 durch Recycling, Wiederverwendung und Wiederverwertung um mehr als 90 Prozent reduzieren. In Frankfurt Höchst, wo unser größtes Insulinwerk angesiedelt ist, liegen wir beispielsweise bereits jetzt bei einer 85-Prozent-Abfallverwertungsquote. Darüber hinaus gestalten wir unsere Produkte möglichst umweltfreundlich. Bis 2025 werden alle neuen Produkte ein Eco-Design haben. Zum Beispiel statten wir die Etuis für unsere Insulinpens mit recyclebaren Materialien aus. Dafür wurden wir auch schon mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis geehrt und schon jetzt sind wir eines der wenigen Pharmaunternehmen, das im Versand von Arzneimitteln ohne Plastik auskommt.
Das Gesundheitsjahrbuch 2023, das Sanofi gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich herausgibt, widmet sich ganz der künstlichen Intelligenz. Welche Rolle spielt sie in Bezug auf Sanofis Bemühungen um Nachhaltigkeit?
Lueger: KI bietet großartige Chancen bei der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen, weil es hier um große Datenmengen geht: Was muss ich wie verändern, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen? Je mehr Daten, desto besser – KI hilft uns dabei, diese auszuwerten. Mit Simulationen können wir auch feststellen, welche Maßnahmen den gewünschten Erfolg bringen und welche wir deshalb weiterverfolgen sollen.