Wie der Rechtsruck die Tories zerreißt
Premier Sunak muss Ex-Parteichef wegen rassistischer Äußerungen feuern. Der Unmut wächst.
London. Für Zurückhaltung war Lee Anderson noch nie bekannt. So beschimpfte der Politiker, der seit 2019 als konservativer Abgeordneter für Ashfield im britischen Unterhaus sitzt, einmal einen bekannten Brexit-Kritiker vor dem Parlament als „Parasiten“und forderte ihn zu einem Boxkampf heraus. Im Vorfeld der Fußball-EM 2020 schimpfte Anderson, er werde sich kein einziges England-Spiel anschauen. Die Spieler hätten mit ihrem Antirassismus-Protest „unsere Lebensweise untergraben“.
Premier Rishi Sunak kam Anfang 2023 offenbar zum Schluss, dass er einen Polemiker wie Anderson an seiner Seite gut gebrauchen könne, um den rechten Rand seiner Partei und in der Bevölkerung bei
Laune zu halten. Also machte er Anderson zum Vize-Tory-Chef. Die britische Presse gab Anderson den Spitznamen „Sunaks Rottweiler“.
Im vergangenen Monat gab Anderson den Posten freiwillig wieder ab: Die umstrittenen Pläne der Regierung, Asylbewerber noch vor Abschluss ihrer Verfahren nach Ruanda abzuschieben, gingen ihm nicht weit genug. Anderson trat von seinem Posten zurück. Nun hat der ehemalige „Kampfhund“des Premiers den Bogen wohl endgültig überspannt. In einer TV-Sendung erklärte er, Londons Bürgermeister Sadiq Khan stehe „unter der Kontrolle von Islamisten“. Khan habe „unsere Hauptstadt seinen Kumpels übergeben“.
Khan, der britisch-pakistanische Wurzeln hat, gehört dem moderaten Flügel der Labour-Partei an. Nichts an seinem Werdegang und an seinen politischen Positionen deutet auf einen religiösen Einfluss hin. Seine religiösen Ansichten, falls er welche hat, behält er für sich. Entsprechend groß war die Empörung. Labour-Chef Keir Starmer warf Sunak vor, er beherberge in seiner Partei Extremisten. Khan selbst nannte Andersons Aussage „islamfeindlich und rassistisch“.
Keine echten Konservativen
Selbst Andersons Parteikollegen übten Kritik. Die konservative Abgeordnete Margot James sagte, Anderson hätte „nie ein Tory sein sollen, und schon gar nicht Vizeparteichef“. Als der Druck auf Sunak immer mehr zunahm, forderte er Anderson am Wochenende dazu auf, sich für seine Äußerung zu entschuldigen. Als sich der weigerte, suspendierte ihn Sunak aus der Partei.
Vorbei ist der Eklat damit nicht. Die Tories stehen vor einer Zerreißprobe. Ex-Justizminister Robert Buckland empfahl am Sonntag Parteikollegen, die „Spaltungen schüren“, sich „einer anderen Partei anzuschließen“. Er kritisierte auch ExInnenministerin Suella Braverman und Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss. Braverman schrieb in einem Zeitungsartikel, in Großbritannien hätten „Islamisten, Extremisten und Antisemiten“das Sagen. Truss wetterte bei der ultrakonservativen CPAC-Konferenz in den USA gegen US-Präsident Joe Biden, Transgenderrechte und gegen einen „von Linken unterwanderten Deep State“.
Dazu Buckland: Echte Konservative sollten sich „Kriminalität, Hass und Extremismus“entschieden entgegenstellen „und das Land zusammenführen, nicht spalten“.