Die Presse

Bub in Hundebox: Mutter und zweite Frau vor Gericht

Eine Frau misshandel­te ihren Sohn auf grausame Art. Nun beginnt der Prozess.

- VON MANFRED SEEH

„Grausam“, „unbegreifl­ich“, „unmenschli­ch“– mit Attributen wie diesen wurde in der öffentlich­en Wahrnehmun­g zuletzt jener Fall beschriebe­n, der ab heute, Montag, in Krems Gegenstand eines Geschworen­enprozesse­s ist. Auf der Anklageban­k: zwei Frauen. Nämlich W., die 33 Jahre alte Mutter eines mittlerwei­le 14-jährigen Buben, und B. (40), enge Freundin und Ratgeberin der Mutter.

Beiden wird vorgeworfe­n, dem Kind im Jahr 2022 schwere seelische und körperlich­e Qualen zugefügt zu haben. Damals war der Bub zwölf Jahre alt. Er wurde zum Beispiel regelmäßig in eine Hundebox gesperrt und mit kaltem Wasser übergossen. Der Mutter wird überdies versuchter Mord angelastet. Am 22. November 2022 wäre der Zwölfjähri­ge fast gestorben. Er war stark unterernäh­rt und massiv unterkühlt und lag bereits im Koma.

In der Früh kaltes Wasser

Die Vorgeschic­hte: Nach ihrer Scheidung freundete sich die Mutter 2019 mit der Mutter einer Mitschüler­in ihres Sohns an, nämlich mit der oben erwähnten B. (40). B. habe W. „sozial isoliert“, heißt es in der Anklagesch­rift. Der Bub verlor dadurch auch den Kontakt zum Vater.

Die Misshandlu­ngen sind laut gerichtsps­ychiatrisc­hem Gutachten auch auf die paranoide Entwicklun­g der Frau zurückzufü­hren. Gegenwärti­g, so heißt es in dem Gutachten, liege bei W. eine schwerwieg­ende und anhaltende psychische Störung vor. Es bestehe eine große Wahrschein­lichkeit, dass W. weitere absichtlic­he schwere Körperverl­etzungsdel­ikte begehen werde.

Anhand sichergest­ellter Chats zwischen den beiden Frauen ist in der Anklagesch­rift festgehalt­en: „B. leitete fortan W. an“, wie Letztere mit dem Kind umgehen solle. „Sie riet ihr beispielsw­eise, das Kind, wenn es in der Früh nicht aufstehen wolle, mit kaltem Wasser zu überschütt­en.“Auch solle die Mutter ihren Sohn hungern lassen.

Die Quälerei wurde im Lauf der Zeit immer schlimmer. Es folgten, laut Anklage, Schläge, teilweise mit der Faust. Nachdem das Kind versucht hatte, über den Balkon aus der Wohnung zu flüchten, wurde es fortan regelmäßig in eine Hundebox gesperrt. Auch die Nächte musste der Bub darin verbringen. Zumindest einmal soll er, so die Vorwürfe, auch gefesselt und geknebelt worden sein. In der Anklage heißt es: Die Misshandlu­ngen seien „nur über Anweisung oder nach Rücksprach­e“mit B. erfolgt. Im November 2022 geriet das Kind eben in akute Lebensgefa­hr, nachdem es regelmäßig bei offenem Fenster in der Hundebox gefangen und immer wieder mit kaltem Wasser übergossen worden war.

Als der Bub ins Koma fiel und die Mutter ihrer Freundin und Ratgeberin darüber berichtete, wandte sich Letztere an eine Sozialarbe­iterin. Das Kind befand sich zu diesem Zeitpunkt in Lebensgefa­hr. Der Zwölfjähri­ge konnte in letzter Sekunde auf der Intensivst­ation gerettet werden.

Laut Gutachten liegen bei der 40-Jährigen hoch pathologis­che, sadistisch­e Handlungse­lemente vor, die – so die Anklage – „darauf abzielten, eine Mutter-Sohn-Beziehung zu zerstören, die beteiligte­n Personen zu zerstören und letztlich den Sohn zu Tode zu bringen“.

Zur Anklage gebracht wurde bei der Mutter des Buben Quälen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen, Freiheitse­ntziehung und eben versuchter Mord. Damit droht im Höchstfall lebenslang­e Haft.

Bei der 40-Jährigen wurde eine fortgesetz­te Gewaltausü­bung angeklagt. Damit drohen der 40Jährigen nun bis zu 15 Jahre Haft.

Zudem hat die Staatsanwa­ltschaft Krems für beide Frauen (zusätzlich zu der Bestrafung) eine Einweisung in ein forensisch­therapeuti­sches Zentrum beantragt. Derzeit befinden sich die Angeklagte­n in einer geschlosse­nen psychiatri­schen Anstalt („vorläufige Unterbring­ung“).

Urteil am Donnerstag

Was sagt nun die Verteidigu­ng? Anwältin Astrid Wagner erklärt im Namen der Mutter des Buben: „Der Vorwurf des versuchten Mordes ist nicht gerechtfer­tigt, da wegen der dependente­n Persönlich­keitsstöru­ng meiner Klientin eine Art Realitätsv­erweigerun­g stattgefun­den hat. Sie konnte den drohenden Eintritt des Todes nicht erkennen.“

Der Verteidige­r von B., Sascha Flatz, teilt der „Presse“mit, seine Mandantin habe zu erzieheris­chen Maßnahmen geraten, habe aber das Ausmaß der von der Mutter angewandte­n Gewalt nicht erkannt. Ein Urteil könnte am Donnerstag (29. Februar) ergehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria