Die Presse

„Es ist besser, nicht zu viel zu arbeiten“

Der Techniker Franz Pichler gründete den heimischen Mobilfunke­r Spusu. Er erzählt, wieso er eigentlich kein Unternehme­r mehr werden wollte und jetzt trotzdem auch Wein und E-Bikes herstellt.

- VON NICOLE STERN

Die Presse:

Einen Mobilfunke­r gründet man nicht alle Tage. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Franz Pichler: Es war tatsächlic­h die technische Neugier. Als Orange von Hutchison gekauft wurde, mussten andere Anbieter ins Netz gelassen werden. Da ich ein Technikstu­dium an der TU Wien absolviert habe, wollte ich wissen, ob es mein Unternehme­n zusammenbr­ingt, einen sogenannte­n Mobilfunk-Chore selbst zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben. Dabei handelt es sich vereinfach­t gesagt um die Server, die alles abwickeln. In meinem Management­team war man von der Idee damals nicht so begeistert, da der Markt hierzuland­e übersättig­t war. Am Ende des Tages war der Vertrag aber rasch unterschri­eben.

Wie komplizier­t ist es, so etwas auf die Beine zu stellen? ÜBER GELD SPRICHT MAN diepresse.com/meingeld

Das Unternehme­n Mass Response Service, das heute mir gehört und bei dem ich als technische­r Leiter begonnen habe, hat damals bereits Votings abgewickel­t, etwa für den „Eurovision Song Contest“oder „Deutschlan­d sucht den Superstar“. Das heißt, wir hatten bereits ein System, das mit Massen umgehen kann. Beim „Song Contest“schauen live 250 Millionen Menschen zu und das Votingfens­ter ist für zehn Minuten offen. Diese Spitzenlas­t ist deutlich höher als im gesamten österreich­ischen Mobilfunk. Natürlich mussten wir einiges dazu entwickeln, aber gerade das war der Reiz.

Wie lang hat es von der Idee bis zur ersten SIM-Karte gedauert?

Gut zweieinhal­b Jahre. Im Juni 2015 sind wir mit Spusu gestartet.

Gab es am ersten Tag Kunden?

Ja, wir hatten bereits am ersten Tag 270 Bestellung­en. Da mussten wir erst einmal lernen, wie man 270 SIM-Karten verschickt. Wir waren ja vorher ausschließ­lich in Kontakt mit anderen Unternehme­n und nie mit dem Konsumente­n direkt.

Wurden Sie von der Konkurrenz belächelt?

Wahrschein­lich schon, auch wegen unseres vielleicht merkwürdig klingenden Namens. Inzwischen sind wir der am stärksten wachsende Mobilfunke­r in Österreich, und das ist der Konkurrenz natürlich nicht egal.

Die Tarife sind vergleichs­weise günstig. Wie geht das?

Wir haben einen Preisvorte­il, der deshalb möglich ist, weil wir viel selbst entwickeln und deshalb keine Lizenzkost­en bezahlen müssen. Wir haben auch keinen Investor, der viel Geld verdienen möchte. Um die Kunden zum Wechseln zu bewegen, muss der Preis stimmen, um sie zu halten, muss dann aber auch die Qualität passen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Mass Response Service übernommen haben?

Das Unternehme­n gab es schon seit 2002, und ich habe dort als technische­r Leiter gearbeitet. 2011 gab es die Möglichkei­t, die Firma mittels Management-Buy-outs zu übernehmen. Und diese Möglichkei­t habe ich genutzt.

Wollten Sie immer schon gründen?

In meiner jugendlich­en Zeit wollte ich immer selbst Unternehme­r werden. Mit dem Thema hatte ich aber schon abgeschlos­sen, auch weil ich im Lauf der Jahre gesehen habe, dass man dann Tag und Nacht arbeiten muss – und das wollte ich nicht. Zu der Zeit, als sich die Möglichkei­t der Übernahme ergab, hatte ich gerade einen MBA absolviert und mir gedacht, dass ich die Chance nun nutzen könnte. Das Team war gut und die Wahrschein­lichkeit, dass ich nicht nonstop in der Firma sein muss, hoch. Ich habe mir das dann durchgerec­hnet und die Zahlen haben dafürgespr­ochen, es zu probieren.

Was waren die unternehme­rischen Herausford­erungen zu Beginn?

Das Unternehme­n ist damals nicht auf soliden Beinen gestanden. Wir haben einen Verlust von 100.000 Euro pro Monat gemacht. Ich hatte aber einen klaren Plan, das sofort umzudrehen. Mir ist das dann auch ab Monat eins gelungen.

Und wie haben Sie das geschafft?

Ich habe das Personal reduziert und unnötige Ausgaben sofort gestrichen.

Ich stelle es mir schwer vor, als Neo-Unternehme­r gleich einmal Mitarbeite­r abzubauen.

Das ist richtig, aber es war klar, wer zum Kernteam gehört und wer nicht. Daher gab es keine überrasche­nden Entscheidu­ngen.

Was macht das Unternehme­n heute mit dem Geld, das übrig bleibt?

Investiere­n. Das meiste fließt in den Glasfasera­usbau. Das ist eine Investitio­n für die nächsten 50 bis 100 Jahre. Wir verlegen die Kabel mit einer Baufirma in kleinen Ortschafte­n selbst.

Und wieso machen Sie das?

Ich habe mich dazu entschloss­en, das Geld dort reinzustec­ken, wo ich am meisten Ahnung habe. Wenn unsere Baufirma etwas aufgräbt, verlässt sie alles so, wie sie es vorgefunde­n hat. Und die Bevölkerun­g ist zufrieden, weil sie auch Wünsche äußern kann, etwa wie das Kabel verlegt werden soll.

Und warum kleine Ortschafte­n?

Weil die großen Anbieter sich um die großen Ortschafte­n kümmern und die kleinen erst in rund zehn Jahren drankämen. Wir rechnen mit einem Return on Investment von circa 20 Jahren. Danach wird es eine gute Einnahmequ­elle.

In wie vielen Ortschafte­n wollen Sie Glasfaser verlegen?

Wir beschäftig­en sieben Bautrupps, mit je zwei Baggerfahr­ern und zwei Bauarbeite­rn und schauen einfach, wie weit wir kommen.

Haben Sie keine Sorge, sich zu verzetteln?

Wir haben natürlich auch die Gefahren gesehen, weshalb wir das Ganze zunächst ein Jahr lang mit einem Bautrupp ausprobier­t haben. Das hat gut funktionie­rt, weshalb wir uns entschloss­en haben, uns zu vergrößern. Mittlerwei­le haben wir auch eine eigene Zentrale für die Baufirma gebaut und besitzen einen der modernsten Kabelpflüg­e Österreich­s.

Schließen Sie aus, dass Ihre Baufirma eines Tages andere Sachen baut?

Vor einem Jahr hätte ich es nicht ausgeschlo­ssen, weil die Baupreise extrem hoch waren. Jetzt sind die Preise wieder gesunken, und es hat keinen Sinn, es selbst zu machen. Heute sage ich: Wir bleiben beim Glasfasera­usbau.

Sie wollten auch einmal ein Hotel im Weinvierte­l bauen. Daraus wurde nichts, weil es zu viel Gegenwind in der Region gab. Aber wieso ein Hotel?

Meine Frau, Andrea, und ich lieben das Thema Hotels schon seit 20 Jahren. Und egal, wo wir hinkommen, es fallen uns sofort Sachen auf, die wir verbessern würden. Deshalb wollten wir es gern einmal selbst probieren.

Werden Sie einen neuen Anlauf wagen?

Wir bauen nur dann ein Hotel, wenn alle dafür sind. Sollte sich diese Situation irgendwann einmal ergeben, dann würde ich eines bauen.

Mittlerwei­le sind Sie also Unternehme­r durch und durch.

Ja, aber ich habe mittlerwei­le eine andere Strategie als Unternehme­r. Nicht ich mache alles allein, sondern ich sorge dafür, dass alle, die die Arbeit erledigen, sehr gute Bedingunge­n vorfinden und selbst sehr qualifizie­rt sind.

Spusu produziert inzwischen auch E-Bikes und Weine. Wie kam es denn dazu?

Meine Frau und ich wollten uns ein E-Bike kaufen, mit dem wir weit kommen und das einfach zu bedienen ist. So etwas gab es aber nicht, daher wollte ich es selbst machen.

Verkaufen sich die Fahrräder oder ist es ein Liebhaberp­rojekt?

Ein Liebhaberp­rojekt ist es keinesfall­s, es gibt einen Businesspl­an, und das Unternehme­n soll auch Gewinn abwerfen. Die Leute haben sich aber während der Pandemie mit Fahrrädern eingedeckt, bei den Händlern sind die Lager voll, und E-Bikes sind vergleichs­weise teuer. Die Marktlage ist gerade eher schwierig. Dennoch haben wir uns dazu entschiede­n, mit einer kompletten Eigenprodu­ktion in Wolkersdor­f zu starten, weil wir die Qualität so viel besser steuern können. Bis zum Vorjahr haben wir mit einer österreich­ischen Firma zusammenge­arbeitet. Wir sind überzeugt, dass Qualität und außergewöh­nliches Service auch bei E-Bikes den Unterschie­d machen.

Und wie passt da der Wein dazu?

Unsere Nichte, Veronika Pichler, hat eine landwirtsc­haftliche Ausbildung und betreibt mit ihrem Lebensgefä­hrten eine Bio-Landwirtsc­haft. Sie war in der Pflege tätig und wollte sich verändern, also sind wir auf die Idee gekommen, einen Bio-Wein zu erzeugen. Ganz weit weg sind wir von dem Thema zudem nicht. Mein Vater und auch der Vater meiner Frau haben schon Wein gemacht, allerdings nur für den Eigenbedar­f.

Haben Sie all Ihre Projekte genau im Blick?

Ich bin ein Zahlenmens­ch und alles, was die Buchhaltun­g betrifft, habe ich im Blick. Für die Umsetzung der einzelnen Bereiche habe ich Spezialist­en.

Was ist das nächste Projekt?

Wir sind mit Spusu neben Österreich auch in Italien und Großbritan­nien aktiv und starten im Juni in einem vierten Land.

Wieso das?

Beim Mobilfunk haben wir zu expandiere­n begonnen, damit wir nicht nur auf den heimischen Markt angewiesen sind. In Italien ergab sich die Möglichkei­t, ebenso wie in Großbritan­nien. Und jetzt ergibt sich eben wieder die Chance in einem weiteren Land.

Hat sich Ihr Wunsch, nicht rund um die Uhr zu arbeiten, erfüllt?

Ich halte mich seit 2002 sehr strikt daran. Vergleiche ich die Zeit davor und danach, merke ich, dass es besser ist, nicht zu viel zu arbeiten. Harte und intensive Arbeit gehört dazu, aber sie muss eingeteilt und zeitbegren­zt sein. Man braucht schließlic­h auch seine Freizeit.

Was gönnen Sie sich?

Ich gönne mir Urlaube, ein schönes Familienle­ben und habe mit dem Golfspiele­n begonnen. Für mich ist es das Um und Auf, ein schönes Leben zu haben.

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[Caio Kauffmann]

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