„Es ist besser, nicht zu viel zu arbeiten“
Der Techniker Franz Pichler gründete den heimischen Mobilfunker Spusu. Er erzählt, wieso er eigentlich kein Unternehmer mehr werden wollte und jetzt trotzdem auch Wein und E-Bikes herstellt.
Die Presse:
Einen Mobilfunker gründet man nicht alle Tage. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Franz Pichler: Es war tatsächlich die technische Neugier. Als Orange von Hutchison gekauft wurde, mussten andere Anbieter ins Netz gelassen werden. Da ich ein Technikstudium an der TU Wien absolviert habe, wollte ich wissen, ob es mein Unternehmen zusammenbringt, einen sogenannten Mobilfunk-Chore selbst zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben. Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um die Server, die alles abwickeln. In meinem Managementteam war man von der Idee damals nicht so begeistert, da der Markt hierzulande übersättigt war. Am Ende des Tages war der Vertrag aber rasch unterschrieben.
Wie kompliziert ist es, so etwas auf die Beine zu stellen? ÜBER GELD SPRICHT MAN diepresse.com/meingeld
Das Unternehmen Mass Response Service, das heute mir gehört und bei dem ich als technischer Leiter begonnen habe, hat damals bereits Votings abgewickelt, etwa für den „Eurovision Song Contest“oder „Deutschland sucht den Superstar“. Das heißt, wir hatten bereits ein System, das mit Massen umgehen kann. Beim „Song Contest“schauen live 250 Millionen Menschen zu und das Votingfenster ist für zehn Minuten offen. Diese Spitzenlast ist deutlich höher als im gesamten österreichischen Mobilfunk. Natürlich mussten wir einiges dazu entwickeln, aber gerade das war der Reiz.
Wie lang hat es von der Idee bis zur ersten SIM-Karte gedauert?
Gut zweieinhalb Jahre. Im Juni 2015 sind wir mit Spusu gestartet.
Gab es am ersten Tag Kunden?
Ja, wir hatten bereits am ersten Tag 270 Bestellungen. Da mussten wir erst einmal lernen, wie man 270 SIM-Karten verschickt. Wir waren ja vorher ausschließlich in Kontakt mit anderen Unternehmen und nie mit dem Konsumenten direkt.
Wurden Sie von der Konkurrenz belächelt?
Wahrscheinlich schon, auch wegen unseres vielleicht merkwürdig klingenden Namens. Inzwischen sind wir der am stärksten wachsende Mobilfunker in Österreich, und das ist der Konkurrenz natürlich nicht egal.
Die Tarife sind vergleichsweise günstig. Wie geht das?
Wir haben einen Preisvorteil, der deshalb möglich ist, weil wir viel selbst entwickeln und deshalb keine Lizenzkosten bezahlen müssen. Wir haben auch keinen Investor, der viel Geld verdienen möchte. Um die Kunden zum Wechseln zu bewegen, muss der Preis stimmen, um sie zu halten, muss dann aber auch die Qualität passen.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Mass Response Service übernommen haben?
Das Unternehmen gab es schon seit 2002, und ich habe dort als technischer Leiter gearbeitet. 2011 gab es die Möglichkeit, die Firma mittels Management-Buy-outs zu übernehmen. Und diese Möglichkeit habe ich genutzt.
Wollten Sie immer schon gründen?
In meiner jugendlichen Zeit wollte ich immer selbst Unternehmer werden. Mit dem Thema hatte ich aber schon abgeschlossen, auch weil ich im Lauf der Jahre gesehen habe, dass man dann Tag und Nacht arbeiten muss – und das wollte ich nicht. Zu der Zeit, als sich die Möglichkeit der Übernahme ergab, hatte ich gerade einen MBA absolviert und mir gedacht, dass ich die Chance nun nutzen könnte. Das Team war gut und die Wahrscheinlichkeit, dass ich nicht nonstop in der Firma sein muss, hoch. Ich habe mir das dann durchgerechnet und die Zahlen haben dafürgesprochen, es zu probieren.
Was waren die unternehmerischen Herausforderungen zu Beginn?
Das Unternehmen ist damals nicht auf soliden Beinen gestanden. Wir haben einen Verlust von 100.000 Euro pro Monat gemacht. Ich hatte aber einen klaren Plan, das sofort umzudrehen. Mir ist das dann auch ab Monat eins gelungen.
Und wie haben Sie das geschafft?
Ich habe das Personal reduziert und unnötige Ausgaben sofort gestrichen.
Ich stelle es mir schwer vor, als Neo-Unternehmer gleich einmal Mitarbeiter abzubauen.
Das ist richtig, aber es war klar, wer zum Kernteam gehört und wer nicht. Daher gab es keine überraschenden Entscheidungen.
Was macht das Unternehmen heute mit dem Geld, das übrig bleibt?
Investieren. Das meiste fließt in den Glasfaserausbau. Das ist eine Investition für die nächsten 50 bis 100 Jahre. Wir verlegen die Kabel mit einer Baufirma in kleinen Ortschaften selbst.
Und wieso machen Sie das?
Ich habe mich dazu entschlossen, das Geld dort reinzustecken, wo ich am meisten Ahnung habe. Wenn unsere Baufirma etwas aufgräbt, verlässt sie alles so, wie sie es vorgefunden hat. Und die Bevölkerung ist zufrieden, weil sie auch Wünsche äußern kann, etwa wie das Kabel verlegt werden soll.
Und warum kleine Ortschaften?
Weil die großen Anbieter sich um die großen Ortschaften kümmern und die kleinen erst in rund zehn Jahren drankämen. Wir rechnen mit einem Return on Investment von circa 20 Jahren. Danach wird es eine gute Einnahmequelle.
In wie vielen Ortschaften wollen Sie Glasfaser verlegen?
Wir beschäftigen sieben Bautrupps, mit je zwei Baggerfahrern und zwei Bauarbeitern und schauen einfach, wie weit wir kommen.
Haben Sie keine Sorge, sich zu verzetteln?
Wir haben natürlich auch die Gefahren gesehen, weshalb wir das Ganze zunächst ein Jahr lang mit einem Bautrupp ausprobiert haben. Das hat gut funktioniert, weshalb wir uns entschlossen haben, uns zu vergrößern. Mittlerweile haben wir auch eine eigene Zentrale für die Baufirma gebaut und besitzen einen der modernsten Kabelpflüge Österreichs.
Schließen Sie aus, dass Ihre Baufirma eines Tages andere Sachen baut?
Vor einem Jahr hätte ich es nicht ausgeschlossen, weil die Baupreise extrem hoch waren. Jetzt sind die Preise wieder gesunken, und es hat keinen Sinn, es selbst zu machen. Heute sage ich: Wir bleiben beim Glasfaserausbau.
Sie wollten auch einmal ein Hotel im Weinviertel bauen. Daraus wurde nichts, weil es zu viel Gegenwind in der Region gab. Aber wieso ein Hotel?
Meine Frau, Andrea, und ich lieben das Thema Hotels schon seit 20 Jahren. Und egal, wo wir hinkommen, es fallen uns sofort Sachen auf, die wir verbessern würden. Deshalb wollten wir es gern einmal selbst probieren.
Werden Sie einen neuen Anlauf wagen?
Wir bauen nur dann ein Hotel, wenn alle dafür sind. Sollte sich diese Situation irgendwann einmal ergeben, dann würde ich eines bauen.
Mittlerweile sind Sie also Unternehmer durch und durch.
Ja, aber ich habe mittlerweile eine andere Strategie als Unternehmer. Nicht ich mache alles allein, sondern ich sorge dafür, dass alle, die die Arbeit erledigen, sehr gute Bedingungen vorfinden und selbst sehr qualifiziert sind.
Spusu produziert inzwischen auch E-Bikes und Weine. Wie kam es denn dazu?
Meine Frau und ich wollten uns ein E-Bike kaufen, mit dem wir weit kommen und das einfach zu bedienen ist. So etwas gab es aber nicht, daher wollte ich es selbst machen.
Verkaufen sich die Fahrräder oder ist es ein Liebhaberprojekt?
Ein Liebhaberprojekt ist es keinesfalls, es gibt einen Businessplan, und das Unternehmen soll auch Gewinn abwerfen. Die Leute haben sich aber während der Pandemie mit Fahrrädern eingedeckt, bei den Händlern sind die Lager voll, und E-Bikes sind vergleichsweise teuer. Die Marktlage ist gerade eher schwierig. Dennoch haben wir uns dazu entschieden, mit einer kompletten Eigenproduktion in Wolkersdorf zu starten, weil wir die Qualität so viel besser steuern können. Bis zum Vorjahr haben wir mit einer österreichischen Firma zusammengearbeitet. Wir sind überzeugt, dass Qualität und außergewöhnliches Service auch bei E-Bikes den Unterschied machen.
Und wie passt da der Wein dazu?
Unsere Nichte, Veronika Pichler, hat eine landwirtschaftliche Ausbildung und betreibt mit ihrem Lebensgefährten eine Bio-Landwirtschaft. Sie war in der Pflege tätig und wollte sich verändern, also sind wir auf die Idee gekommen, einen Bio-Wein zu erzeugen. Ganz weit weg sind wir von dem Thema zudem nicht. Mein Vater und auch der Vater meiner Frau haben schon Wein gemacht, allerdings nur für den Eigenbedarf.
Haben Sie all Ihre Projekte genau im Blick?
Ich bin ein Zahlenmensch und alles, was die Buchhaltung betrifft, habe ich im Blick. Für die Umsetzung der einzelnen Bereiche habe ich Spezialisten.
Was ist das nächste Projekt?
Wir sind mit Spusu neben Österreich auch in Italien und Großbritannien aktiv und starten im Juni in einem vierten Land.
Wieso das?
Beim Mobilfunk haben wir zu expandieren begonnen, damit wir nicht nur auf den heimischen Markt angewiesen sind. In Italien ergab sich die Möglichkeit, ebenso wie in Großbritannien. Und jetzt ergibt sich eben wieder die Chance in einem weiteren Land.
Hat sich Ihr Wunsch, nicht rund um die Uhr zu arbeiten, erfüllt?
Ich halte mich seit 2002 sehr strikt daran. Vergleiche ich die Zeit davor und danach, merke ich, dass es besser ist, nicht zu viel zu arbeiten. Harte und intensive Arbeit gehört dazu, aber sie muss eingeteilt und zeitbegrenzt sein. Man braucht schließlich auch seine Freizeit.
Was gönnen Sie sich?
Ich gönne mir Urlaube, ein schönes Familienleben und habe mit dem Golfspielen begonnen. Für mich ist es das Um und Auf, ein schönes Leben zu haben.