Unfall am Lift: Im Zweifel für den Skifahrer
120-Kilo-Mann verletzte sich, als er nach Bügel griff. Die Ursache blieb unklar, der Liftbetreiber muss deswegen zahlen.
Die Strecke und den Tellerlift kennt er gut, schließlich fährt er seit 18 Jahren mit einer Gruppe an denselben Ort. Doch an einem Märztag sollte der Sportfreund während der Liftfahrt spüren, dass er sich verletzt hatte. Über die Frage warum, stritten der 120 Kilo starke (noch ohne Skiausrüstung, wie das Gericht betonte) Mann und der Liftbetreiber. Doch auch wenn diese Frage nicht gelöst werden konnte, steht nun fest: Der Verunfallte erhält Schadenersatz.
Der Mann hatte am Lift nach dem seitlich an ihm vorbeifahrenden Schleppbügel, an dem der Schleppteller befestigt ist, gegriffen. Doch nachdem er den Bügel in die Hand genommen hatte, spürte er einen starken Ruck. Er wurde nach oben gerissen, der hintere Bereich der Ski hob sich um ein paar Zentimeter, während die Skispitzen im Schnee blieben. Die Stange ließ der Mann während dieser zwei Sekunden dauernden Geschehnisse nicht los. Wieder mit den Ski zu Boden gekommen, konnte der Sportsfreund den Teller zwischen die Beine klemmen und bergauf fahren.
Doch schon während der Liftfahrt merkte der Mann, dass etwas nicht stimmte. Später wurde eine Teilruptur der körperfernen Bizepssehne im rechten Ellenbogenbereich diagnostiziert. „Solche Verletzungen entstehen typischerweise bei Männern durch aktives Anspannen des Bizepsmuskels im Sinne eines Gegenhaltens gegen einen ruckartigen Widerstand“, betonte das Gericht.
Keine Meldung an Liftwart
Der Mann forderte Schadenersatz, da ihn der Lift mit voller Wucht nach vorn geschleudert habe. Das Unglück sei durch einen technischen Defekt entstanden. Ihm stünden neben Schmerzengeld nun auch etwa Ersatz für Hotelkosten, Skipass und eine Pflegehilfe zu. Mit Tischtennisturnieren, an denen der Mann im Amateurbereich vor dem Unglück teilgenommen hatte, war auch Schluss.
Der Liftbetreiber entgegnete, dass es während der gesamten Wintersaison, in der das Unglück geschah, keinen einzigen Vorfall bei dem Tellerlift gegeben habe. Auch der Kläger habe am Tag seiner Verletzung diese nicht dem Stationswärter gemeldet. Der Ruck, der von einem Tellerlift ausgehe, sei bei sachgemäßer Benutzung harmlos. Sollte das Unglück wirklich beim Liftfahren passiert sein, dann nur, weil sich der Mann fehlverhalten habe oder seine Sehne schon vorgeschädigt gewesen sei.
Letzteres wurde aber ärztlich ausgeschlossen. Und auch wenn er nicht zum Liftwart ging, hatte der Verletzte noch am selben Tag eine Unfallchirurgie aufgesucht. Bei seiner Art von Verletzung müssen sich die Schmerzen zu Beginn auch nicht so schlimm anfühlen.
Das Landesgericht Innsbruck sprach dem Skifahrer knapp 9800 Euro Schadenersatz zu. Zwar habe man die Ursache für den Unfall nicht abschließend klären können. Aber dem Skifahrer sei der Nachweis gelungen, dass seine Verletzung
aus dem Liftbetrieb resultiere, und das reiche. Lifte unterliegen dem strengen Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG), das eine verschuldensunabhängige Haftung normiert. Entscheidend ist die Gefahr, die durch den Betrieb eines Lifts entsteht. Zahlen muss der Betreiber zwar dann nicht, wenn das Unglück auf das Verhalten des Geschädigten zurückgeht. Doch ebendieses ließ sich hier nicht beweisen.
„Komische Figur“glaubwürdig
Der Liftbetreiber machte vor dem Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) geltend, dass die Aussagen des Verletzten und eines Begleiters zur Frage, ob der Skifahrer den Bodenkontakt am Lift verloren habe, nicht ganz übereinstimmen würden. Das sah das OLG anders. Es sei lebensnah, dass man als Beobachter nicht genau darauf achte, ob sich wirklich beide Ski in der Luft befanden, während dieser sah, dass der Mann hochgehoben wurde. Und die Schilderung, dass der Verunfallte am Lift „eine komische Figur abgegeben habe“, spreche für eine Erinnerung des Zeugen.
Die Beweislast dafür, dass der Mann schuld sei, obliege dem Liftbetreiber, betonte das OLG. Dem Verletzten könne man aber nicht vorwerfen, dass er den Bügel nicht losgelassen habe. Denn bei einer plötzlichen Gefahr dürfe man falsche Entscheidungen treffen. Das Urteil des OLG (5R 22/23h) ist rechtskräftig, der Mann erhält Geld.