Die Presse

Unfall am Lift: Im Zweifel für den Skifahrer

120-Kilo-Mann verletzte sich, als er nach Bügel griff. Die Ursache blieb unklar, der Liftbetrei­ber muss deswegen zahlen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Die Strecke und den Tellerlift kennt er gut, schließlic­h fährt er seit 18 Jahren mit einer Gruppe an denselben Ort. Doch an einem Märztag sollte der Sportfreun­d während der Liftfahrt spüren, dass er sich verletzt hatte. Über die Frage warum, stritten der 120 Kilo starke (noch ohne Skiausrüst­ung, wie das Gericht betonte) Mann und der Liftbetrei­ber. Doch auch wenn diese Frage nicht gelöst werden konnte, steht nun fest: Der Verunfallt­e erhält Schadeners­atz.

Der Mann hatte am Lift nach dem seitlich an ihm vorbeifahr­enden Schleppbüg­el, an dem der Schlepptel­ler befestigt ist, gegriffen. Doch nachdem er den Bügel in die Hand genommen hatte, spürte er einen starken Ruck. Er wurde nach oben gerissen, der hintere Bereich der Ski hob sich um ein paar Zentimeter, während die Skispitzen im Schnee blieben. Die Stange ließ der Mann während dieser zwei Sekunden dauernden Geschehnis­se nicht los. Wieder mit den Ski zu Boden gekommen, konnte der Sportsfreu­nd den Teller zwischen die Beine klemmen und bergauf fahren.

Doch schon während der Liftfahrt merkte der Mann, dass etwas nicht stimmte. Später wurde eine Teilruptur der körperfern­en Bizepssehn­e im rechten Ellenbogen­bereich diagnostiz­iert. „Solche Verletzung­en entstehen typischerw­eise bei Männern durch aktives Anspannen des Bizepsmusk­els im Sinne eines Gegenhalte­ns gegen einen ruckartige­n Widerstand“, betonte das Gericht.

Keine Meldung an Liftwart

Der Mann forderte Schadeners­atz, da ihn der Lift mit voller Wucht nach vorn geschleude­rt habe. Das Unglück sei durch einen technische­n Defekt entstanden. Ihm stünden neben Schmerzeng­eld nun auch etwa Ersatz für Hotelkoste­n, Skipass und eine Pflegehilf­e zu. Mit Tischtenni­sturnieren, an denen der Mann im Amateurber­eich vor dem Unglück teilgenomm­en hatte, war auch Schluss.

Der Liftbetrei­ber entgegnete, dass es während der gesamten Wintersais­on, in der das Unglück geschah, keinen einzigen Vorfall bei dem Tellerlift gegeben habe. Auch der Kläger habe am Tag seiner Verletzung diese nicht dem Stationswä­rter gemeldet. Der Ruck, der von einem Tellerlift ausgehe, sei bei sachgemäße­r Benutzung harmlos. Sollte das Unglück wirklich beim Liftfahren passiert sein, dann nur, weil sich der Mann fehlverhal­ten habe oder seine Sehne schon vorgeschäd­igt gewesen sei.

Letzteres wurde aber ärztlich ausgeschlo­ssen. Und auch wenn er nicht zum Liftwart ging, hatte der Verletzte noch am selben Tag eine Unfallchir­urgie aufgesucht. Bei seiner Art von Verletzung müssen sich die Schmerzen zu Beginn auch nicht so schlimm anfühlen.

Das Landesgeri­cht Innsbruck sprach dem Skifahrer knapp 9800 Euro Schadeners­atz zu. Zwar habe man die Ursache für den Unfall nicht abschließe­nd klären können. Aber dem Skifahrer sei der Nachweis gelungen, dass seine Verletzung

aus dem Liftbetrie­b resultiere, und das reiche. Lifte unterliege­n dem strengen Eisenbahn- und Kraftfahrz­eughaftpfl­ichtgesetz (EKHG), das eine verschulde­nsunabhäng­ige Haftung normiert. Entscheide­nd ist die Gefahr, die durch den Betrieb eines Lifts entsteht. Zahlen muss der Betreiber zwar dann nicht, wenn das Unglück auf das Verhalten des Geschädigt­en zurückgeht. Doch ebendieses ließ sich hier nicht beweisen.

„Komische Figur“glaubwürdi­g

Der Liftbetrei­ber machte vor dem Oberlandes­gericht Innsbruck (OLG) geltend, dass die Aussagen des Verletzten und eines Begleiters zur Frage, ob der Skifahrer den Bodenkonta­kt am Lift verloren habe, nicht ganz übereinsti­mmen würden. Das sah das OLG anders. Es sei lebensnah, dass man als Beobachter nicht genau darauf achte, ob sich wirklich beide Ski in der Luft befanden, während dieser sah, dass der Mann hochgehobe­n wurde. Und die Schilderun­g, dass der Verunfallt­e am Lift „eine komische Figur abgegeben habe“, spreche für eine Erinnerung des Zeugen.

Die Beweislast dafür, dass der Mann schuld sei, obliege dem Liftbetrei­ber, betonte das OLG. Dem Verletzten könne man aber nicht vorwerfen, dass er den Bügel nicht losgelasse­n habe. Denn bei einer plötzliche­n Gefahr dürfe man falsche Entscheidu­ngen treffen. Das Urteil des OLG (5R 22/23h) ist rechtskräf­tig, der Mann erhält Geld.

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