Glasner lässt die Adler wieder fliegen
Das Traumdebüt von Oliver Glasner bei Crystal Palace deutet an, zu welchen Höhenflügen der neue Trainer die Londoner führen könnte. Doch nun steigen die Erwartungen.
Die Geduld von Oliver Glasner wurde zuletzt auf eine harte Probe gestellt. Zunächst musste er mehrere Tage warten, bevor ihn Crystal Palace am vergangenen Dienstag als neuen Trainer vorstellte. Der Amtsbeginn hatte sich verzögert, weil sein 76-jähriger Vorgänger Roy Hodgson wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus musste und der Londoner Vorstadtverein dem Rücktritt der Klublegende nicht vorgreifen wollte. Und bei seinem Debüt für Palace gegen den Aufsteiger FC Burnley dauerte es trotz deutlicher Überlegenheit am Samstag 67 Spielminuten, bis sich Glasner über das erste Tor seiner Mannschaft in der Premier League freuen durfte.
Die Erleichterung war ihm anzusehen: Glasner rannte auf den Platz, ballte die Fäuste und vollführte eine kleine Jubeleinlage, die an die Rundflüge des Palace-Adlers im Selhurst-Park-Stadion erinnerte. Ziel des Trainerwechsels war es ja, dass Glasner die blau-roten Adler, so der Spitzname des Klubs, wieder zum Fliegen bringt – und das gelang ihm auf Anhieb.
Euphorisiert in die Pubs
Das ansehnliche 3:0 durch Treffer von Chris Richards, Jordan Ayew und Jean-Philippe Mateta binnen elf Minuten deutete an, zu welchen Höhenflügen Glasner Palace führen könnte. Durch den zweiten Sieg in diesem Jahr entledigte sich der südlich der Themse gelegene Traditionsbetrieb der akut gewordenen Sorgen um den Klassenerhalt. Der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt wieder acht Punkte, auch der Anschluss an das hintere Tabellenmittelfeld ist geschafft.
Die Fans wirkten nach dem höchsten Ligaheimsieg seit knapp zwei Jahren so euphorisiert wie nie in dieser Saison. Sie würdigten den
Trainer mit anerkennendem Applaus. Glasner lobte deren Unterstützung: Er fand, die Palace-Anhänger sollten „in die Pubs ziehen und ein, zwei Bier trinken“. Er plante, den Tag beim Abendessen mit der Familie ausklingen zu lassen.
Mit der Verpflichtung von Glasner unternimmt Palace den dritten Anlauf in sieben Jahren, eine attraktive Spielweise zu implementieren. Beide vorherigen Versuche scheiterten, 2017 mit Frank de Boer und 2023 mit Patrick Vieira. Der Klub geriet in Abstiegsnot und engagierte jeweils den für seinen Pragmatismus bekannten Hodgson. Dieser bewahrte seinen Kindheitsverein stets vor dem Absturz. Dieses Muster gilt es zu durchbrechen. Ähnlich wie bei seinen Bundesliga-Stationen Wolfsburg und Frankfurt soll Glasner das Team modernisieren. Momentan fehlen Palace mehrere verletzte Schlüsselspieler. Aber der Kader besitzt Potenzial, verfügt über hochtalentierte Profis. Erst im
Winter investierte der Klub 30 Millionen Euro in neue Spieler, so viel wie kein anderer Verein in der Premier League.
Diese Qualität kam gegen Burnley erstmals in dieser Saison wirklich zum Vorschein. Glasner setzte auf seine bewährte Grundordnung mit Dreierkette in der Abwehr. So hatte er schon Frankfurt 2022 zum Europa-League-Titel geführt, seinem bisher größten Erfolg. Die Palace-Spieler versuchten, sich mit schnellen, flachen Ballstafetten nach vorne zu kombinieren. Hoch flog der Ball bisweilen nur bei Spielverlagerungen und Flanken. Auf diese Art dominierte Palace das Geschehen – und fiel selbst nach dem Führungstor nicht in alte Passivität zurück. Der „Telegraph“kommentierte, die Herausforderung für Glasner bestehe nach dem gelungenen Einstand darin, zu beweisen, dass die Partie „keine vorübergehende Illusion“gewesen sei.
Palace als Sprungbrett
Eine überzogene Erwartungshaltung lässt sich daraus nicht ableiten. Seit dem Aufstieg 2013 schloss Palace nur eine Spielzeit in der oberen Tabellenhälfte ab – 2015 auf dem zehnten Platz. Glasner kann mit dem Klub also fast ausschließlich positiv überraschen und sich dadurch eventuell irgendwann für einen Spitzenklub empfehlen. Ein Titel oder selbst die Qualifikation für einen Europacupwettbewerb wirken in Anbetracht der Leistungsstärke der Liga vermessen. Dass Glasner bei seiner einstündigen Vorstellungsrunde, bei der er jeden Teilnehmer per Handschlag begrüßte, dennoch davon sprach, die Favoriten ärgern zu wollen, brachte ihm Sympathien ein.
Nach Ralph Hasenhüttl ist der 49-Jährige erst Österreichs zweiter Trainer in der Premier League. Sein Werdegang macht ihn zum Vorbild in der Heimat, weil er sich von der österreichischen Liga aus nach oben arbeitete. Auf diesem langen Weg bewies Glasner vor allem viel Geduld. Auch wenn sie nicht zu seinen größten Stärken zählt.