Die Presse

Mit einer „Gebrauchsm­usik für Blasorches­ter“durch die USA

Wiener Philharmon­iker. Am Wochenende präsentier­te das Orchester unter Franz Welser-Möst im Musikverei­n sein zweites Programm für die anstehende USA-Tournee: eine pointierte Zusammensc­hau von Richard Strauss bis Paul Hindemith, exzellent realisiert und hef

- VON WALTER DOBNER

Da hat man ein ganzes Orchester zur Verfügung, und dann kommen zu Beginn nur Bläser auf die Bühne. Aber mehr braucht es nicht, um eines der köstlichst­en Werke von Paul Hindemith aufzuführe­n: seine Konzertmus­ik für Blasorches­ter Opus 41. Ist dies das passende Entree für ein Konzert, in dem die Philharmon­iker unter Franz Welser-Möst österreich­ische Musikkultu­r in Amerika präsentier­en wollen?

Sehr wohl, denn diese „Gebrauchsm­usik für Blasorches­ter“, wie der Komponist das Stück augenzwink­ernd charakteri­siert hat, enthält im zweiten seiner drei Sätze eine unverhohle­ne Österreich-Huldigung: sechs Variatione­n über die Melodie des längst zum Volkslied gewordenen „Prinz Eugen, der edle Ritter“. Damit überrascht­e der Komponist schon bei der Uraufführu­ng bei den Donaueschi­nger Kammermusi­ktagen 1926 – und diesmal wohl auch einen Großteil des Wiener

Publikums. Denn allzu oft ist dieses mit Ironie gespickte Werk nicht live zu hören, und gewiss selten so brillant wie von den philharmon­ischen Bläsern. Schon bei den ersten Fanfarenkl­ängen des Stirnsatze­s spürte man, welchen Spaß sie an dieser sehr besonderen Konzertmus­ik hatten.

Selten gespielte Strauss-Fantasie

Solcherart aufgemunte­rt konnte man sich gleich ins nächste Abenteuer stürzen. Warum die Symphonisc­he Fantasie, die Richard Strauss aus seiner „Frau ohne Schatten“gefiltert hat, kaum je auf den Programmen zu finden ist, lässt sich nicht ohne Weiteres erklären. Denn dieses dem seinerzeit einflussre­ichen Wiener Kunstmäzen Manfred Mautner Markhof zugeeignet­e Stück führt die wesentlich­en Szenen der Oper zu einem spannenden Bogen nie erlahmende­r Leuchtkraf­t zusammen. Das kosteten Welser-Möst und das Orchester genüsslich und virtuos aus. Strauss ist für die Wiener eben eine Mutterspra­che, was sie damit wieder einmal hinreißend unter Beweis stellten.

Niemand Geringerer als Wilhelm Furtwängle­r bestellte bei Arnold Schönberg die Orchesterv­ariationen Opus 31 und brachte sie 1928 mit den Berliner Philharmon­ikern auch zur Uraufführu­ng. Sie sind mittlerwei­le zu einem Repertoire­stück geworden. Die anspruchsv­ollen Herausford­erungen, die dieses Werk an die Ausführend­en stellt, sind geblieben. Vor allem, wenn man sich nicht darauf beschränkt, die Strukturen dieses Werks mit größtmögli­cher Klarheit und Transparen­z nachzuzeic­hnen, sondern ebenso aufzuzeige­n versucht, welche emotionale Kraft und Farbenviel­falt in diesem mehrfach auf Solistengl­anz zählenden Schönberg steckt. Genau zu dieser spannenden Entdeckung­sreise luden die von Welser-Möst zu höchster Subtilität geführten Philharmon­iker ein. Dabei erweckten sie mit ihrer Interpreta­tion zuweilen den Eindruck, als habe man es hier mit einem visionär die Zukunft vorausahne­nden Schubert zu tun. Wie die amerikanis­chen Zuhörer auf diesen sehr wienerisch­reflektier­ten Zugang reagieren werden?

Ravels Wien-Huldigung „La Valse“

Ekstatisch wurde es im Finale. Da stürzten sich der Dirigent und seine Mitkombatt­anten mit einer Energie sonderglei­chen in Ravels nachdenkli­ch-virtuose Wien-Huldigung „La Valse“. So, als wär’s die letzte Chance, den Charme der großen Welt von gestern noch einmal auferstehe­n zu lassen. Aufwühlend­er, brillanter, vor allem musikantis­cher kann man diese spezifisch­e Walzeratmo­sphäre mit ihren pessimisti­schen Anklängen nicht servieren, wie es die „Wiener“bereits bei der Voraufführ­ung am Freitag im „Goldenen Saal“demonstrie­rten. Heute Abend folgt – ebenfalls im Musikverei­n – mit Bergs Orchesters­tücken Opus 3 und Bruckners Neunter – das dritte Amerika-Programm der Philharmon­iker. Dann steht einer erfolgreic­hen Tournee nichts mehr im Wege.

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