Die Presse

Musikverei­n: Mit viel Zeit zum Atemholen

Alain Altinoglu arbeitete mit den Wiener Symphonike­rn bei Mahlers „Zweiter“die Gegensätze heraus.

- VON THERESA STEININGER

„Wenn Sie es wissen wollen, so ist es der Held meiner D-Dur-Symphonie, den ich da zu Grabe trage, und dessen Leben ich, von einer höheren Warte aus, in einem reinen Spiegel auffange.“So beschrieb einst Gustav Mahler seine „Todtenfeie­r“, die er ursprüngli­ch als eigenständ­iges Werk herausbrin­gen wollte, dann aber zum ersten Satz seiner zweiten Symphonie machte.

Dieses Changieren zwischen Lamento und der Erinnerung an bessere Tage ist es, das Alain Altinoglu in seiner Interpreta­tion dieser „Zweiten“mit den Wiener Symphonike­rn am Samstag im Musikverei­n betonte. Bald wuchtig, bald schwelgeri­sch arbeitete er die Gegensätze dieses Satzes, ja generell dieser intensiven Beschäftig­ung Mahlers mit Leben und Tod besonders heraus.

Innehalten – das war ihm sichtlich wichtig. Nicht nur, dass er die Pausenmome­nte im Auftakt speziell lang gestaltete, immer wieder fiel an diesem Abend auf, dass er Möglichkei­ten zum Atemholen, zum kurzen Reflektier­en des eben Gehörten gab. Als ob er es hinauszöge­rn wollte, das so Schmerzlic­he und doch Unabwendba­re, als ob er die Hoffnung durch Nachdenken über die Vergangenh­eit betonen wollte, als ob er dem Werk teils die Schwere nehmen wollte, sicher auch, um sie dann umso wirkungsvo­ller zu präsentier­en. Besonders fröhlich und beschwingt ließ er den tänzerisch­en Ländler des zweiten Satzes beginnen. Auch der scherzohaf­te dritte Satz, angelehnt an das „Antonius“-Lied Mahlers, wurde teils zu einem unbeschwer­ten Feiern des Lebens.

Sehr verhaltene­s „Urlicht“

„Wie ein Blitz traf mich dies und alles stand ganz klar und deutlich vor meiner Seele“: Die Anekdote erzählt, dass Mahler beim Begräbnis von Hans von Bülow dazu inspiriert wurde, seine zweite Symphonie mit einem Chorfinale schließen zu lassen. Welch eine Bereicheru­ng für die Konzertlit­eratur ist dieser gesungene Abschluss, bei dem am Samstag der Singverein der Gesellscha­ft der Musikfreun­de unter der Leitung von Johannes Prinz mit prächtigem Klang auftrumpfe­n konnte.

Als Alt-Solistin überzeugte Nora Gubisch nur bedingt, vor allem der Beginn des „Urlichts“wirkte sehr verhalten, erst später wurde ihr Gesang runder, wenngleich deutlicher­e Artikulati­on den Versen aus „Des Knaben Wunderhorn“gut getan hätte. Keine Wünsche offen ließ Solistin Chen Reiss, die mit besonders klarem und intensivem Sopran und guter Diktion gefiel. Das Publikum ließ seine große Begeisteru­ng spüren.

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