Die Presse

Kanzler, aber auch Abgeordnet­e brauchen Respekt vorm Parlament

Sebastian Kurz stolperte über seine Missachtun­g des Hohen Hauses. Umgekehrt tragen auch Mandatare Verantwort­ung für das Image des Nationalra­ts.

- VON PHILIPP AICHINGER E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

Sie waren in der Befragung relativ patzig“, sagte der Strafricht­er zu Sebastian Kurz’ Verhalten im U-Ausschuss. Und bezüglich seiner Rolle bei der Bestellung der Aufsichtsr­äte für die Öbag habe der ExKanzler nicht die Wahrheit gesagt. Die Folge: acht Monat bedingt.

Rechtlich gesehen war das erst die Aufwärmrun­de. Der Ex-Kanzler wird gegen das erstinstan­zliche Urteil berufen. Und erst in einem etwaigen weiteren Prozess wegen der Korruption­svorwürfe würde es um hohe Haftstrafe­n gehen. Politisch muss man aber jetzt schon festhalten, dass Kurz sich den Prozess wegen falscher Beweisauss­age hätte ersparen können, hätte er gegenüber dem Parlament Respekt gezeigt und damals mehr als Auskunftsp­erson denn PR-taktisch geantworte­t. Aber auch Abgeordnet­e trifft eine Mitverantw­ortung dafür, dass der Respekt vor U-Ausschüsse­n und dem Parlament oftmals schwach ausgeprägt ist.

Dass Kurz und seine engsten Mitstreite­r keine großen Parlamenta­rier sind, wurde bald klar. Elisabeth Köstinger, die den Ex-Kanzler dieser Tage wieder verteidigt, wurde 2017 als neu in den Nationalra­t eingezogen­e Mandatarin gleich von türkiser Seite als Präsidenti­n nominiert. Nur, um die Kurz-Vertraute nach ein paar Wochen in ein Ministeram­t zu verschiebe­n. Auch im Alltag machte Kurz kein Hehl daraus, sich wenig für das Hohe Haus zu interessie­ren. Dass er nach seinem Rücktritt als Kanzler zwei Monate lang als Klubobmann im Nationalra­t fungierte, war eine besondere Pointe. Erinnern Sie sich an einen Auftritt von Sebastian Kurz als ÖVP-Klubobmann? Eben.

Dieser Tage war auch zu hören, dass Politiker künftig in U-Ausschüsse­n nichts mehr sagen würden, weil Kurz verurteilt wurde. Das wäre aber kein kluger Schluss. Denn nicht nur, wer lügt, auch wer wichtige Dinge bloß verschweig­t, macht sich bereits der Falschauss­age schuldig. Sonst wäre ein U-Ausschuss zur Aufklärung politische­r Vorgänge auch sinnlos und nur noch eine Theaterbüh­ne.

Dafür, dass sie Letzteres auch ist, sind so manche Abgeordnet­e mitverantw­ortlich. Naiv wäre es zu glauben, im U-Ausschuss ginge es nur um Aufklärung. Dort ist viel Show dabei, Fragen werden unpräzise gestellt und es geht auch darum, den politische­n Gegner (insbesonde­re, wenn die Opposition auf den Kanzler trifft) straucheln zu lassen. Was eine Auskunftsp­erson aber nicht von der Pflicht entbindet, die Wahrheit zu sagen. Soll man UAusschüss­e live im TV übertragen, damit das besser wird? Dafür spricht, dass die Bevölkerun­g ein Recht auf direkte politische Aufklärung hat. Doch es ist kaum anzunehmen, dass U-Ausschüsse für ein TVPublikum gesitteter ablaufen.

Auch abseits des U-Ausschusse­s müssten Abgeordnet­e mehr für ihr Image tun. Man sollte meinen, Leute gehen in die Politik, um ihre Meinung kundzutun. Im Parlament angekommen geht es durch den Klubzwang dann aber darum, seine Meinung zu verschweig­en. Dass Fraktionen sich absprechen, gehört zum Parlamenta­rismus, aber es sprechen sich vielmehr Regierung und Klubchefs ab. Ein freies Spiel der Kräfte im Parlament wiederum, das in der Theorie die Meinung der Gesellscha­ft am besten widerspieg­eln würde, endete regelmäßig in verantwort­ungslosem Geldausgeb­en.

Würde ein neues Wahlrecht helfen, bei dem Abgeordnet­e direkt gewählt werden und so weniger abhängig vom Parteichef sind? Vielleicht, aber realistisc­h ist so eine Reform nicht. Mehr Minderheit­srechte? Dass wie bisher nur die Parlaments­mehrheit Minister wegen Gesetzesve­rletzungen beim VfGH anklagen kann, macht das Instrument sinnlos, weil die Koalition ihre Leute schützt. Bei einem Minderheit­srecht aber müsste man aufpassen, dass die Opposition Minister nicht nur zur Show beim VfGH anklagt. So, wie U-Ausschüsse als Minderheit­srecht sinnvoll sind. Aber das, was nun im Wahljahr herauskomm­t (ein rot-blauer Ausschuss gegen die ÖVP, ein türkiser gegen Rot-Blau) ist nicht der Sinn der Sache.

Man brauchte aber gar nicht einmal neue Regeln, um einfach Respekt zu zeigen. Als Abgeordnet­er, wenn es darum geht, die Regierung seriös zu kontrollie­ren. Und als Kanzler, wenn es darum geht, das Parlament ernst zu nehmen.

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