Kanzler, aber auch Abgeordnete brauchen Respekt vorm Parlament
Sebastian Kurz stolperte über seine Missachtung des Hohen Hauses. Umgekehrt tragen auch Mandatare Verantwortung für das Image des Nationalrats.
Sie waren in der Befragung relativ patzig“, sagte der Strafrichter zu Sebastian Kurz’ Verhalten im U-Ausschuss. Und bezüglich seiner Rolle bei der Bestellung der Aufsichtsräte für die Öbag habe der ExKanzler nicht die Wahrheit gesagt. Die Folge: acht Monat bedingt.
Rechtlich gesehen war das erst die Aufwärmrunde. Der Ex-Kanzler wird gegen das erstinstanzliche Urteil berufen. Und erst in einem etwaigen weiteren Prozess wegen der Korruptionsvorwürfe würde es um hohe Haftstrafen gehen. Politisch muss man aber jetzt schon festhalten, dass Kurz sich den Prozess wegen falscher Beweisaussage hätte ersparen können, hätte er gegenüber dem Parlament Respekt gezeigt und damals mehr als Auskunftsperson denn PR-taktisch geantwortet. Aber auch Abgeordnete trifft eine Mitverantwortung dafür, dass der Respekt vor U-Ausschüssen und dem Parlament oftmals schwach ausgeprägt ist.
Dass Kurz und seine engsten Mitstreiter keine großen Parlamentarier sind, wurde bald klar. Elisabeth Köstinger, die den Ex-Kanzler dieser Tage wieder verteidigt, wurde 2017 als neu in den Nationalrat eingezogene Mandatarin gleich von türkiser Seite als Präsidentin nominiert. Nur, um die Kurz-Vertraute nach ein paar Wochen in ein Ministeramt zu verschieben. Auch im Alltag machte Kurz kein Hehl daraus, sich wenig für das Hohe Haus zu interessieren. Dass er nach seinem Rücktritt als Kanzler zwei Monate lang als Klubobmann im Nationalrat fungierte, war eine besondere Pointe. Erinnern Sie sich an einen Auftritt von Sebastian Kurz als ÖVP-Klubobmann? Eben.
Dieser Tage war auch zu hören, dass Politiker künftig in U-Ausschüssen nichts mehr sagen würden, weil Kurz verurteilt wurde. Das wäre aber kein kluger Schluss. Denn nicht nur, wer lügt, auch wer wichtige Dinge bloß verschweigt, macht sich bereits der Falschaussage schuldig. Sonst wäre ein U-Ausschuss zur Aufklärung politischer Vorgänge auch sinnlos und nur noch eine Theaterbühne.
Dafür, dass sie Letzteres auch ist, sind so manche Abgeordnete mitverantwortlich. Naiv wäre es zu glauben, im U-Ausschuss ginge es nur um Aufklärung. Dort ist viel Show dabei, Fragen werden unpräzise gestellt und es geht auch darum, den politischen Gegner (insbesondere, wenn die Opposition auf den Kanzler trifft) straucheln zu lassen. Was eine Auskunftsperson aber nicht von der Pflicht entbindet, die Wahrheit zu sagen. Soll man UAusschüsse live im TV übertragen, damit das besser wird? Dafür spricht, dass die Bevölkerung ein Recht auf direkte politische Aufklärung hat. Doch es ist kaum anzunehmen, dass U-Ausschüsse für ein TVPublikum gesitteter ablaufen.
Auch abseits des U-Ausschusses müssten Abgeordnete mehr für ihr Image tun. Man sollte meinen, Leute gehen in die Politik, um ihre Meinung kundzutun. Im Parlament angekommen geht es durch den Klubzwang dann aber darum, seine Meinung zu verschweigen. Dass Fraktionen sich absprechen, gehört zum Parlamentarismus, aber es sprechen sich vielmehr Regierung und Klubchefs ab. Ein freies Spiel der Kräfte im Parlament wiederum, das in der Theorie die Meinung der Gesellschaft am besten widerspiegeln würde, endete regelmäßig in verantwortungslosem Geldausgeben.
Würde ein neues Wahlrecht helfen, bei dem Abgeordnete direkt gewählt werden und so weniger abhängig vom Parteichef sind? Vielleicht, aber realistisch ist so eine Reform nicht. Mehr Minderheitsrechte? Dass wie bisher nur die Parlamentsmehrheit Minister wegen Gesetzesverletzungen beim VfGH anklagen kann, macht das Instrument sinnlos, weil die Koalition ihre Leute schützt. Bei einem Minderheitsrecht aber müsste man aufpassen, dass die Opposition Minister nicht nur zur Show beim VfGH anklagt. So, wie U-Ausschüsse als Minderheitsrecht sinnvoll sind. Aber das, was nun im Wahljahr herauskommt (ein rot-blauer Ausschuss gegen die ÖVP, ein türkiser gegen Rot-Blau) ist nicht der Sinn der Sache.
Man brauchte aber gar nicht einmal neue Regeln, um einfach Respekt zu zeigen. Als Abgeordneter, wenn es darum geht, die Regierung seriös zu kontrollieren. Und als Kanzler, wenn es darum geht, das Parlament ernst zu nehmen.