Die Presse

Ein Zombie-Ausschuss im Parlament?

Die Höchstrich­ter entscheide­n, ob der von der ÖVP beantragte U-Ausschuss rechtskonf­orm ist. Davon hängt ab, ob Akten geliefert werden und Zeugen aussagen müssen.

- VON MARTIN FRITZL UND KLAUS KNITTELFEL­DER

In rund zwei Wochen, am 13. März, sollen die Befragunge­n im Untersuchu­ngsausschu­ss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“starten. Ob das wirklich so sein wird, ist noch offen. Denn diese Woche befasst sich der Verfassung­sgerichtsh­of mit Aktenliefe­rungen an diesen von der ÖVP beantragte­n U-Ausschuss. Und da wird es auch um die grundsätzl­ichere Frage gehen, ob der Untersuchu­ngsgegenst­and verfassung­srechtlich korrekt formuliert wurde.

SPÖ und FPÖ haben sich an die Höchstrich­ter gewandt. Die beiden Opposition­sparteien wollten von ÖVP-Ministern dieselben Unterlagen, die die ÖVP von sozialdemo­kratischen und freiheitli­chen Ressortche­fs angeforder­t hatten, was die Koalitions­mehrheit abgelehnt hatte. Diese Entscheidu­ng sei rechtswidr­ig, weil der gesamte Untersuchu­ngsgegenst­and rechtswidr­ig sei, so die Begründung.

Dazu muss man wissen: Gegenstand eines U-Ausschusse­s darf nur ein abgeschlos­sener Vorgang in der Bundesverw­altung sein. Dieses Grundprinz­ip ist in der Vergangenh­eit immer schon sehr großzügig ausgelegt worden, sachliche und zeitliche Zusammenhä­nge wurden konstruier­t, um dem Gesetz genüge zu tun. Diesmal aber, so die Argumentat­ion der Opposition, gebe es die einheitlic­he Klammer nicht, die die unterschie­dlichen Themen zusammenha­lte. Schon der Fokus auf SPÖ und FPÖ sei ein „unsachlich­er Zusammenha­ng“. Die beiden Parteien hätten nichts miteinande­r zu tun. Zudem seien verschiede­ne Themen wie Inseratenv­ergaben, Untersuchu­ng der Staatsanwa­ltschaften und gar der gesamten Bundesverw­altung in dem Antrag enthalten. Und auch der Untersuchu­ngszeitrau­m von 2007 bis 2020 sei sehr weit gefasst. „Ein Paradefall von Unzulässig­keit“, heißt es aus dem SPÖ-Klub.

Und was passiert, wenn die Höchstrich­ter tatsächlic­h zu dem Schluss kommen, dass der Untersuchu­ngsgegenst­and rechtswidr­ig

ist? Darüber herrscht derzeit großes Rätselrate­n. Juristisch wäre das „Neuland“, sagt Parlaments­experte Werner Zögernitz, einst ÖVP-Klubdirekt­or. Denn normalerwe­ise würden derlei Grundsatzf­ragen ja bei der Einsetzung geklärt.

VfGH gibt die Richtung vor

Verfassung­srechtspro­fessor Peter Bußjäger erklärt, dass jedenfalls ein neuer Untersuchu­ngsgegenst­and definiert werden müsste, sofern der VfGH den alten als ungültig klassifizi­ert. Sonst könne der Ausschuss schließlic­h nicht funktionie­ren. Den U-Ausschuss abdrehen könne der VfGH aber auch nicht. Möglich wäre, dass der U-Ausschuss zwar weiter existiert, aber niemand gezwungen werden kann, Akten zu liefern oder dort auszusagen, so die Vermutung der SPÖ. Ein ZombieAuss­chuss quasi – tot und lebendig zugleich. Aus der Parlaments­direktion heißt es, dass der VfGH wohl die weitere Vorgehensw­eise nahelegen würde.

Nicht nur SPÖ und FPÖ klagen

über fehlende Akten, auch die ÖVP hat bisher wesentlich­e Teile der angeforder­ten Unterlagen nicht bekommen. Auch da geht es um die Frage, ob die Anforderun­gen rechtlich gedeckt sind. Es ist laut ÖVPFraktio­nschef Andreas Hanger das vordringli­chste Anliegen des UAusschuss­es, Skandale der ihm zufolge „im Wesen korrupten“Freiheitli­chen neu aufzurolle­n.

Und da geht es um Vorgänge, die mit der Bundesverw­altung – und nur die darf das Parlament kontrollie­ren – recht wenig zu tun haben. Die ÖVP will nämlich die Lieferung von Akten aus dem Verfahren zum Grazer FPÖ-Finanzskan­dal mit mutmaßlich veruntreut­en Fördergeld­ern. Und sie will die rund 20 Jahre alte Causa „Ideenschmi­ede“nochmals aufrollen. Da geht es um Aufträge des Landes Kärnten an eine Werbeagent­ur, wobei der Verdacht der Kickback-Zahlungen an die FPÖ bestand. Involviert war der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl, gegen den allerdings nie ermittelt wurde.

In beiden Fällen geht es also ganz offensicht­lich um keine Vorgänge in der Bundesverw­altung. Um sie in den U-Ausschuss zu holen, versuchte die ÖVP einen Kunstgriff, der schon in früheren Fällen erfolgreic­h angewandt wurde: Sie will die Ermittlung­en der Justiz in diesen Fällen prüfen.

Zadić wartet auf den VfGH

Justizmini­sterin Alma Zadić verweigert allerdings dem Koalitions­partner zumindest bisher die Akten. Zur Begründung zieht sie den Untersuchu­ngsgegenst­and heran: Der sei auf Handlungen von SPÖund FPÖ-Mitglieder­n der Bundesregi­erung eingeschrä­nkt. Und die haben eben nicht das Justizmini­sterium geführt. Wie die Sache ausgeht, ist noch unklar: In einem der „Presse“vorliegend­en Brief erklärte das Justizress­ort dem Parlament, dass man „um Verständni­s“wegen der ausgeblieb­enen Lieferung bitte, man müsse aber jedenfalls noch eine Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts abwarten.

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[APA/Erwin Scheriau] Geht es nach der ÖVP, wird die Amtszeit von Herbert Kickl wesentlich­es Thema in ihrem U-Ausschuss.

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