Die zwei Welten des Wiener Fußballs
Rapid beendet den Austria-Fluch und beginnt Pläne für die Meistergruppe. Für die Veilchen verwelkt diese Option.
Was ein 3:0-Sieg im österreichischen Fußball nicht alles schlagartig verändern kann. Mit Abpfiff war Rapid postwendend alle leidigen Sprüche rund um einen „Fluch“los, dass man im 2016 eröffneten Allianz-Stadion nicht in der Lage sei, gegen Austria zu gewinnen. Auch sind vorerst alle Debatten nach zwölf sieglosen Duellen verhallt, dass der Schaulauf um die Nummer 1 in Wien verstolpert wird. Österreichs populärster Fußballklub steht nun vor dem Einzug in die Meistergruppe, zwei Runden fehlen noch zur nicht allseits geliebten Tabellenteilung und damit zur Trennung vieler Fußballwelten und lokaler -Sinnfragen. Besiegt Rapid Tabellenschlusslicht Austria Lustenau, leuchtet Grün in den Top sechs der Liga.
Das voraussichtlich letzte Wiener Derby dieser Saison lässt trotzdem nachdenken. Nicht über die Güte des Spiels, Rapids Offensive und Austrias
Starre, sondern die schier einzementierte Rollenverteilung.
Rapid wähnt sich nach dem Trainerwechsel zu Robert Klauß im Hoch, und Legenden über zuvor nie so intensiv gehörte Motivationsgespräche durch CoTrainer Stefan Kulovits in der Kabine dokumentieren, dass frischer Wind durch Hütteldorf weht. Dass der Cup die einzige Titelchance (zuletzt 1995) ist, bleibt trotzdem die reale Bestandsaufnahme. Meister werden entweder wieder Salzburg oder Sturm Graz. Rapid, zuletzt 2008 Champion, ist auch als Derbysieger von dieser Feier meilenweit entfernt.
Austria zeigte in diesem Frühjahr oft beeindruckendes Spiel, doch im Vergleich mit dem Stadtrivalen fiel diese Feststellung wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Violett ist nur Tabellenachter, vier Punkte fehlen auf Platz sechs und Rapid. Bei zwei offenen Runden ist es – außer es passiert bei zwei eigenen Siegen Unmögliches im Galopp mit Niederlagen von SCR, WAC, Hartberg oder Klagenfurt – kaum vorstellbar, dass Violett oben auftaucht. Man muss davon ausgehen, das Auslangen erneut in der „Qualifikationsgruppe“finden zu müssen. Es gibt also kein Derby mehr, dafür nur das Streben nach dem Europacup-Play-off.
Reißen Erfolge ab, wachsen Unbehagen und Kritik zusammen. Natürlich dreht sich jetzt in Favoriten wieder alles nur um die schiefe Finanzlage, die nahe Abgabe der Lizenzunterlagen (Frist bis 4. März) oder heulen im Hintergrund Zweifel an Trainer Michael Wimmer mitsamt irritierenden Rufen nach neuen Spielern wie Aleksandar Dragović auf, obwohl man mit dem ÖFB-Veteranen weder je gesprochen noch verhandelt hat, geschweige denn in der Lage zu sein scheint, seine hohe Gage stemmen zu können. Als weiterer Ballast wirken Fragen zu Transfers, die von Sportvorstand Jürgen Werner, der zudem als Investor auftritt, getätigt wurden. Die Kadersituation wird nebst Finanzen und Zukunft sicher heftig debattiert bei der für Dienstagabend anberaumten Generalversammlung.
Bei Rapid gibt es, erstmals seit gefühlten Ewigkeiten, keine Nebengeräusche. Das ist eigentlich der wahre Gewinn aus dem 342. Wiener Derby.
Rapid genügt jetzt ein Sieg gegen Lustenau. Austria muss zweimal siegen und auf Patzer der anderen hoffen.