Die Presse

Neue Regeln für künstliche Intelligen­z

Mit dem Artificial Intelligen­ce Act will die EU Risiken beim Einsatz künstliche­r Intelligen­z in den Griff bekommen. Je höher das Risiko, desto strenger die Auflagen.

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So fasziniere­nd die Möglichkei­ten künstliche­r Intelligen­z sein mögen, die neue Technologi­e hat ihre Risiken. Kriminelle etwa haben kürzlich einen Mitarbeite­r bei einer Videokonfe­renz mittels eines KI-generierte­n virtuellen Vorgesetzt­en angewiesen, einen höheren Geldbetrag zu überweisen – was dieser prompt tat, er war sicher, dass das Gegenüber am Bildschirm sein Chef war. Um solche und andere Missbräuch­e zu verhindern, hat die Europäisch­e Union jetzt einen rechtliche­n Rahmen für den KI-Einsatz geschaffen. Die politische Einigung wurde im vergangene­n Dezember erzielt. Der finale Artificial Intelligen­ce (AI) Act soll bis April vorliegen und noch in der laufenden EU-Legislatur­periode in den EU-Gremien beschlosse­n werden.

Regelungen direkt wirksam

Die Regelungen wirken nach ihrer Veröffentl­ichung direkt in jedem Mitgliedsl­and ohne Umsetzung in nationales Recht. Für einzelne Inhalte soll es Übergangsf­risten von bis zu drei Jahren geben. Gelten wird der EU AI Act für alle, die KI entwickeln bzw. innerhalb der EU anbieten oder nutzen und damit für einen großen Teil der heimischen Wirtschaft. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder – bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des weltweiten Umsatzes.

Dass alle Akteure in die Pflicht genommen werden, findet Alexandra Ciarnau, Co-Leiterin der Digital Industries Group bei Dorda Rechtsanwä­lte und auf IT-/IP- und Datenschut­zrecht spezialisi­ert, sinnvoll. Denn das Risiko einer KI hängt nicht nur davon ab, was sie leisten kann, sondern vor allem wie sie eingesetzt wird – und das wisse der KI-Entwickler nicht zwingend. „Es wird also auf einen engen Diskurs zwischen Entwickler, Importeur und Anwender hinauslauf­en“, meint Ciarnau.

Wobei Anwendern oft nicht bewusst ist, dass sie KI überhaupt einsetzen. „Prinzipiel­l könnte jede Prozessaut­omatisieru­ng KI-unterstütz­t

sein, aber nicht alles, was automatisi­ert abläuft, ist KI“, erklärt Ciarnau. Sie empfiehlt eine rechtzeiti­ge Bestandsau­fnahme, wo und wie prozessunt­erstützte Entscheidu­ngen stattfinde­n, und die Definition eines KI-Verantwort­lichen im Betrieb, der das Thema beobachtet und den AI Act immer mitdenkt, etwa

bei Softwarene­uanschaffu­ngen oder bei Budgetplan­ungen.

Konkrete Leitlinien gefragt

Die Wirtschaft­skammer Wien steht dem AI Act grundsätzl­ich positiv gegenüber. Sie fordert aber die Vermeidung von Überreguli­erungen und Doppelglei­sigkeiten und wünscht rasch Leitlinien zur Umsetzung der Vorgaben. Ciarnau sieht das EU AI Office in der Pflicht, diese Leitlinien auszuarbei­ten und erwartet, dass dies nach Vorliegen des AI Acts in seiner finalen Fassung geschehen wird. Außerdem erwartet die Rechtsexpe­rtin die baldige Entwicklun­g von Standards, um über entspreche­nd zertifizie­rte KI-Komponente­n den Aufwand für den Einzelnen zu senken.

Die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen der EU basieren auf vier Risikostuf­en – je höher das Risiko, desto strenger die Auflagen. KI-Systeme

mit inakzeptab­lem Risiko wie beispielsw­eise Social Scoring oder Möglichkei­ten zur Manipulati­on von Personen sind dann grundsätzl­ich verboten. Für jede Stufe sind Maßnahmen definiert, die schädliche Auswirkung­en auf Sicherheit, Gesundheit oder Grundrecht­e von Menschen verhindern sollen.

Diesen „human centric approach“hält Rechtsanwä­ltin Ciarnau für besonders bemerkensw­ert: „Der risikoabhä­ngige Pflichtenk­atalog ist eine der Stärken des AI Acts“, sagt sie. Die IT-Expertin betont, dass für den Einsatz künstliche­r Intelligen­z schon jetzt eine Fülle von Rechtsvors­chriften gelte, etwa die Datenschut­zgrundvero­rdnung, das Konsumente­nschutzges­etz, Diskrimini­erungsverb­ote oder das Urheberrec­htsgesetz. „Wir bewegen uns mit KI nicht im rechtsfrei­en Raum, nur weil der EU AI Act noch nicht gilt.“

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[Getty Images] KI bringt viele Chancen, kann aber auch missbrauch­t werden. Letzteres soll der AI Act der EU verhindern.

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