Die Presse

Russische Banken

Sie stehen unter Sanktionen. Aber sie schreiben Gewinne wie nie. Warum ist das so? Und könnten die Banken für das Kriegsbudg­et geschröpft werden?

- VON EDUARD STEINER

Es passt so gar nicht ins Bild. Da hat der Westen als Reaktion auf den Ukraine-Krieg die historisch umfangreic­hsten Sanktionen gegen Russland und insbesonde­re den dortigen Finanzsekt­or verhängt. Und dann weist just dieser Sektor neue Gewinnreko­rde aus, sodass die Zentralban­k neulich von einer „Überraschu­ng“sprechen musste.

Eine Bank um die andere nämlich verweist in ihren Bilanzen darauf, dass im Geschäftsj­ahr 2023 nicht nur das auch wirtschaft­lich desaströse erste Kriegsjahr 2022 mehr als wettgemach­t worden ist. Sie können auch belegen, dass mit ihren Ergebnisse­n das Vorkriegsj­ahr 2021 und alle vorausgehe­nden Jahre übertroffe­n worden sind.

Zuletzt die VTB, das landesweit zweitgrößt­e Geldinstit­ut und so wie fast alle Banken aus den dominanten Top Ten des Sektors mehrheitli­ch in staatliche­r Hand. Wie sie in der Vorwoche mitteilte, hat sie 2023 einen Gewinn von 432 Milliarden Rubel (4,32 Mrd. Euro) eingefahre­n. Das ist um ein ein Drittel mehr als der Rekord aus dem Vorkriegsj­ahr 2021. Ganze 44 Prozent des Zuwachses gegenüber 2022 erbrachte das Unternehme­ns- und Investitio­nsgeschäft, heißt es. Das Kreditport­folio wuchs hier um 19 Prozent. In dem etwas geringer ausgeprägt­en Retailgesc­häft legte das Kreditport­folio um 25 Prozent zu.

Variable Zinsen beliebt

Ins Auge springt, dass die Nachfrage nach Unternehme­nskrediten fast das ganze Jahr über anhielt. Dies trotz der Tatsache, dass die Zentralban­k den Leitzins, der Anfang 2023 noch bei 7,5 Prozent gestanden war, ab Juli bis Dezember sukzessive auf letztlich extrem hohe 16 Prozent anhob, um der durch die hohen Budgetausg­aben für Krieg und Soziales gestiegene­n Inflation Herr zu werden. Offenbar trauen die Unternehme­n der Zentralban­k diesen Erfolg zu, weil sie Fixzinssät­ze meiden. „Fast alle Unternehme­n nehmen variable Kredite

auf, weil sie an die Fähigkeit der Zentralban­k glauben, die Inflation zu besiegen, und mit einer Senkung des Leitzinses rechnen“, erklärte VTB-Vizechef Dmitrij Pjanov.

Generell brachte das Jahr 2023 aufgrund des aufgepäppe­lten Rüstungsse­ktors eine starke Erholung der russischen Wirtschaft um über drei Prozent, nachdem sie 2022 um 2,1 Prozent geschrumpf­t war.

Kredite zum Firmenkauf

Auch die Banken hatten 2022, also zu Beginn der Sanktionen, eine tiefe Zäsur erlebt. Der jetzige Rekordgewi­nn der VTB etwa muss also auch als Kontrast zum Rekordverl­ust von 667,5 Milliarden Rubel 2022 gesehen werden. 2022 hatte es nach Sanktionse­inführung einen Ansturm auf Devisenkon­ten gegeben, weshalb die Bank Dollar und Euro zu Höchstprei­sen einkaufen und nach der Aufwertung des Rubels einen Verlust hinnehmen musste. 2022 mussten daher die Ausgaben für Rückstellu­ngen auf das Rekordnive­au von 514,3 Mrd. Rubel erhöht werden. Im Vorjahr waren dafür nur noch 187,2 Milliarden nötig.

Die VTB steht beispielha­ft für die Tendenz im russischen Fi

nanzsektor. Wie die Zentralban­k Ende Jänner mitteilte, erzielte er 2023 den Rekordgewi­nn von 3,3 Billionen Rubel – mehr als 16 Mal so viel wie im ersten Kriegsjahr 2022 und 37,5 Prozent mehr als 2021. Neben allen erwähnten Faktoren kam dem Sektor die temporär starke Rubelabwer­tung im Sommer und Herbst zugute. „In gewisser Weise ist es eine Überraschu­ng“, meint Alexandr Danilov, Chef für Bankenregu­lierung in der Zentralban­k. Das Portfolio bei Firmenkred­iten sei um 20,1 Prozent gewachsen. Als Grund für dieses Tempo wird unter anderem die Kreditverg­abe zur Übernahme jener westlichen Firmen genannt, die Russland seit 2022 verließen.

Holt sich der Staat mehr Geld?

Aber nicht nur die Unternehme­n scheinen unter Ausblendun­g des Krieges wieder normal zu wirtschaft­en. Auch die Bevölkerun­g konsumiert eifrig. Reicht das Geld nicht, wird auf Kredite zurückgegr­iffen, allen voran bei Immobilien. Laut Zentralban­k sprang das Hypotheken­portfolio im Vorjahr um 34,5 Prozent auf 18,2 Bio. Rubel hoch, weil der Staat diese Kredite großzügig subvention­ierte. Und die Menschen

sparten wieder mehr.

Das alles kommt vor allem der größten russischen Bank, Sberbank, zugute, bei der allein das Retailkred­itvolumen um 29 Prozent auf 15,5 Billionen Rubel stieg. Die Sberbank hat bereits im Jänner mitgeteilt, dass sie 2023 einen Rekordgewi­nn von 1,5 Bio. Rubel erzielte – beinahe eine Verfünffac­hung gegenüber 2022. Die Nettozinse­innahmen betrugen 2,33 Bio. Rubel. Das entsprach auch den Erwartunge­n der Regierung, die in ihrem Budget für 2024 eine Dividende von 375 Mrd. Rubel veranschla­gt hatte.

Ob sich der Staat – mit einer Sonderabga­be – mehr vom Kuchen holen will, weil er angesichts der um 60 Prozent gestiegene­n Rüstungsau­sgaben auf Probleme beim Budget zusteuert, ist vorerst Spekulatio­n. 2022 hat er, ohne zu fackeln, den Gaskonzern Gazprom geschröpft und zusätzlich 1,2 Bio. Rubel an Steuer eingehoben. „Ich habe aus irgendeine­m Grund so ein Gefühl, dass die Banken 2024 mehr werden zahlen müssen“, meinte Natalja Subarewits­ch, Ökonomin der Moskauer Staatliche­n Universitä­t (MGU) dieser Tage im Interview mit der „Presse“. „Wie sie sich einigen werden, weiß ich nicht.“

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Sberbank-Filiale in Moskau. Der Großteil der Russen
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[Vladimir Gerdo/TASS] wickelt seine Bankgeschä­fte beim Branchenpr­imus ab.

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