Israel-Feindlichkeit als Common Ground in der Kulturszene?
Die Berlinale-Gala war in ihrer politischen Ausrichtung erschreckend einseitig. Und nun wird über Israels Beitrag zum Song Contest debattiert.
Von einem „bizarren Israel-Bashing“schrieb die „Süddeutsche Zeitung“, „Das Publikum bejubelte eher die antiisraelischen Statements als die Filme“, hielt die „FAZ“fest, und die „Welt“urteilte: „Man kann eigentlich nur hoffen, dass sich wenigstens irgendjemand ein bisserl schämt.“Fast einhellig gaben die deutschen Feuilletons am Tag nach der Berlinale die Bestürzung über deren Abschlussgala wieder.
Tatsächlich war diese Veranstaltung von völlig einseitigen Stellungnahmen gegen Israel geprägt. Die Macher des Dokumentarfilms „No Other Land“– über das Westjordanland – nannten die Politik Israels „unmenschlich und ignorant“, der Film stehe über jeder Kritik, erklärte darauf eine Jurorin. Der Regisseur von „Direct Action“, einer Doku über militante Proteste in Frankreich, sprach, ein Palästinensertuch um die Schultern, von „Genozid“in Gaza. Im Publikum wurden geballte Fäuste erhoben.
Alle klatschten, auch die Vertreter der Politik. Zum Schluss rief Mati Diop, Gewinnerin des Goldenen Bären: „I stand in solidarity with Palastine!“Kein Wort von den Gräueltaten der Hamas, von deren Gefangenen. Nicht einmal den maßvollen Slogan „Bring them home“hörte man. Die Berlinale-Leitung distanzierte sich nur von Inserts mit dem Slogan „Free Palestina – From the River to the Sea“, die auf der Internetseite der BerlinaleSektion Panorama erschienen waren.
So bleibt der Eindruck, dass ein Großteil der Kunstfilmszene sich auf Israel als gemeinsamen Gegner einigen kann und alle, die das nicht so sehen, sich nichts zu sagen trauen. Offenbar
hat sich unter den Verfechtern des Postkolonialismus – einer Ideologie, die in der Kunstwelt derzeit höchst beliebt ist – ein antiisraelisches Weltbild durchgesetzt, in dem der Staat Israel stellvertretend für den Kolonialismus attackiert wird, als Repräsentant „des Nordens“, der sich am „Globalen Süden“schuldig gemacht habe und mache. Eine Sündenbocktheorie, die in einer antisemitischen Tradition steht. Die antiisraelischen und propalästinensischen Rufe haben dabei schon etwas Rituelles, Bekenntnishaftes, sie haben auch die früher bei solchen Veranstaltungen üblichen Parolen gegen die USA und den Kapitalismus weitgehend abgelöst.
Wie man in Europas Kultur mit diesem so schlichten wie erschreckenden Weltbild umgeht, das wird sich bald auch in einem breitenwirksameren Genre zeigen: in der bereits laufenden Debatte über den israelischen
Beitrag zum Eurovision Song Contest. Die diesen veranstaltende European Broadcast Union prüft derzeit, ob der Song „October Rain“einen politischen Inhalt hat, was beim Song Contest unerwünscht ist.
Der Songtext, der ein wenig an U2 erinnert, behandelt dabei recht abstrakt einen „mysterious ride“, nur der Titel, der Satz „Take me home“und allenfalls das Wort „flowers“(angeblich ein Code für Kriegstote) könnten als Anspielung auf die Hamas-Untaten gelesen werden. Kein Vergleich mit „1944“, dem ukrainischen Beitrag des Jahres 2016, der unmissverständlich die Vertreibung der Krimtataren behandelte und dennoch – wohl zu Recht – zugelassen wurde und auch gewann. Wird Israel, dessen schieres Existenzrecht von so vielen negiert wird, ähnliche Solidarität erfahren?
Unter den Verfechtern der in der Kulturwelt derzeit gefragten Ideologie des Postkolonialismus hat sich offenbar ein antiisraelisches Weltbild durchgesetzt.