Auf gute Kooperation! Aber wie?
Von der WG bis zur Klimakonferenz: Wo sich mehrere ein Gut teilen, gibt es oft Probleme. Werden sie größer oder kleiner, wenn der Reichtum ungleich verteilt ist?
Es frustriert mich, wenn ich die Zeitung lese“, sagt Valentin Hübner. Etwa bei Artikeln über die Klimadebatte: „Alle wissen, was getan werden muss, aber es passiert zu wenig.“Mit dieser Klage ist der junge Mathematiker nicht allein. Doch die Probleme dahinter sind knifflig: Sollen reiche Industriestaaten wie Österreich und Deutschland Vorreiter spielen und weit mehr in den Klimaschutz investieren als andere? Ein mögliches Argument dafür: Bei uns haben solche Investitionen einen besonders hohen Nutzen für den Planeten, weil neue Technologien zum Einsatz kommen, die viele übernehmen können. Andere sagen hingegen: Wir verpulvern nur unsere Geld, wenn wir vorpreschen, während China oder Indien laufend neue Kohlekraftwerke bauen.
Wer hat recht? Und wie bringt man überhaupt 195 Staaten dazu, dauerhaft zu kooperieren? Solche Fragen stehen hinter Hübners spieltheoretischen Modellen zu öffentlichen Gütern. Seine jüngste Studie, die er mit einem Team am Ista (Institute of Science and Technology Austria) in Klosterneuburg erarbeitet hat, könnte die Forschung ein gutes Stück voranbringen (Pnas, 26. 2.).
In einer Studenten-WG ist es noch einfach. Man kennt einander, trifft sich jeden Tag und weiß: Ich muss heute den Abwasch machen, sonst tun es meine Mitbewohner den Rest der Woche auch nicht. Wenn du nehmen willst, dann gib. In der Sprache der Spieltheoretiker und Verhaltensökonominnen: Die Kooperation ist umso stabiler, je weniger Teilnehmer die Gruppe hat und je öfter diese interagieren. Viel schlechter sieht es aus, wenn die Gruppe sehr groß und anonym ist. Dann ist es immer rationaler, den Trittbrettfahrer zu spielen – selbst nichts beizutragen und darauf zu setzen, dass die anderen es tun. Das führt zur sprichwörtlichen „Tragödie der Allmende“: Was allen gratis gehört, ist den Einzelnen nichts wert und wird übernutzt – vermüllte Parks, dreckige Strände, schlechte Luft. Da können wir froh sein, wenn die Regierung uns Egoisten die Entscheidung abnimmt – durch Steuern, die öffentliche Güter finanzieren, und Strafen, die sie schützen.
Zwischen Staaten gibt es diesen Schiedsrichter nicht. Trotzdem müssen sie bei globalen öffentlichen Gütern wie dem Klimaschutz kooperieren. Es gibt reiche und arme Staaten. Sie haben, abstrakt gesagt, ungleiche Ressourcen. Und sie können unterschiedlich wirksam zum Gemeinwohl beitragen – in der
Sprache des „Öffentliche-Güter-Spiels“: Sie sind nicht gleich produktiv. Das haben bisherige Modelle meistens ausgeklammert. Das neue aus Österreich berücksichtigt es, und sogar für beliebig viele Teilnehmer.
Die komplizierte Mathematik dahinter ersparen wir uns. Aber was dabei herauskommt, lässt sich anhand eines Beispiels plausibel machen: Mehrere Einfamilienhäuser teilen sich eine Zufahrt, die Bewohner müssen sie selbst vom Schnee räumen. Wer packt an? Am besten alle. Aber wenn das nicht selbstverständlich ist? Einige Haushalte haben mehr Ressourcen als andere, etwa mehr Zeit oder bessere Schaufeln. Und einige sind produktiver als andere, weil ihre Schneeräumer mehr Muskelkraft haben.
Wann Ungleichheit förderlich ist
Was zeigt hier das Modell? „Von dem mit der besseren Schneeschaufel erwarten wir, dass er mehr beiträgt, und dann ist es gut, wenn er auch produktiv ist“, also kräftig, erklärt Hübner. In kleinen Gruppen lohnt sich das auch für ihn selbst. Das überraschende Ergebnis: Ein gewisses Maß an Ungleichheit kann hier förderlich sein. Bei immer mehr Teilnehmern
aber wird der Vorteil der eigenen Produktivität immer kleiner. Hier sollten Ressourcen möglichst gleich verteilt sein, damit die Teilnehmer kooperieren. Für jede Gruppengröße gilt: Ganz blöd ist, wenn der mit der besten Schneeschaufel schwach ist, sich also große Ressourcen mit geringer Produktivität paaren. Das ist beim Beispiel des Klimaschutzes gottlob nicht der Fall. Aber ist die Zahl der Staaten klein genug, dass es für Österreich rational ist, aus Eigennutz zu kooperieren? Oder muss hier die Moral ins Spiel kommen?
Innerhalb eines Staates entbindet die Obrigkeit uns von solchen Dilemma-Situationen. Entscheiden müssen wir nur am Wahltag. Und weil es etwa mehr Leute gibt, die keinen großen Garten haben und auf den öffentlichen Park angewiesen sind, gewinnen immer Parteien, die für den Park auch die Reichen zur Kassa bitten. Aber es gibt die „alternative Investition“: Wenn es den Reichen zu viel wird, bringen sie ihr Geld dorthin, wo sie weniger Steuern zahlen. Oder sie spenden lieber, weil sie glauben, dass sie selbst ihr Geld produktiver einsetzen als der Staat. Zu Unrecht? Man sieht: Es geht um mehr als Theorie. Und es steht viel auf dem Spiel.