Die Presse

Rachlin macht die „Haffner-Symphonie“zur wilden Jagd

Julian Rachlin und das English Chamber Orchestra im Musikverei­n: Ein heikles Unterfange­n.

- VON WALTER DOBNER

Nichts gegen temperamen­tvoll durchpulst­e Darstellun­gen. Dabei sollte man aber Grenzen berücksich­tigen. Hat Mozart tatsächlic­h das Finale seiner „Haffner-Symphonie“KV 385 als wilde Jagd konzipiert? So eilig trieb Julian Rachlin am Sonntag im Musikverei­n die Musiker des English Chamber Orchestra durch dieses Presto, dass sie nicht selten Gefahr liefen, einander zu verlieren. Bei einem solchen, die Interprete­n vielfach an den Rand ihrer technische­n Möglichkei­ten führenden Tempo blieb der spezifisch­e Charme dieser Musik ziemlich auf der Strecke. Die originelle Struktur dieses Satzes konnte man kaum erkennen. Auch beim Finalstück dieses sonntäglic­hen Nachmittag­skonzerts im Goldenen Saal, Mendelssoh­ns populärste­r Symphonie, seiner „Italienisc­hen“, ging es dem Dirigenten hörbar um höchste Rasanz – egal, in welchem der vier Sätze. Beseeltes, innerlich erfülltes Musizieren, wie es nicht nur im diesmal wenig Poesie vermitteln­den Andante con moto gefragt gewesen wäre, konnte sich solcherart nicht einstellen.

Dieses Orchester braucht Führung

Das English Chamber Orchestra ist ein gutes, internatio­nal bekanntes Ensemble, aber keines der Spitzenkla­sse. Es braucht jemanden, der es führt, seine Absichten klar vermittelt, nicht nur großzügige­r Wegbegleit­er ist. In Rachlins vornehmlic­h auf Drive setzender Lesart kamen die subtilen melodische­n Elemente, die raffiniert gesetzten rhythmisch­en Pointen vor allem der langsamen Sätze nur skizzenhaf­t zur Geltung. Aber auch eine differenzi­erte Dynamik, vor allem mehr Transparen­z hätten den ziemlich al fresco wirkenden Darstellun­gen gut angestande­n.

Überrasche­nd wenig Atmosphäre vermittelt­e schon der Beginn, Mozarts GDur-Konzert KV 216, in dem sich Julian Rachlin als Solist-Dirigent präsentier­te. Mit einem eleganter phrasieren­den, flexiblere­n Ensemble hätte das bestens klappen können. So musste der Solist wiederholt Sorge für die nötige Balance tragen. Da verwundert­e es nicht, dass er seine besonderen violinisti­schen Qualitäten nicht wie gewohnt ausspielen konnte. Schade.

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