Rachlin macht die „Haffner-Symphonie“zur wilden Jagd
Julian Rachlin und das English Chamber Orchestra im Musikverein: Ein heikles Unterfangen.
Nichts gegen temperamentvoll durchpulste Darstellungen. Dabei sollte man aber Grenzen berücksichtigen. Hat Mozart tatsächlich das Finale seiner „Haffner-Symphonie“KV 385 als wilde Jagd konzipiert? So eilig trieb Julian Rachlin am Sonntag im Musikverein die Musiker des English Chamber Orchestra durch dieses Presto, dass sie nicht selten Gefahr liefen, einander zu verlieren. Bei einem solchen, die Interpreten vielfach an den Rand ihrer technischen Möglichkeiten führenden Tempo blieb der spezifische Charme dieser Musik ziemlich auf der Strecke. Die originelle Struktur dieses Satzes konnte man kaum erkennen. Auch beim Finalstück dieses sonntäglichen Nachmittagskonzerts im Goldenen Saal, Mendelssohns populärster Symphonie, seiner „Italienischen“, ging es dem Dirigenten hörbar um höchste Rasanz – egal, in welchem der vier Sätze. Beseeltes, innerlich erfülltes Musizieren, wie es nicht nur im diesmal wenig Poesie vermittelnden Andante con moto gefragt gewesen wäre, konnte sich solcherart nicht einstellen.
Dieses Orchester braucht Führung
Das English Chamber Orchestra ist ein gutes, international bekanntes Ensemble, aber keines der Spitzenklasse. Es braucht jemanden, der es führt, seine Absichten klar vermittelt, nicht nur großzügiger Wegbegleiter ist. In Rachlins vornehmlich auf Drive setzender Lesart kamen die subtilen melodischen Elemente, die raffiniert gesetzten rhythmischen Pointen vor allem der langsamen Sätze nur skizzenhaft zur Geltung. Aber auch eine differenzierte Dynamik, vor allem mehr Transparenz hätten den ziemlich al fresco wirkenden Darstellungen gut angestanden.
Überraschend wenig Atmosphäre vermittelte schon der Beginn, Mozarts GDur-Konzert KV 216, in dem sich Julian Rachlin als Solist-Dirigent präsentierte. Mit einem eleganter phrasierenden, flexibleren Ensemble hätte das bestens klappen können. So musste der Solist wiederholt Sorge für die nötige Balance tragen. Da verwunderte es nicht, dass er seine besonderen violinistischen Qualitäten nicht wie gewohnt ausspielen konnte. Schade.