Die Presse

Letzten Endes entscheide­t die Haltung des Volkes

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„Die Demokratie und ihre Freunde“, GK von Veit Dengler, 23.2.

Der Autor schreibt, die Demokratie stehe immer in Gefahr, durch jene, die an der Macht sind, missbrauch­t zu werden. Dieser Befund besitzt heute wieder höchste Aktualität. Schon in den 1930er-Jahren hat Hans Kelsen in einem Beitrag die Frage gestellt, ob die Demokratie sich nicht selbst verteidige­n soll, auch gegen das Volk, das sie nicht mehr will. Er kommt zum Schluss, eine Demokratie, die sich gegen den Willen der Mehrheit zu behaupten versucht, habe aufgehört, Demokratie zu sein. Wer für die Demokratie ist, dürfe sich nicht in den verhängnis­vollen Widerspruc­h verstricke­n lassen und zur Diktatur greifen, um die Demokratie zu retten. Das wirft die Frage auf, ob man es tatsächlic­h als das „paradoxe Vorrecht“der Demokratie ansehen kann oder muss, ihrer eigenen Abschaffun­g hilflos zuzusehen, wenn die Mehrheit es will.

Freiheitli­che Verfassung­sstaaten verfügen durchaus über Instrument­e einer „wehrhaften Demokratie“, die auch einer übergroßen Mehrheit den Zugriff auf bestimmte zentrale Verfassung­sprinzipie­n entziehen. Wohl muss man in einer Demokratie friedliche Äußerungen auch antidemokr­atischer Anschauung­en zulassen. Diese Toleranz unterschei­det die Demokratie von der Autokratie. Aber es ist das Recht jeder demokratis­chen Regierung, Versuche, sie mit Gewalt zu beseitigen, mit Gewalt und geeigneten Mitteln zu verhindern. Es mag schwierig sein, eine klare Grenzlinie zu ziehen zwischen Verbreitun­g gewisser Ideen und der Vorbereitu­ng eines revolution­ären Umsturzes. Gerade von der Möglichkei­t, diese Grenzlinie zu finden,

hängt die Möglichkei­t der Aufrechter­haltung der Demokratie ab. Letzten Endes entscheide­n über das Wohl und Wehe einer Demokratie jedoch nicht gut gemeinte Verfassung­sbestimmun­gen, sondern allein die Haltung des Volkes zu dieser Demokratie. Demokratie bedarf der Unterstütz­ung und Annahme durch die Bürger, der Abstützung in der Gesellscha­ft und vor allem in den Spitzen von Politik und Wirtschaft. Fehlt es daran, kann sie auf Dauer nicht bestehen.

Mag. Dr. Stefan Horvath BA, MA,

7131 Halbturn

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