Alles für die Großmacht Russland, koste es, was es wolle
Wladimir Putin hält sich nicht an lang bestehende Verträge, wie die Erklärung der Unabhängigkeit der Ukraine 1991.
Die Geschichtsklitterung ist leider weitverbreitet. Es ist sogar möglich, die Geschichte im Nachhinein umzuschreiben. Jüngst wurde bekannt, dass Putin die Entscheidung der russischen Regierung von 1867 für den Verkauf von Alaska für illegal (also ungültig) erklärte. Die Alaska-Frage wird in Russland seit dem Krieg gegen die Ukraine immer wieder aufgeworfen, um die USA für ihre Unterstützung Kiews zu bestrafen. So tauchten Im sibirischen Krasnojarsk riesige Werbetafeln mit der Aufschrift auf: „Alaska gehört uns!“.
Das Magazin „Newsweek“berichtete im Juli 2022 über diese Einschüchterungsversuche durch Russland und stellte fest, dass der Sprecher der Staatsduma (Parlament), als Reaktion auf die USSanktionen vorschlug, die Rückgabe Alaskas auf die Tagesordnung zu setzen. Der Vize-Vorsitzende der Staatsduma wiederum empfahl, in Alaska ein Referendum über die Rückkehr nach Russland abzuhalten. Man kann das als groben Unfug abtun, aber man sollte es nicht einfach beiseiteschieben. Putin hat schließlich selbst bei einem Treffen mit jungen russischen Unternehmern im Juni 2022 erklärt: Das Ziel der Rückeroberung der Ukraine sei „die Wiederherstellung Russlands als Großmacht“. Dies sei seine historische Mission.
Alaska mit seinen 1,7 Millionen Quadratkilometern ist der größte Bundesstaat der USA, er ist ca. fünfmal so groß wie Deutschland. Wie kam es erst in russische, dann in amerikanische Hände? Im 18. Jahrhundert annektierte das Russische Reich Alaska, von dem es nur durch die schmale Beringstraße getrennt ist. Die Meerenge zwischen Asien und Amerika ist 82 Kilometer breit und im Winter zugefroren, somit passierbar. So kamen die russischen Siedler auf die andere Seite. Es ließen sich nur zwei- bis dreitausend in Alaska nieder. Die lokale Bevölkerung bestand aus sieben- bis neuntausend Einwohnern. Die meisten Russen lebten von der Pelzjagd. Alaskas riesige natürliche Ressourcen, wie Gold, Zink, Blei und Silber, wurden erst später entdeckt.
Im Jahr 1857 forderte Großherzog Konstantin, der jüngere Bruder des Zaren, in einem Memorandum den Verkauf Alaskas. „Es ist vorhersehbar“, schrieb er „dass die Vereinigten Staaten von Amerika nach ganz Nordamerika expandieren und uns dort unsere Kolonie wegnehmen werden, die wir weder behalten noch später zurückbekommen können.“Der russische Zar stimmte zu und hielt es tatsächlich für besser, Alaska zu verkaufen.
Der Landkauf der Amerikaner
Hier muss man den Namen eines weitgehend vergessenen amerikanischen Politikers erwähnen: William Henry Seward. Er war ein Zeitgenosse Lincolns, Präsidentschaftskandidat, Außenminister. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg spielte General Seward durch Landkäufe eine wichtige Rolle bei der Expansion der USA.
Landkauf war eigentlich nichts Neues, im Fall Amerikas spielte er jedoch eine besonders wichtige Rolle. Seward wollte nämlich sowohl Grönland als auch Island kaufen. Er reagierte sehr schnell, als Alaska „auf den Markt“kam. Im Auftrag der US-Regierung zahlte er 7,2 Millionen Dollar, nach heutigem Wert 125 Millionen Dollar. Damit wurde Alaska im Oktober 1867 offiziell Teil der USA. Mit seinen knapp 700.000 Einwohnern ist es immer noch ein dünn besiedelter Bundesstaat. Wie man sieht, spielte der Landkauf bei der Gestaltung des Territoriums der USA eine wichtigere Rolle als Kriege. Im Jahr 1803 kaufte Präsident Thomas Jefferson für drei Cent pro Morgen 2,6 Millionen km2
Louisiana von Frankreich. Das Gebiet war viel größer als der heutige Bundesstaat Louisiana, so wurde die Fläche der jungen Vereinigten Staaten verdoppelt.
Über die mexikanischen Gebiete muss man gesondert sprechen. Im Jahr 1845 annektierten die USA Texas, dies führte von 1846 bis 1848 zum US-mexikanischen Krieg. Er kostete ca. 12.000 Amerikaner das Leben, war aber ein voller militärischer Erfolg. Im Februar 1848 unterzeichneten die beiden Länder den Friedensvertrag von Guadalupe Hidalgo. Dabei zwang der Sieger USA den Verlierer Mexiko, riesige Gebiete zu „verkaufen“. Die USA „kauften“etwa die Hälfte des Territoriums Mexikos, insgesamt 1,3 Millionen km2 für 18,5 Millionen Dollar. Damals wurden die Gebiete des heutigen Arizona, Kalifornien, Colorado, Nevada, New Mexico, Utah und Wyoming ganz oder teilweise den USA zugeschlagen.
Mexiko hält sich dran
All das könnte Mexiko nun für ungültig erklären, tut es aber nicht, denn es hält sich an den damals geschlossenen Kaufvertrag. Europäische Länder wie Dänemark, Schweden, Finnland, Deutschland und Polen könnten ihre derzeitigen Grenzen ebenfalls infrage stellen.
Auch Viktor Orbán könnte den Versailler Friedensvertrag von 1920 oder den Pariser Friedensvertrag von 1947 für Ungarn als illegal erklären. Er hat ja keinen unterschrieben.
1991 erkannte Russland (Jelzin) die Unabhängigkeit der Ukraine an. Die USA und 68 andere Staaten folgten umgehend. Nicht so Putins Russland. Nach der Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 griff Putin 2022 die Ukraine an. Mit dieser Aggression hat er seine „historische Mission“begonnen. Dabei scheint er auch einen Dritten Weltkrieg in Kauf zu nehmen.