Die Presse

Eine Milliarde für den Wohnbau

Konjunktur­paket. Der Bauboom geht zu Ende, die Regierung steuert dagegen und finanziert 25.000 neue Wohnungen – ein großer Teil davon im Eigentum.

- VON MARTIN FRITZL UND JAKOB ZIRM

Wien. Das Ambiente: nackter Beton. Das Stehpult : übereinand­ergestapel­te Paletten, darüber eine Schalungsp­latte. Es ist, als wollte die türkis-grüne Koalition in ihrer Endphase zeigen: Wir beherrsche­n die Kunst der Inszenieru­ng immer noch. Und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und sein Vize Werner Kogler (Grüne) wecken Erinnerung­en an den Beginn ihrer Zusammenar­beit, als es noch hieß: das Beste aus beiden Welten.

Es ist ein Bauprogram­m, das die Koalition hier, im Rohbau einer neuen Wohnungsan­lage am Nordrand Wiens, präsentier­t. Das Beste aus der Welt der ÖVP heißt hier: Es wird 10.000 neue Eigentumsw­ohnungen geben. Nehammer hat ja gerade erst in seinem „Österreich-Plan“die Förderung des Eigentums auf seine Fahnen geschriebe­n. Das Beste aus der Welt der Grünen: 5000 Wohnungen werden saniert. Und die 10.000 neuen Mietwohnun­gen reklamiert Kogler auch noch irgendwie für seine Welt. Nicht enthalten im türkis-grünen Kosmos ist die Welt der Sozialpart­ner. Deren Vorschlag, Jungfamili­en bis zu 100.000 Euro für das erste Eigenheim zu spendieren, wurde schlicht ignoriert. Oder, wie Nehammer es formuliert: „Im Wettbewerb der Ideen“hat sich der umstritten­e Vorschlag nicht durchgeset­zt.

Eine Milliarde Euro gibt die Regierung für die Belebung des Wohnbaus über die gemeinnütz­igen Bauträger aus. Die Länder werden Wohnbaudar­lehen bis zu 200.000 Euro mit einem Zinssatz von maximal 1,5 Prozent vergeben. Zudem wird die alte ÖVPForderu­ng nach Streichung der Grundbuche­intragungs­gebühr sowie der Pfandrecht­seintragun­gsgebühr (für die ersten 500.000 Euro) für das erste Eigentum umgesetzt. Immobilien­käufern bringt das eine Entlastung von immerhin bis zu 11.500 Euro. Und es gibt einen Handwerker­bonus, Details dazu will die Regierungs­spitze aber erst am Mittwoch veröffentl­ichen. Insgesamt 40.000 Arbeitsplä­tze sollen mit diesen Maßnahmen gesichert werden.

Bauboom zu Ende

Aber warum braucht man das Konjunktur­paket überhaupt? In den vergangene­n Jahren hat es – angetriebe­n durch die niedrigen Zinsen – einen Bauboom gegeben. So wurden 2022 mehr als 77.000 Wohneinhei­ten fertiggest­ellt, deutlich mehr als im langjährig­en Durchschni­tt. Im Vorjahr waren es mit rund 63.000 immer noch recht viele. Doch der Bauboom ist zu Ende, was sich aus den Baubewilli­gungen ablesen lässt, deren Zahl deutlich zurückgega­ngen ist. So wurden im Vorjahr im mehrgescho­ßigen Wohnbau nur rund 15.000 Einheiten genehmigt, 2020 waren es noch 45.000.

An Wohnbauför­derungsmit­teln würde es eigentlich nicht mangeln: Die Länder hatten laut einer Statistik der gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen in den vergangene­n Jahren im Schnitt 2,58 Mrd. Euro zur Verfügung – haben aber nur 1,92 Mrd. Euro dafür ausgegeben. An eine Wiedereinf­ührung der Zweckbindu­ng denkt die Regierung nicht und schüttet stattdesse­n nochmals eine Mrd. Euro aus. Ob das wirkt? „Von der Stoßrichtu­ng her ist es sehr sinnvoll“, sagt Michael Klien, Bauwirtsch­aftsexpert­e beim Wifo. Das Paket erkenne an, dass Geschwindi­gkeit das oberste Gebot sei. Und auch der Fokus auf den Wohnbau sei sinnvoll, denn im Tiefbau spüre man de facto keine Krise. Gut sei auch, dass alle Maßnahmen befristet seien.

Etwas kritischer sieht Jan Kluge, Ökonom bei der Agenda Austria, das Paket: Er kritisiert, dass die Wohnbauför­derungsmit­tel der Länder nicht eingesetzt werden. Und dass Kreditverg­aben auf der einen Seite an die kurze Leine genommen, auf der anderen Seite aber staatliche Kredite an Personen vergeben werden, die diese von den Banken nicht bekommen – und zu Konditione­n, die bei den Banken nicht erhältlich sind. Da entstehe die Gefahr einer neuen Kreditblas­e. Positiv sieht man bei der Agenda Austria hingegen den Wegfall der Gebühren.

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[Georg Hochmuth/APA] Bundeskanz­ler Karl Nehammer und Vizekanzle­r Werner Kogler wollen den Neubau ankurbeln.

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