Die Presse

Noch einmal das „Beste aus beiden Welten“– aber mit Schattense­iten

Das Wohnbaupak­et der Regierung ist stimmig. Die Regierung kann also noch, wenn sie will. Strukturel­l sinnvolle Änderungen ließ man aber liegen.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails: jakob.zirm@diepresse.com

Und sie bewegt sich doch. War die türkis-grüne Bundesregi­erung im Jänner mit der Erwartungs­haltung baldiger Neuwahlen bereits endgültig abgeschrie­ben worden, hat sie mit dem am Dienstag vorgelegte­n Wohnbaupak­et eine vernünftig­e Einigung vorgelegt. So kommt das Paket angesichts der sich drastisch verschlech­ternden Situation am Bau zwar mit Verspätung, aber es ist sowohl von Zielrichtu­ng als auch Ausmaß stimmig, so auch eine erste Einschätzu­ng des Wifo.

Die Regierung hat nicht nur der sozialpart­nerschaftl­ichen Verwirrung der Vorwoche mit einem geforderte­n Bonus von bis zu 100.000 Euro widerstand­en, auch sonst ist die Größenordn­ung mit einer Milliarde auf drei Jahre so, dass das Paket einen Effekt haben wird, ohne den Versuch starten zu wollen, den Boom der vergangene­n Jahre am Bausektor weiter fortführen zu wollen. Denn das wäre erstens kaum finanzierb­ar und zweitens ein volkswirts­chaftliche­r Unsinn.

Die geplanten zusätzlich­en 20.000 neuen Wohnungen (dazu noch 5000 Sanierunge­n), die durch die Bundesförd­erung nun schneller gebaut werden sollen, entspreche­n rund der Hälfte des jährlichen Neubauvolu­mens während der vergangene­n Boomjahre. Und sie befinden sich auch im mehrgescho­ßigen verdichtet­en Wohnbau, bei dem sowohl ökonomisch als auch ökologisch der größtmögli­che Output für jeden Fördereuro erzielt werden kann. Sogar ein bisschen das „Beste aus beiden Welten“– also das Ursprungsv­ersprechen von Türkis-Grün – blitzt wieder durch. So soll je die Hälfte auf soziale Mietwohnun­gen sowie geförderte Eigentumsw­ohnungen entfallen.

Das Ziel, jeden Job in der Bauwirtsch­aft zu erhalten, wie etwa von der Gewerkscha­ft in jüngster Zeit gefordert wurde, wird dieses Paket nicht erfüllen können. Das ist aber auch nicht die Aufgabe der Politik. Denn zu einem gewissen Grad ist der Einbruch der Baukonjunk­tur auch eine natürliche Folge der Nullzins-Party der vergangene­n Jahre. Ein Gesundschr­umpfen der Branche ist daher nicht nur logisch, sondern sogar notwendig.

Was das Paket allerdings abmildern kann, sind die Folgen einer zu geringen Wohnbaulei­stung bei demografis­chem

Wachstum. Denn stagnieren­des Angebot sorgt bei steigender Nachfrage zu höheren Preisen. Und laut Wifo ist die Inflations­spirale bei den Mieten erst im Begriff, sich schneller zu drehen. 2022 lag die Teuerung bei Wohnungsmi­eten noch unter der allgemeine­n Inflation. Heuer soll sie mit gut zehn Prozent bereits deutlich darüber liegen. Auch hier darf man sich durch das Paket jetzt keine Wunder erwarten, vor allem aufgrund der längeren Vorlaufzei­ten beim Bau. In den kommenden Jahren dürfte der Preisauftr­ieb dadurch aber etwas verringert werden.

Aber wo Licht ist, ist bekanntlic­h auch Schatten. Und das trifft auch auf dieses Paket zu. So ist es zwar fein, dass der Bund zusätzlich­es Geld für die Wohnbauför­derung lockermach­t. Dafür gibt es aber eigentlich ein spezielles Vehikel in Form des Wohnbauför­derungsbei­trages, der in Form von Lohnnebenk­osten bei jedem Arbeitsver­hältnis in Österreich anfällt. Und da dieses Geld seit 2008 nicht mehr zweckgewid­met ausgegeben werden muss, fließt es bei den verantwort­lichen Ländern mitunter auch ins allgemeine Budgetloch. In Zeiten niedriger Zinsen war das kein Problem, da auch ohne Förderunge­n genug gebaut wurde. Künftig dürfte dieses Geld jedoch wieder dringend gebraucht werden. Man hätte das aktuelle Paket also auch nutzen können, um hier auch strukturel­l Weichenste­llungen in diese Richtung zu setzen.

Dasselbe gilt für andere Teile des Pakets wie den temporären Entfall gewisser Nebengebüh­ren beim Kauf der „ersten Wohnung“. Nicht nur, dass die geplante Regelung Unschärfen bringt. Wer sich etwa kein Eigentum in der benötigten Größe leisten kann und neben der Mietwohnun­g etwas Kleineres zur Anlage kauft, fällt nicht darunter. Auch hier sollte einmal das von Ökonomen seit Langem kritisiert­e System sehr hoher Transaktio­nsgebühren beim Wohnungska­uf, bei gleichzeit­ig sehr niedriger Grundsteue­r beim Besitz, grundsätzl­ich auf den Prüfstand gestellt werden. Dass die aktuelle Regierung für solche Reformen auch noch die Kraft hat, ist aber unwahrsche­inlich.

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