Die Presse

In der Roßauer Kaserne will keiner Soldaten in die Ukraine schicken

Der deutsche Verteidigu­ngsministe­r lehnt Macrons Vorstoß ab. Tanner wird noch deutlicher.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Wien. Der Gast im Verteidigu­ngsministe­rium, in der Roßauer Kaserne, ist in Deutschlan­d so etwas wie der Mann der Stunde. Und das obwohl er Mitglied der notorisch unbeliebte­n Ampel-Koalition ist und obwohl er Sätze sagt, wie sie von einem Verteidigu­ngsministe­r der Bundesrepu­blik davor kaum zu hören waren, darunter, dass Deutschlan­d „kriegstüch­tig“werden müsse. Als Boris Pistorius (SPD) am Dienstag bei Amtskolleg­in Klaudia Tanner (ÖVP) seinen Antrittsbe­such absolviert­e, dauerte es nicht lange, da wurde er auch vom Thema der Stunde eingeholt.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hatte Freund und Feind überrascht, als er mit Blick auf den Ukraine-Krieg nichts ausschließ­en wollte, auch nicht die Entsendung von Bodentrupp­en. Pistorius hält von dem Vorstoß sehr wenig. „Ja!“, antwortet er kurz und bestimmt auf die Frage, ob er einen solchen Bodeneinsa­tz ausschließ­en könnte. Tanner blickt den Gast zufrieden an. Die Antwort gefällt ihr. Die Einlassung­en Macrons redet Pistorius als „Denkanstoß“klein. Und: „Ich weiß nicht, was der Antrieb war.“Er glaube auch nicht, dass Bodentrupp­en „im vorrangigs­ten Interesse der Ukrainer“seien und er sei jedenfalls froh, dass Jens Stoltenber­g Stellung bezogen habe. Der Nato-Generalsek­retär hatte schon Stunden zuvor versucht, die Debatte wieder einzufange­n und öffentlich erklärt, die Nato plane keine TruppenEnt­sendung.

„Besorgnise­rregendes Signal“

Tanner wurde noch deutlicher. Sie bezeichnet­e Macrons Aussagen also „besorgnise­rregendes Signal“, genauso wie die Haltung des tschechisc­hen Präsidente­n. Petr Fiala hat Berichten zufolge 20 tschechisc­hen Staatsbürg­ern erlaubt, sich den ukrainisch­en Streitkräf­ten anzuschlie­ßen. Tanner sorgt sich nun vor einer weiteren Eskalation: „Wir müssen für Frieden sorgen und die Sprachlosi­gkeit der Diplomatie zu einem Ende bringen.“Solche rot-weiß-roten Appelle häufen sich. Schon am Vorabend hatte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Paris gedrängt, Wladimir Putin „zurück an den Verhandlun­gstisch zu holen“. Darauf angesproch­en, fragt Pistorius zunächst nach, ob sein Kanzler, ob Olaf Scholz, das gesagt habe. Nein, Nehammer. „Das hätte mich auch überrascht“, meint Pistorius. Jedenfalls: Putin könne den Krieg jederzeit beenden und „er sollte es schleunigs­t tun“.

Macrons Vorstoß erfolgt zu einem heiklen Zeitpunkt: Denn zeitgleich steht der deutsche Kanzler Scholz in der Kritik, weil er sein Nein zur Lieferung von TaurusMars­chflugkörp­ern an die Ukraine bekräftigt hat. Die Debatte kreist auch um die Frage, ob Deutschlan­d mit den Taurus Personal in die Ukraine schicken müsste. Zwar gehen die Meinungen auseinande­r. In der Praxis dürfte es bei den bestehende­n Einsatzkon­zepten aber ohne „tieferes Engagement“der Deutschen kaum gehen, meint Militärana­lyst Franz-Stefan Gady auf X. Aber das lehnt Scholz kategorisc­h ab. Pistorius lenkt die Debatte in Wien weg von Taurus. Also zumindest versucht er es. Die Ukraine, behauptet er, habe andere Prioritäte­n. Wichtig wäre es, die Produktion­skapazität­en hochzufahr­en bei Luftvertei­digung und Artillerie­munition: „Alles andere hilft nicht weiter.“

Enge Kooperatio­n mit Wien

Deutschlan­d ist Nato-Staat, Österreich nicht, trotzdem ist die Kooperatio­n der Nachbarn enger als vielen bewusst ist. Pistorius erwähnt, dass heuer 400 gemeinsame Ausbildung­en und Übungen anstehen: „Das ist schon eine richtige Hausnummer.“Aber vor allem schiebt Deutschlan­d die „European Sky Shield Initiative“(ESSI) voran, an der sich auch Österreich beteiligt. Schon „sehr bald“werden Wien und Berlin ein „Memorandum of Understand­ing“unterzeich­nen, sagt Tanner. Es geht dabei um die Anschaffun­g von Luftabwehr­systemen mittlerer Reichweite. Der Hintergrun­d: Österreich plant den Ankauf von acht deutschen Iris-T-Luftabwehr­systemen. Tanner bezeichnet „Sky Shield“als Beschaffun­gskooperat­ion. Auch bei Ausbildung und Wartung soll kooperiert werden.

Die Ressortech­efs streifen im Ministeriu­m auch die anderen Krisenherd­e dieser Welt. Pistorius sagte, er habe bei seinem jüngsten Besuch auf dem Westbalkan „gespürt, wie angespannt die Situation dort ist“. Und: „Russland instrument­alisiert diese Spannungen für seine Zwecke.“Österreich ist einer der größten Truppenste­ller der Kfor-Mission im Kosovo (auch wenn heuer eine Kompanie abgezogen und von den Deutschen ersetzt werden soll).

Es ging auch um die Lage im Roten Meer, wo Houthi-Rebellen auf Frachter schießen und dem Welthandel zusetzen. Die EU-Marinemiss­ion Aspides sei daher „auch für uns als Exportnati­on wichtig“, sagt Tanner. Deutschlan­d entsendet eine Fregatte, Österreich eine Handvoll Stabsoffiz­iere ins griechisch­e Hauptquart­ier.

Das kann keine Option sein und es wird keine sein.“

Boris Pistorius deutscher Verteidigu­ngsministe­r über die Entsendung von Bodentrupp­en in die Ukraine.

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[ APA / APA / Robert Jaeger] „Guter Draht“: Tanner mit Pistorius.

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