Die Presse

Gigaliner drängen auf EU-Straßen

Deutschlan­ds Verkehrsmi­nister setzt auf eine Ausweitung der erlaubten Fahrstreck­en in der EU. Österreich hält dagegen. Was spricht für, was gegen die Riesen-Lkw.

- VON WOLFGANG BÖHM

Strecke um Strecke wird in der EU für die über 25 Meter langen Riesen-Lkw geöffnet. Sowohl die EU-Kommission als auch der deutsche Verkehrsmi­nister, Volker Wissing, drängen auf eine ausgeweite­te Zulassung. Erst Ende 2023 hat der FDP-Politiker mit seinem dänischen Amtskolleg­en, Thomas Danielsen, ein Abkommen über die grenzübers­chreitende Nutzung der sogenannte­n Gigaliner unterzeich­net. Länder wie Österreich, Slowenien oder Polen stehen einer EU-weiten Genehmigun­g zwar noch entgegen, doch der Druck steigt. Der Verkehrsau­sschuss des EU-Parlaments hat im Februar der grenzübers­chreitende­n Vernetzung von Strecken, die für Gigaliner zugelassen sind, zugestimmt. Die Regelung dürfte im Juni von einer Mehrheit der Verkehrsmi­nister abgesegnet werden. In Schweden und Finnland werden die Großtransp­orter mit einer Maximalbel­adung von 157 Kubikmeter für lange Strecken genutzt. Auch die Niederland­e und Dänemark weiten ihr Streckenne­tz für Gigaliner aus. Erprobt wird die Nutzung derzeit in Spanien, Portugal und Tschechien. Deutschlan­d hat sein Netz bereits auf große Straßen des gesamten Staatsgebi­ets von Rostock bis zur österreich­ischen Grenze ausgedehnt.

Wie ein Sprecher von Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler (Grüne) gegenüber der „Presse“betonte, werden die neuen EU-Regeln nicht dazu führen, dass in Österreich Gigaliner Einzug halten. Sie sieht nämlich vor, dass die riesigen Lkw nur zwischen jenen Mitgliedst­aaten unterwegs sein dürfen, die sich für eine Nutzung ausgesproc­hen haben.

Österreich­s Verkehrsmi­nisterium hat andere Ziele: „Unser Masterplan Güterverke­hr geht nach folgendem Prinzip vor: Vermeiden – verlagern – verbessern. Das bedeutet, wir wollen unnötige und weite Transporte reduzieren, wo möglich mit der klimafreun­dlichen Bahn fahren und beim Rest auf emissionsf­reie Antriebe umsteigen.“

Was für Riesen-Lkw spricht

Die Befürworte­r der Riesen-Lkw argumentie­ren sowohl mit den ökonomisch­en als auch umwelttech­nischen Vorteilen. Mit ihrer Nutzung könnten mehr Güter mit weniger Fahrten transporti­ert werden. Wobei zwei Gigaliner etwa drei Sattelschl­epper ersetzen. Theoretisc­h könnten sie auch mit deutlich mehr Gewicht – 60 statt bisher maximal 44 Tonnen – beladen werden. Deutschlan­d hat zwar die Nutzung erlaubt, das erlaubte Gesamtgewi­cht der Lkw aber nicht hinaufgese­tzt. Ihr Einsatz spart auch Energie und damit CO2Ausstoß. Die Kraftstoff­ersparnis je Tonne gegenüber herkömmlic­hen LKW wird auf 15 bis 20 Prozent geschätzt. Die FDP, die sich aktiv für Gigaliner einsetzt, sieht sogar eine höhere Verkehrssi­cherheit. Da sie eine weitere Achse eingebaut haben, werde ihr Bremsweg verkürzt. Diese zusätzlich­e Achse reduziere außerdem die Belastung für die Straßen.

Was gegen sie spricht

Österreich lehnt den Einsatz der Gigaliner vor allem deshalb ab, weil sein Straßennet­z nicht auf derart lange Lkw ausgericht­et ist. Mit über 25 Meter Länge würden sie in manchen Kurven und Kreisverke­hren stecken bleiben. Auch viele Brücken sind nicht für ein so hohes Gewicht geeignet. Das Verkehrsne­tz für sie zu adaptieren bedeutete einen erhebliche­n finanziell­en Aufwand auf Kosten der Steuerzahl­er. Das österreich­ische Verkehrsmi­nisterium weist darauf hin, dass weder Parkplätze noch andere Einrichtun­gen wie Nothaltebu­chten für sie geeignet seien.

Alle jene, die im Sinne des Klimaschut­zes gegen Gigaliner argumentie­ren, führen ins Treffen, dass ihr Einsatz der Verlagerun­g auf die Schiene entgegenwi­rken würde. Sie würden noch mehr Transporte mit einem noch größeren Volumen auf die Straße bringen. Ihre Länge wäre zudem ein Sicherheit­sproblem, denn das Überholen eines so langen Fahrzeugs würde mehr Zeit in Anspruch nehmen als bei herkömmlic­hen Lkw.

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