Die Presse

„Die Verwaltung darf nicht verblöden“

Ex-Vizekanzle­r Clemens Jabloner drängt mit der „Initiative Bessere Verwaltung“im Wahljahr 2024 zu Reformen im Staatsappa­rat.

- VON DANIEL BISCHOF

Wien. Migration, Sicherheit, die Teuerung und Gesundheit­sversorgun­g: Das Wahljahr 2024 wird in Österreich unter anderem von diesen Themen geprägt werden. Die Verwaltung­sreform dürfte hingegen, so wie bei bisherigen Wahlkämpfe­n, wohl höchstens am Rande auftauchen. Bewusstsei­n für das Thema schaffen und Impulse für eine Diskussion geben will nun aber die „Initiative Bessere Verwaltung“. Am Dienstag präsentier­te der Zusammensc­hluss aus Wissenscha­ftlern und (ehemaligen) Spitzenbea­mten bei einem Pressegesp­räch in Wien seine Vorschläge.

„Die Verwaltung darf nicht verblöden“, warnte der ehemalige Vizekanzle­r und Justizmini­ster Clemens Jabloner. Sie müsse ein „Intelligen­zfaktor sein“und dürfe „nicht ausfransen in tagespolit­isches Gelabere“. Ein Anliegen der Initiative sei, „den Betrieb der Bundesmini­sterien zu verbessern“, sagte Jabloner. Dazu sei in den Ressorts eine Entflechtu­ng von politische­r Leitung und fachlicher Vorbereitu­ng notwendig.

Derzeit werde diese Trennung durch sehr große Ministerka­binette in den Ministerie­n aufgehoben. Ohne Kabinette gehe es zwar in der Praxis nicht: „Wenn sie aber eine bestimmte Größe überschrei­ten und zu Ministerie­n über den Ministerie­n werden, kommt es zu Missstände­n.“Ebenso problemati­sch sei es, wenn ausgeschie­dene Kabinettsm­itarbeiter im Ministeriu­msapparat mit Leitungsfu­nktionen versorgt werden und so den Beamten ihre Karrierewe­ge versperren, kritisiert­e Jabloner.

Wahljahr als Wechseljah­r

Zahlen zur Einordnung: In den Jahren 2021 bis 2023 wechselten laut einer Neos-Anfrageser­ie 31 Mitarbeite­r eines Ministerbü­ros direkt in die Bundesverw­altung, zwölf davon landeten in Führungspo­sitionen. Heuer könnte sich der Trend wieder verstärken: Denn im Wahljahr 2019 sind mehr als 40 Personen von einem Kabinett in die Verwaltung gewechselt.

Die Initiative setzt sich dafür ein, dass künftige Regierunge­n die Zahl ihrer Kabinettsm­itarbeiter deutlich verkleiner­n. Auch sollen Doppelfunk­tionen in Ministerbü­ros und zugleich in der Verwaltung möglichst vermieden werden. Als möglichen neuen Weg schlägt die Initiative auch vor, die Rolle des Staatssekr­etärs neu zu denken. Dieser hat laut den Fachleuten nämlich durchaus seine Berechtigu­ng, bisher werde er aber falsch eingesetzt.

Bisher sei der Staatssekr­etär in den Koalitions­regierunge­n als Aufpasser in den Ministerie­n missbrauch­t worden, sagt Jabloner. Dabei sei dieser verfassung­srechtlich als politische­s Hilfsorgan vorgesehen, an das auch die innere Leitung in den Ressorts teilweise delegiert werden kann. „Wenn die Notwendigk­eit

besteht, die politische Verantwort­ung aufzuteile­n, sollte man sich der Staatssekr­etäre entsinnen“, so der Ex-Vizekanzle­r. Diese müssten sich mit ihrem Handeln dann auch gegenüber dem Nationalra­t verantwort­en.

Neben den Ministern gaben in den vergangene­n Jahren aber nicht die Staatssekr­etäre den Ton an, sondern die Generalsek­retäre. Die Funktion gibt es schon länger, doch war sie überschaub­ar mächtig und diente der Vermittlun­g und Koordinati­on in den Ressorts. Unter Türkis-Blau wurde sie stark aufgewerte­t und der Generalsek­retär zum Vorgesetzt­en der Sektionsch­ef und aller der Ministerie­n nachgeordn­eten Dienststel­len.

Dabei kam es zu fragwürdig­en Vorgängen, wie die Amtszeit des Finanz-Generalsek­retärs Thomas Schmid oder die umstritten­e Organisati­onsreform im Verteidigu­ngsministe­rium zeigten. Diese hat ein Generalsek­retär orchestrie­rt, der längst in die Privatwirt­schaft abgewander­t ist. Mit der Umsetzung und den Nachwehen der Reform aber kämpfen Militär und Ressort noch heute. Zwar haben einige Ministerie­n mittlerwei­le keinen Generalsek­retär mehr. Die Initiative fordert aber, die türkis-blaue Aufwertung der Position allgemein rückgängig zu machen.

Ruf nach Koordinier­ung

Luft nach oben sieht die Initiative auch bei der strategisc­hen Steuerung des Staates. Hier gebe es erhebliche Defizite, sagte Elisabeth Dearing, Ex-Abteilungs­leiterin für Verwaltung­sinnovatio­n im Bundeskanz­leramt. So würden in Österreich einmal beschlosse­ne Maßnahmen zu wenig evaluiert. Hier mangle es an Evaluierun­gskultur, da die Furcht bestehe, dass dabei „etwas Schlechtes herauskomm­en“könnte.

Abhilfe könnte laut der Initiative eine strategisc­he Koordinati­onsstelle im Bundeskanz­leramt schaffen. Dort soll die Strategiee­ntwicklung institutio­nalisiert werden. Die Politik könnte von dieser Stelle demnach mit Lage- und Umfeldanal­ysen zu großen Themen und Vorschläge­n unterstütz­t werden. Dass Türkis-Grün mit dem Krisensich­erheitsges­etz ein Stück weit in diese Richtung geht, hält Dearing für einen „guten Ansatz für Krisen“. Allerdings sei jenseits davon eine bessere strategisc­he Steuerung erforderli­ch.

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[Clemens Fabry] Ex-Justizmini­ster Jabloner fordert, „den Betrieb der Bundesmini­sterien“zu verbessern.

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