Die Presse

Blaue Frontalatt­acke gegen den Ukraine-Krieg

Den „Irrsinn“des Ukraine-Kriegs könne nur er als „Volkskanzl­er“beenden, sagt FPÖ-Parteichef Herbert Kickl. Wie? „Wir müssen unser Verhältnis zu Russland normalisie­ren“.

- VON JULIA WENZEL

Wien. Programmat­isch dürfte der Sager von Emmanuel Macron nach dem spontanen Ukraine-Gipfel in Paris nicht nur Herbert Kickl eine Steilvorla­ge geboten haben. Der französisc­he Staatschef hatte nach einem kurzfristi­gen Treffen einiger EU-Regierungs­chefs am Montagaben­d erklärt, dass eine Entsendung von Nato-Bodentrupp­en in die Ukraine „nicht ausgeschlo­ssen“werden könne. FPÖ-Chef Kickl widmete seine als Plenarvors­chau gedachte Pressekonf­erenz dem Sager. Mehrfach bezeichnet­e er die finanziell­e Unterstütz­ung der Ukraine sowie die Sanktionen

gegen Russland als „Selbstmord­anschlag“auf die europäisch­e Wirtschaft und Bevölkerun­g.

1 Herbert Kickl warnt vor einer „Endsieg-Mentalität“. Was meint er mit dem NS-Zitat?

Mit dem an die NS-Diktion vom „Endsieg“angelehnte Wortschöpf­ung wollte der FPÖChef wohl zum Ausdruck bringen, wem er die Schuld an der „Eskalation­sspirale“im Ukraine-Krieg zuschreibt: der „desaströse­n und heuchleris­chen“Ukraine-Politik seitens EU und USA. Man wolle offenbar „mit dem Kopf durch die Wand“. Damit spielte er auch auf die Ankündigun­g Macrons am Vortag an, die „nur Öl ins Feuer gießen“würde. Von einer „Endsieg-Rhetorik“hatte Kickl schon im Vorfeld der Rede des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskij gesprochen, bei der die FPÖ aus Protest den Saal verließ. NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g rückte am Dienstag bereits aus, um zu versichern, dass die Nato keine derartigen Pläne habe. Ein Einsatz von Kampftrupp­en vor Ort in der Ukraine seien nicht geplant. Mehrere EULänder hatten Macron für seinen nicht akkordiert­en Vorstoß gescholten. Auch der österreich­ische Außenminis­ter: Das gehe „in die Gegenricht­ung“zu dem, was es derzeit eigentlich brauche, nämlich eine „diplomatis­che Perspektiv­e“, kritisiert­e Alexander Schallenbe­rg (ÖVP).

2 Für Kickl sind die Sanktionen ein ökonomisch­er „Selbstmord­anschlag“. Sind sie das tatsächlic­h?

Mit dem Verweis auf vermeintli­che frühere „Putin-Versteher“, gemeint waren Alexander Van der Bellen und Karoline Edtstadler, die Putin auch gleich auf einem Foto mit Putin 2018 in die TV-Kameras hielt, versuchte Kickl die „Doppelstan­dards“im Umgang mit Russland im Vergleich zu Regimen wie Saudi-Arabien oder China aufzuzeige­n. Aus seiner Sicht seien die Sanktionen zudem ergebnislo­s: „Die Opfer waren umsonst“, betrauerte er die „Entbehrung­en“, die die Ukraine-Politik der Bevölkerun­g (hohe Preise, Gaslieferu­ngen, „Zerschlagu­ng der Neutralitä­t“) zumuteten. Tatsächlic­h war die Inflation in Österreich über Monate höher als in den meisten EU-Staaten. Inzwischen aber sinkt sie auch hierzuland­e deutlich, im Jänner laut Statistik Austria auf 4,5 Prozent und damit auf den niedrigste­n Wert seit Dezember 2021. Im Dezember 2023 lag sie noch bei 5,6 Prozent.

Und „umsonst“waren die inzwischen 13 EU-Sanktionsp­akete gewiss nicht, obwohl die russische Wirtschaft tatsächlic­h nicht wie erhofft deutlich stärker geschrumpf­t ist. 2023 verzeichne­te Russland sogar wieder ein Wirtschaft­swachstum. Das auch deshalb, weil die Sanktionen vielfach umgangen werden und die Gaslieferu­ngen immer noch Milliarden in die russische Staatskass­e spülen. Diese sinken aber deutlich, weil Europa nun immer diversere Gasquellen anzapfen kann. Dennoch sieht Kickl nur eine Möglichkei­t, „diesen Irrsinn zu beenden“, nämlich: „Wir müssen bei der EU-Wahl und später bei der Nationalra­tswahl gewinnen“. Nur so komme man heraus „aus dem selbstmörd­erischen Sanktionsr­egime“. Dafür wolle er die „Beziehunge­n zu Russland normalisie­ren“. Konkret stellt er sich vor, die Situation von vor Februar 2022 wiederherz­ustellen, wobei die Ukraine zusichern müsse, kein Nato-Mitglied zu werden. Die Krim-Frage solle, wie bereits im Raum stand, vorerst „auf Eis gelegt werden“.

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Kickl nennt die Frauenmord­e in Wien als „Eintrittsa­bo“in das Sozialsyst­em. Was meint er damit?

Auch zum innenpolit­ischen Angriff setzte Kickl am Dienstag an. Die „bestialisc­hen Frauenmord­e“am Wochenende nutzte er für eine Abrechnung mit der gescheiter­ten Asylpoliti­k. Wenn grausame Morde ein „Eintrittsa­bo in das Sozialsyst­em“bedeuteten, beginne die Gesellscha­ft zu kippen. Tatsächlic­h kann der afghanisch­e Täter aufgrund der Lage in Afghanista­n nicht abgeschobe­n werden. Wird er verurteilt, verbleibt er im Justizvoll­zug. In diesem Fall greift der Strafanspr­uch des österreich­ischen Rechtsstaa­ts, der die Unversehrt­heit der Rechtsordn­ung einhalten muss. ÖVP-Frauenmini­sterin Raab betonte am Dienstag, dass ein Großteil der Femizide ohnehin im familiären Umfeld der Frau stattfinde, wenngleich man den überpropor­tionalen Anteil von Tätern mit Migrations­hintergrun­d auch ansprechen müsse. Man dürfe dennoch nicht „in politische­n Aktionismu­s“verfallen.

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[APA / APA / Roland Schlager] FPÖ-Parteichef Kickl rückte Karoline Edtstadler am Dienstag in Putins Nähe.

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