Schränkt eine Klarnamenpflicht die Meinungsfreiheit ein?
Experten und politische Mitbewerber bezweifeln, dass eine Klarnamenpflicht, wie sie die ÖVP fordert, möglich wäre und helfen würde.
Kanzler Karl Nehammer hat es in seinem „Plan für Österreich 2030“anklingen lassen, Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky hat geschildert, wie die Ausführung aussehen könnte. Gemeint ist die Klarnamenpflicht im Internet. Geht es nach der Volkspartei, sollen die Nutzer von Social Media Plattformen zwar weiterhin unter Pseudonymen posten dürfen, ihre Identität soll den Portalen aber bekannt sein müssen. So will man sicherstellen, dass die Behörden „bei rechtlich bedenklichen oder strafrechtlichen Vorgängen“eingreifen können. Außerdem sollen Betriebe auf diese Art vor „Fake-Bewertungen“, die etwa von einer künstlichen Intelligenz (KI) erzeugt werden, geschützt werden.
Tursky sah hier kürzlich auch datenschutzkonforme Lösungen – indem etwa nicht tatsächlich Vorund
Nachname der Nutzer den Plattformen bekannt sein müssen, sondern im Fall einer Strafverfolgung eine Identifizierung über Blockchain-basierter Identitätsbrocken möglich wäre, schilderte er. Ginge das rechtlich? Und was sagen Experten und die anderen Parteien dazu? Das war am Montagabend Thema eines Dialogforums im Parlament, das sich der Gefahr für die Demokratie widmete, die von den Sozialen Medien ausgeht.
Die Klarnamenpflicht als einen „wichtigen Schritt“nannte dabei wenig überraschend der ÖVP-Abgeordnete Nico Marchetti. Wenngleich er einräumte, dass es „sicher nicht der einzige“sei. Außerdem erklärte er, dass es nicht passend sei, im Bezug auf Soziale Medien „Weltuntergangsstimmung zu verbreiten“. Diese würden ja durchaus auch etwas bewirken, sagte er und nannte für einen ÖVP-Politiker einigermaßen überraschend etwa die Fridays-for-Future-Bewegung als Beispiel.
„Profile verifizieren“
Die Grünen sind von der Klarnamen-Idee ihres Noch-Koalitionspartners ja seit jeher nicht angetan. Sie befürchten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, außerdem sei nicht gesagt, dass Hass- und Desinformationskampagnen so ausgehebelt werden können, argumentieren sie. Der grüne Abgeordnete David Stögmüller hält es etwa für sinnvoller, Profile zu verifizieren, wie er am Montag ausführte. Derzeit seien noch 96 Prozent aller KI-generierten Inhalte Pornovideos, schon bald könnten es aber vorwiegend Nachrichten sein.
Auch die Neos sehen eine Klarnamenpflicht kritisch. Ihr seien auch schon mit vollem Namen Vergewaltigungen und der Tod gewünscht worden, sagte die pinke Frauen- und Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Außerdem hält sie es für wichtig, dass etwa junge homosexuelle Männer vom Land die Möglichkeit haben, sich unerkannt im Netz mit anderen auszutauschen.
Die FPÖ hält gröbere politische Eingriffe beim Thema Social Media ohnehin für unnötig. In der Ansicht der blauen Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch würden Soziale Medien die Demokratie nämlich weniger gefährden als die von ihr so bezeichnete „linke Deutungshoheit“. Für sie sind Soziale Medien vor allem eine Chance für die Demokratie, da dort Inhalte aufgegriffen würden, über die Politiker oft nicht diskutieren wollten.
Von Seiten der SPÖ nahm niemand an der Diskussion teil, die rote netzpolitische Sprecherin, Katharina Kucharowits, hatte einer Klarnamenpflicht aber bereits zuvor ein „klares Nein“erteilt.
Auch aus der Wissenschaft gibt es Kritik am Klarnamen-Vorhaben. Magdalen Pöschl, Professorin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien erklärte, eine Umsetzung würde wahrscheinlich dem vor Kurzem in Kraft getretenen Digital Service Act der EU-Kommission widersprechen, in dem ja bereits strenge Regeln für 19 große digitale Plattformen ausgeführt sind. Ganz sicher widerspreche sie laut Pöschl aber der Datenschutz-Grundverordnung der EU. Zudem wolle wohl niemand den Plattformen, die ohnehin massenweise Daten von Nutzern sammeln, auch noch Klarnamen zuspielen, meinte sie. (eho)