Was Gewalt verhindern kann
Ministerin Susanne Raab will nicht in „politischen Aktionismus“verfallen. Frauen- und Gewaltschutzorganisationen planen Proteste — und fordern Maßnahmen.
Sechs getötete Frauen binnen weniger Tage: Entsetzen, Trauer und Wut sind groß. So groß, dass Frauen- und Gewaltschutzorganisationen fordern, man dürfe nicht abwarten, solche Schlagzeilen dürften nicht entsetzliche Gewohnheit werden. Am Freitag wird daher vor dem Frauenministerium am Minoritenplatz eine Protestaktion stattfinden. Es soll, eine Woche nach dem „schwarzen Freitag“, ein „Schreitag“werden, sagt Klaudia Frieben, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes.
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) will indes nicht in „politischen Aktionismus“verfallen, sagte sie am Dienstag. Sie will noch diese Woche ein Gespräch mit Experten aus Justiz, Sicherheit und Opferschutz abhalten, um die Fälle zu analysieren und zu überlegen, „wo wir das Gewaltschutzsystem engmaschiger schnüren können“.
Sie wolle sich der Fälle „mit Ruhe und Ernsthaftigkeit“widmen, auch den „überproportional hohen Anteil von Tätern mit Migrationshintergrund“ansprechen. Und betonte, dass die Regierung das Budget in dem Bereich erhöht, mehr Beratungsstellen etabliert oder Notunterkünfte ausgebaut habe. Frauen- und Gewaltschutzorganisationen ist das nicht genug. Was könnte helfen, Gewalt zu verhindern?
Krisenstab
Der Frauenring etwa fordert einen ständigen Krisenstab zu Gewalt gegen Frauen. In einem solchen Krisenstab könnten Vertreterinnen und Vertreter der Politik, der NGOs, Exekutive und Justiz Lücken im System finden. Wo fehlen Informationen? Welche Entwicklungen fallen auf? Welche Frauen werden mit Gewaltschutz-Angeboten nicht erreicht? Gibt es Häufungen bei Tätern mit bestimmten Merkmalen?
Aktionsplan
Eine weitere Forderung zahlreicher NGOs ist die nach einem nationalen Aktionsplan. „Es gab so einen
Aktionsplan von 2014 bis 2016, der hat unterschiedliche Ministerien in die Pflicht genommen, hier könnte die Regierung ansetzen. Das ist einer der zentralen Kritikpunkte von uns NGOs an der Umsetzung der Istanbul Konvention (dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Anm.), dass ein nationales Gesamtpaket fehlt. Aktuell wird nur punktuell gehandelt“, sagt Sophie Hansal vom Netzwerk Österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen.
Kampagne
Gewalt im sozialen Nahraum fängt meist nicht mit schweren Taten an, sie eskaliert. Wird früh eingegriffen, ließe sich vieles verhindern. „Wir müssen Angebote sichtbarer machen, wir brauchen breit angelegte Kampagnen, Sensibilisierungsarbeit“, sagt Hansal. „Ziel ist, dass alle Mädchen und Frauen wissen, wohin man sich wenden kann. Und, dass man sich früh Hilfe suchen kann.“„Wir wissen, dass Tötungsdelikte in der Regel Fälle sind, in
denen es noch keine Anzeige gab“, sagt Karin Gölly von den Gewaltschutzzentren. „Die Hemmschwelle, sich an Polizei oder Gewaltschutzeinrichtungen zu wenden, ist da. Es gibt aber gute Unterstützung, wir haben im Vorjahr mehr als 24.000 Menschen betreut. Wir müssen das Angebot bekannter machen“, sagt Gölly. Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren plant aktuell etwa eine große Kampagne.
Prävention
„Wir brauchen eine extreme Aufwertung der Präventionsarbeit, hier fehlt es an allen Ecken und Enden“, sagt Klaudia Frieben. Sie nennt etwa das Projekt „StoP — Stadtteile ohne Partnergewalt“. „Das ist das beste von allen, von solchen Projekte brauchen wir viel mehr.“Aber Prävention müsse „von Kindesbeinen an“beginnen, so Frieben. „Wir wissen, dass das ein Prozess ist, der lange Zeit braucht“, sagt Karin Gölly. Aber es würde langfristig wirken, wenn man schon im Kindergarten damit beginnt,
andere Rollenbilder zu vermitteln als die tradierten, wenn Buben anderes lernen als dass sie immer stark sein müssen und im Zweifel zuschlagen.
„Wir wissen aus der Forschung, dass hier Sensibilisierung wirkt. Wo sonst als im Kindergarten und der Schule soll man Kinder erreichen, die zuhause vielleicht problematische Männlichkeitsbilder mitbekommen?“, sagt Gölly. Und fordert, dass vom Kindergarten an Gewaltpräventionskonzepte etabliert werden sollten, so wie das aktuell mit Kinderschutzkonzepten passiert.
Männerarbeit
Mehr Arbeit mit Burschen und Männern, die schon zu Gewalttätern geworden sind, das fordert etwa Karin Gölly. Hier wurde die „Täterarbeit“zwar im Gewaltschutzpaket der Regierung ausgebaut. „Das ist gut, aber wir wünschen uns ein Ausweitung. Nach Betretungsund Annäherungsverboten sind es in der Regel sechs Stunden Beratung. Das bringt bei den meisten keine nachhaltige Veränderung.“