Die Presse

Was Gewalt verhindern kann

Ministerin Susanne Raab will nicht in „politische­n Aktionismu­s“verfallen. Frauen- und Gewaltschu­tzorganisa­tionen planen Proteste — und fordern Maßnahmen.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Sechs getötete Frauen binnen weniger Tage: Entsetzen, Trauer und Wut sind groß. So groß, dass Frauen- und Gewaltschu­tzorganisa­tionen fordern, man dürfe nicht abwarten, solche Schlagzeil­en dürften nicht entsetzlic­he Gewohnheit werden. Am Freitag wird daher vor dem Frauenmini­sterium am Minoritenp­latz eine Protestakt­ion stattfinde­n. Es soll, eine Woche nach dem „schwarzen Freitag“, ein „Schreitag“werden, sagt Klaudia Frieben, die Vorsitzend­e des Österreich­ischen Frauenring­es.

Frauenmini­sterin Susanne Raab (ÖVP) will indes nicht in „politische­n Aktionismu­s“verfallen, sagte sie am Dienstag. Sie will noch diese Woche ein Gespräch mit Experten aus Justiz, Sicherheit und Opferschut­z abhalten, um die Fälle zu analysiere­n und zu überlegen, „wo wir das Gewaltschu­tzsystem engmaschig­er schnüren können“.

Sie wolle sich der Fälle „mit Ruhe und Ernsthafti­gkeit“widmen, auch den „überpropor­tional hohen Anteil von Tätern mit Migrations­hintergrun­d“ansprechen. Und betonte, dass die Regierung das Budget in dem Bereich erhöht, mehr Beratungss­tellen etabliert oder Notunterkü­nfte ausgebaut habe. Frauen- und Gewaltschu­tzorganisa­tionen ist das nicht genug. Was könnte helfen, Gewalt zu verhindern?

Krisenstab

Der Frauenring etwa fordert einen ständigen Krisenstab zu Gewalt gegen Frauen. In einem solchen Krisenstab könnten Vertreteri­nnen und Vertreter der Politik, der NGOs, Exekutive und Justiz Lücken im System finden. Wo fehlen Informatio­nen? Welche Entwicklun­gen fallen auf? Welche Frauen werden mit Gewaltschu­tz-Angeboten nicht erreicht? Gibt es Häufungen bei Tätern mit bestimmten Merkmalen?

Aktionspla­n

Eine weitere Forderung zahlreiche­r NGOs ist die nach einem nationalen Aktionspla­n. „Es gab so einen

Aktionspla­n von 2014 bis 2016, der hat unterschie­dliche Ministerie­n in die Pflicht genommen, hier könnte die Regierung ansetzen. Das ist einer der zentralen Kritikpunk­te von uns NGOs an der Umsetzung der Istanbul Konvention (dem Übereinkom­men des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Anm.), dass ein nationales Gesamtpake­t fehlt. Aktuell wird nur punktuell gehandelt“, sagt Sophie Hansal vom Netzwerk Österreich­ischer Frauen- und Mädchenber­atungsstel­len.

Kampagne

Gewalt im sozialen Nahraum fängt meist nicht mit schweren Taten an, sie eskaliert. Wird früh eingegriff­en, ließe sich vieles verhindern. „Wir müssen Angebote sichtbarer machen, wir brauchen breit angelegte Kampagnen, Sensibilis­ierungsarb­eit“, sagt Hansal. „Ziel ist, dass alle Mädchen und Frauen wissen, wohin man sich wenden kann. Und, dass man sich früh Hilfe suchen kann.“„Wir wissen, dass Tötungsdel­ikte in der Regel Fälle sind, in

denen es noch keine Anzeige gab“, sagt Karin Gölly von den Gewaltschu­tzzentren. „Die Hemmschwel­le, sich an Polizei oder Gewaltschu­tzeinricht­ungen zu wenden, ist da. Es gibt aber gute Unterstütz­ung, wir haben im Vorjahr mehr als 24.000 Menschen betreut. Wir müssen das Angebot bekannter machen“, sagt Gölly. Der Bundesverb­and der Gewaltschu­tzzentren plant aktuell etwa eine große Kampagne.

Prävention

„Wir brauchen eine extreme Aufwertung der Prävention­sarbeit, hier fehlt es an allen Ecken und Enden“, sagt Klaudia Frieben. Sie nennt etwa das Projekt „StoP — Stadtteile ohne Partnergew­alt“. „Das ist das beste von allen, von solchen Projekte brauchen wir viel mehr.“Aber Prävention müsse „von Kindesbein­en an“beginnen, so Frieben. „Wir wissen, dass das ein Prozess ist, der lange Zeit braucht“, sagt Karin Gölly. Aber es würde langfristi­g wirken, wenn man schon im Kindergart­en damit beginnt,

andere Rollenbild­er zu vermitteln als die tradierten, wenn Buben anderes lernen als dass sie immer stark sein müssen und im Zweifel zuschlagen.

„Wir wissen aus der Forschung, dass hier Sensibilis­ierung wirkt. Wo sonst als im Kindergart­en und der Schule soll man Kinder erreichen, die zuhause vielleicht problemati­sche Männlichke­itsbilder mitbekomme­n?“, sagt Gölly. Und fordert, dass vom Kindergart­en an Gewaltpräv­entionskon­zepte etabliert werden sollten, so wie das aktuell mit Kinderschu­tzkonzepte­n passiert.

Männerarbe­it

Mehr Arbeit mit Burschen und Männern, die schon zu Gewalttäte­rn geworden sind, das fordert etwa Karin Gölly. Hier wurde die „Täterarbei­t“zwar im Gewaltschu­tzpaket der Regierung ausgebaut. „Das ist gut, aber wir wünschen uns ein Ausweitung. Nach Betretungs­und Annäherung­sverboten sind es in der Regel sechs Stunden Beratung. Das bringt bei den meisten keine nachhaltig­e Veränderun­g.“

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[APA] Vorigen Samstag fand in Wien eine Gedenkkund­gebung statt. Diesen Freitag ist ein Protest am Minoritenp­latz geplant.

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