Ruf nach großflächiger Impfung gegen RS-Virus
Erstmals gibt es einen monatelang anhaltenden Schutz für Babys und Kleinkinder. Für ein großes nationales Impfprogramm im Winter 2024/25 müssten die Dosen aber bald bestellt werden. Österreich wäre nicht das erste Land.
Impfstoffe gegen RSV (Respiratory Syncytial Virus) sind für Personen ab 60 Jahren schon seit diesem Winter verfügbar. Mit Beyfortus (Wirkstoff: Nirsevimab) bringt das Unternehmen Sanofi nun auch eine Impfung für Babys auf den Markt, in kleineren Mengen ist sie bereits erhältlich. Empfohlen ist sie bisher aber nur Risikokindern, zumeist sind das Frühgeborene sowie Neugeborene mit schweren Atemwegsproblemen und Herzfehlern.
Verabreicht wird der Impfstoff – der Preis liegt in Österreich derzeit bei 1400 Euro – einmal. Er beinhaltet monoklonale Antikörper. Das sind künstlich hergestellte Antikörper, die das Andocken des RS-Virus an menschliche Zellen blockieren. Sie können also eine Infektion verhindern, in erster Linie schützen sie aber vor schweren Verläufen im Sinn von Spitalsaufenthalten. Bei dieser passiven Immunisierung wird somit – im Gegensatz zur aktiven Immunisierung durch eine gewöhnliche Impfung – das Immunsystem umgangen, indem Antikörper injiziert werden.
Schwere Verläufe verhindern
Aus bisherigen Studien geht hervor, dass die Impfung die Zahl der Infektionen bzw. schweren Verläufe um etwa 80 Prozent reduzieren kann. Wie auch der Impfstoff für Erwachsene, der im Übrigen ein klassischer Totimpfstoff ist und 250 Euro kostet, muss in Österreich Beyfortus derzeit zur Gänze selbst
bezahlt werden. Unter diesen Umständen fordern nun mehrere Kinderärzte die Vorbereitung einer kostenlosen Impfkampagne für Babys und Kleinkinder rechtzeitig vor der nächsten RSV-Saison. Unter ihnen Kinderarzt Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), der – wie viele seiner Kollegen – überzeugt ist, mit großflächigen Impfungen die Zahl der RSV-Infektionen deutlich reduzieren zu können.
Er schätzt, dass eine Impfquote von zumindest 50 Prozent erreichbar ist, wenn der Impfstoff kostenlos angeboten und von einer umfangreichen Aufklärung durch Kinderärzte
begleitet wird. Dadurch könnten mindestens 600 Spitalsaufenthalte pro Jahr wegen einer RSV-Infektion verhindert werden – ausgehend davon, dass in Österreich im Schnitt 2500 Babys und Kleinkinder eine Behandlung im Krankenhaus wegen RSV benötigen. Bei rund 77.000 Geburten pro Jahr, einer Beteiligungsrate von 50 Prozent und einem – angenommenen – Preis von 400 Euro pro Impfung (eine unter Gesundheitsexperten realistische Schätzung) würde das für den Impfstoff Kosten von etwa 15,4 Millionen Euro bedeuten. Dem gegenüber stünden (bei einer Reduktion schwerer Verläufe um besagte 600 Fälle) direkte Einsparungen
von rund 2,1 Millionen Euro – vor dem Hintergrund, dass sich ein Spitalsaufenthalt wegen RSV durchschnittlich mit 3000 bis 4000 Euro zu Buche schlägt. Sekundärkosten (etwa durch Pflegeurlaub der Eltern) sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt.
Krankenhäuser entlasten
„Als Kinderärzte wünschen wir uns aber ohnehin, dass nicht ökonomische Überlegungen im Vordergrund stehen, sondern das Verhindern schwerer Verläufe in einem sehr frühen Lebensalter“, sagt Kerbl. „Daher halten es viele meiner Kollegen und ich für notwendig, sich bald mit dieser Frage zu beschäftigen und nach Möglichkeit ein kostenloses Impfprogramm auf die Beine zu stellen. So, wie das etwa die Niederlande, Luxemburg und Chile bereits gemacht haben. In diesen Ländern werden für die kommende Saison ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen.“Sanofi zufolge müsse Österreich nämlich jetzt bestellen, um rechtzeitig genügend Dosen geliefert zu bekommen. Dem Gesundheitsministerium zufolge finden dazu derzeit Gespräche statt, eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.
Ein weiteres Argument für diese Präventionsmaßnahme ist Kerbl zufolge das Verhindern von Spitzenbelastungen in Spitälern im Winter. Der optimale Zeitpunkt für die Impfung, deren Wirkung etwa fünf Monate anhält (die bisherigen monoklonalen Antikörper zur passiven Immunisierung, Synagis von
AstraZeneca, mussten Risikokindern monatlich verabreicht werden) und die keine nennenswerten Impfreaktionen auslöst, ist voraussichtlich Oktober. „Im zweiten Lebensjahr ist eine Impfung nur noch für Risikokinder notwendig, weil sich für gesunde Kleinkinder das Risiko für schwere Verläufe deutlich reduziert“, sagt Kerbl.
Über die Atemluft übertragen
Das RS-Virus wird vor allem über die Atemluft übertragen und kann bei Kleinkindern sowie älteren und schwer vorerkrankten Personen heftige Verläufe wie etwa obstruktive (verengende) Bronchitis bzw. Bronchiolitis (vergleichbar mit einer asthmatischen Reaktion) verursachen. Bei gesunden Erwachsenen löst das Virus zumeist harmlose Atemwegsinfekte aus. Seit diesem Winter sind in Österreich wie gesagt auch zwei Impfstoffe verfügbar, sie sind für Personen ab 60 Jahren empfohlen. Impfen lassen dürfen bzw. sollen sich (nach ärztlicher Beratung) aber auch Personen mit schweren Vorerkrankungen sowie Schwangere im letzten Drittel der Schwangerschaft. Bei ihnen werden die gebildeten Antikörper dann über die Plazenta an das Ungeborene weitergegeben und bieten nach der Geburt Schutz für etwa drei bis vier Monate. Die Impfung von Schwangeren kann also eine Alternative zur Impfung von Babys sein. Allerdings geht Kerbl davon aus, dass bei letzterer Strategie deutlich höhere Impfquoten erreicht werden können.